UK: Kind abtreiben lassen, weil es weiblich ist? Ja gerne.
24.02.12, 16:54:48
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Zitat:
In Großbritannien ist eine neue, scharfe Debatte über Abtreibung entbrannt, aus schockierendem Anlass: Ärzte in mehreren britischen Kliniken sollen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt haben, weil das Kind nicht das gewünschte Geschlecht hatte - oder zumindest die Bereitschaft zu dem Eingriff signalisiert haben. Zu diesem Ergebnis kamen investigative Recherchen des Telegraph.
Redakteure der Tageszeitung begleiteten undercover schwangere Frauen in neun Abtreibungskliniken im ganzen Land. Dort verlangten die Mütter einen Abbruch, angeblich, weil sie mit dem Geschlecht des Kindes nicht einverstanden seien. In drei der neun Kliniken gingen die Ärzte auf ihre Bitten ein, boten zum Teil sogar an, in den notwendigen Unterlagen falsche Angaben zu machen. "Ich stelle keine Fragen", sagte etwa eine Gynäkologin der Daily Mail zufolge. "Wenn Sie einen Abbruch wollen, wollen Sie einen Abbruch."
Quelle
25.02.12, 00:08:34
PvdL
Wenn man jetzt schon des unerwünschten Geschlechts wegen abgetrieben werden soll, dann kann man auch die "Abtreibung" nach dem zwölften Monat -- drei Monate zur Ansicht -- in Erwägung ziehen.
25.02.12, 00:14:21
frontdoor
In China ist das schon beinahe üblich.Dort gibt es gerade bei jungen Menschen ein auffallendes Mißverhältnis zwischen Männern und Frauen.
25.02.12, 00:21:35
PvdL
In China hat es aber zumindest einen Grund: Weil jede Familie nur ein Kind haben darf und Mädchen wenn sie verheiratet werden die Familie Geld kosten, wollen alle einen Knaben haben. Das könnte nur längerfristig dazu führen, daß sich die Chinesen ihre Frauen im Ausland suchen müssen.
26.02.12, 05:03:02
Vendela
Ich kann die moralischen Bedenken verstehen, aber andererseits fände ich eine Fristenregelung, die Abtreibungen ohne Begründung, "Beratung" und Wartezeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglicht, besser. Kooperierende Ärzte sind generell auch praktisch. Wenn werdende Mütter / Eltern sich gezwungen sehen, ihr Kind nach bestimmten Kriterien auswählen zu müssen, würde ich ihnen dafür keinen Vorwurf machen. Eher liegt es an den gesellschaftlichen Bedingungen, die die Eltern überhaupt erst in diese Lage bringen.
26.02.12, 13:35:59
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Jaja, keiner trägt selbst Verantwortung, schon klar.
26.02.12, 18:33:05
Fundevogel
Die Abtreibungsstatistiken sagen, dass die häufigsten Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch in der Partnerschaft und der Erfüllung beruflicher Wünsche liegen.
Mich beschäftigt:
Wie rechtfertigt man einen Schwangerschaftsabbruch, bei welchem man sich für einen erwachsenen Partner und gegen ein wehrloses Wesen entscheidet.
Wenn 80 % der Frauen in helfenden Berufen als Altenpflegerin, Krankenschwester, Gebäudereiniger, Lehrer etc. beschäftigt sind, in denen Leben gestaltet und unterstützt wird:
Wie erklären sich Frauen selbst, das Leben im eigenen Körper zu zerstören und an anderer Stelle fremde Körper zu pflegen?
Karrieren zu verpassen, kann in diesen schlechtbezahlten Berufen nicht ernsthaft als Argument gelten.
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Arbeitsmarkt/content75/BerufeMaennerFrauen.psml
26.02.12, 19:51:02
Vendela
Selbstverantwortung ist auch Verantwortung, 55555.
Vielleicht die Angst davor, Belastung und Verantwortung allein tragen zu müssen, Angst vor Überforderung, Arbeitslosigkeit, Armut und Abhängigkeit?
Andere Leute haben oft einen großen Einfluss auf die Entscheidung, z.B. die Väter, Partner, sonstige Familienangehörige, Arbeitgeber und -kollegen, Ärzte / Therapeuten, Freunde...
Berufliche Wünsche: Es kann einfach bedeuten, nicht arbeitslos sein zu wollen. Das muss nicht im Vergleich zu irgendwem anderen stehen, sondern kann heißen, dass man das wenige, das man hat, nicht verlieren möchte. Es passiert immer wieder, dass Schwangere und Mütter von Arbeitgeber, -kollegen und auch -kolleginnen stark unter Druck gesetzt werden, sich zwischen Kind und Arbeit zu entscheiden bzw. wegen des Kindes zu kündigen (ohne dass es sonst irgendeinen Grund für eine Kündigung gäbe, einfach aus Prinzip). Oder es kann die Angst dahinter stehen, mit Kind nicht mehr ausreichend leistungsfähig zu sein. Oder die Arbeitszeiten sind so ungünstig, dass auch eine Teilzeittätigkeit mit den Möglichkeiten der Kinderbetreuung nicht zu vereinbaren ist. Oder nur die werdende Mutter hat einen Arbeitsplatz oder verdient deutlich mehr als der Partner, der Partner sieht es aber als unter seiner Würde an, sich um das Kind zu kümmern, sodass der Lebensunterhalt für alle nicht mehr gesichert wäre.
Ansonsten bin ich mir nicht sicher, ob helfende und pflegende Berufe aus Mitgefühl oder aus anderen Gründen gewählt werden, aber das ist ein anderes Thema.
Partnerschaft: Es ist nicht unbedingt eine Entscheidung für den Partner und gegen das Kind, sondern z.B. für sich selbst.
Was macht man z.B., wenn der Partner, evtl. mit höherem Einkommen, das Kind nicht möchte? Was, wenn eine Partnerschaft das Kind vielleicht nicht aushält oder andere evtl. schon vorhandene Kinder nicht mehr adäquat versorgt werden können? Oder wenn ein Ehevertrag das Arbeiten verbietet, solange die Kinder in einem bestimmten Alter sind, und es grad nicht so gut in der Partnerschaft läuft?
Alleinerziehende haben ein hohes Armutsrisiko. Abhängigkeit ist aber auch nicht angenehm. So und so kann auch das Kind darunter leiden.
Wenn nicht ausreichend Rückhalt da ist und die Rahmenbedingungen ungünstig sind, kann es passieren, dass man verzweifelt und keinen anderen Ausweg sieht.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Leute gibt, die aus Spaß oder Egoismus abtreiben oder Abtreibung freiwillig als nachträgliches Verhütungsmittel nutzen.
26.02.12, 20:08:39
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Also.
Wenn werdende Mütter / Eltern sich gezwungen sehen, ihr Kind nach bestimmten Kriterien auswählen zu müssen, würde ich ihnen dafür keinen Vorwurf machen. Eher liegt es an den gesellschaftlichen Bedingungen, die die Eltern überhaupt erst in diese Lage bringen.
Das gilt dann auch z.B. für die lästige demente Oma, die die Urlaubsplanungen behindert, so wie in gewissen Nachbarländern inzwischen "gute fachliche Praxis"?
26.02.12, 20:51:29
Vendela
Sich um pflegebedürftige Angehörige neben sonstigen Belastungen zu kümmern, ist anstrengend. Wenn man nicht wenigens einmal im Jahr etwas Zeit für sich haben kann, ist das mehr als nur ein lästiges Problem. Urlaub ist dann kein Vergnügen, sondern lebensnotwendig.
Sowohl bei Abtreibung, als auch bei Sterbehilfe geht es um die Frage, das Leben eines anderen zu beenden, nur mit einigen Unterschieden:
- die Oma lebt schon als "kompletter" Mensch, ein Kind bis zum 3. Schwangerschaftsmonat wäre (körperlich) noch nicht allein lebensfähig
- eine Schwangerschaft belastet viel direkter den Körper der Schwangeren als die Pflege den Körper der/des Pflegenden
- die Oma ist für sich selbst verantwortlich, also auch für ihre Lebensgestaltung, Pflege und ihr Lebensende, das Kind kann die Verantwortung noch nicht selbst übernehmen
- die Pflege kann zeitweise oder dauerhaft auch von jemand anderem übernommen werden, eine Schwangerschaft nicht
- die Hemmschwelle die Pflege und sonstige Versorgung der Oma teilweise oder komplett abzugeben ist geringer als bei einem Kind
- ein Kind nicht ausreichend versorgen zu können, wird oft der Mutter angelastet; bei der Pflege der Oma ist das weniger so; da tut man, was man kann, und was nicht geht, geht entweder nicht oder es muss jemand anderes übernehmen; es schadet aber weniger im Ansehen
- die Oma kann nicht durch eine neue ersetzt werden, bei der Kindererzeugung kann man einen neuen Versuch starten
- bei einem Kind geht man davon aus, dass es länger lebt, als man selbst, mit allen Konsequenzen; bei der Oma geht man eher davon aus, dass sie kürzer lebt, als man selbst und die Aufgabe irgendwann nicht mehr anfällt
Deshalb kann man das überhaupt nicht vergleichen.
Es ist aber trotzdem eine interessante Frage, inwieweit bestehendes Leben normalerweise erhalten wird und erhalten werden darf, soll und muss.
26.02.12, 20:57:07
feder
Zitat:
ein Kind bis zum 3. Schwangerschaftsmonat wäre (körperlich) noch nicht allein lebensfähig
Ich finde es sinnvoll, da auch Spätabtreibungen einzubeziehen. Da ist es oft so, dass der Unterschied zwischen Ungeborenem und Neugeborenen schlichtweg ausschliesslich in der wegen der Abtreibung nicht stattgefundenen Geburt besteht.
29.02.12, 15:47:17
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Wenn wir also nun die Grenze dort ziehen wollen, wo vermeintlich ein Mensch nicht alleine lebensfähig sei (wer ist das in dieser hocharbeitsteiligen Gesellschaft eigentlich noch), wo wäre dann die innere Logik dabei in Bezug auf andere einschlägige Werte? Ansonsten ist Hilflosigkeit doch eher ein Argument für einen verstärkten Schutz, nicht das Gegenteil?