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Aichacher Vereinsaktivisten: Autismus ist eine Hirnverletzung

original Thema anzeigen

 
30.07.12, 20:02:08

schuschu

die letzte frage von 55555 möchte ich nochmal besonders unterstreichen und eine antwort darauf würde mich auch sehr interessieren .
31.07.12, 01:49:06

drvaust

Es könnte sein, daß dieser Verein gute Ziele verfolgt, gute Ansätze und Prinzipien hat.
Aber dieser scheint einen sehr falschen Ausgangspunkt zu haben. Der Begriff 'Hirnverletzung' bezeichnet einen Schaden am Gehirn, ein kaputtes Gehirn. Dieser Verein scheint der üblichen Ansicht zu sein, daß alles was nicht normal ist krank ist, hier als Hirnverletzung erklärt. Eine Verletzung ist eine Veränderung, üblicherweise Schädigung, die durch eine Einwirkung entsteht. Autismus ist aber normalerweise angeboren und teilweise erblich, also keine Verletzung.
Ich sehe Autismus nicht als Schaden, sondern als abweichende Form und andere Funktionsweise. Hauptsächlich durch Konflikte mit der nichtautistischen Umwelt kommt es zu Problemen, woraufhin die autistische Minderheit von der NA-Mehrheit ausgegrenzt und für krank erklärt wird. Die sind nicht normal, weichen von der 'gesunden' Normalität ab, sind also krank.
Das ist für mich so, als würde man alle Menschen mit anderer Hautfarbe als 'fehlpigmentiert' oder 'pigmentgestört' bezeichnen.
01.08.12, 18:29:47

Anja24

Hallo an alle!

Über Scientology möchte ich hier nicht weiter diskutieren. Für mich ist Scientology ein großes Übel. Zwischen der Weltanschauung von Scientology und der Glenn Domans gibt es viele Unterschiede. Ich möchte aber hier nicht Glenn Doman vertreten, sondern unseren Verein. Wir machen das Programm von Glenn Doman seit über zwei Jahren und haben gute bis sehr gute Erfahrungen und Erfolge. Darauf kommt es mir an.

Ich möchte auch noch mal betonen, dass wir nicht therapieren, sondern informieren wollen. Da gehört auch Unterstützung bei Behördengängen wie z.B. bei Inklusion in der Schule und vieles mehr dazu. Auch über dieses Forum können wir gern informieren, wenn da bei den Betreibern ernsthaftes Interesse besteht.

comes: Es ist schön zu lesen, dass Autisten ihre Potentiale nutzen. Das streite ich nicht ab. Wir sagen, dass es Menschen(!) gibt, die ihre Potentiale nicht nutzen, weil sie vielleicht nicht in das veraltete Schulsystem passen oder nicht so angenommen werden, wie sie sind. Wir wollen aus einem Kaktus keine Sumpfdotterblume machen, sondern wir wollen unterstützen(!) (machen muss es jeder selbst), dass der Kaktus schön blüht. Auch auf die Gefahr, dass jetzt einige von euch an die Decke gehen: Ich mache hier keinen Unterschied zwischen Autismus und ADS, Entwicklungsstörungen oder anderem, weil es nicht um die Diagnosen, Bezeichnungen, Wörter geht, sondern um den Menschen!!! Es ist einleuchtend, dass ihr als das Anerkennung finden möchtet, was ihr seid. Und ich habe verstanden, dass ihr nicht mit Hirnverletzten verglichen werden wollt. Aber damit zieht ihr auch eine gewaltige Grenze zwischen Autisten und dem Rest der Welt. Aber vielleicht ist das auch nur hier bei dem Thema so, weil ihr Euch angegriffen fühlt?

Du schreibst (ich weiß nicht, wie ihr das mit dem zitieren macht): <<Wenn ich mich als hirnverletzt betrachte, weil ich mir ja bestimmt schon mal den Kopf gestoßen habe, oder mal Alkohol getrunken habe, ist das schlichtweg ein Hohn für alle Menschen die wirklich an einer hirnorganischen Schädigung durch Unfall oder Krankheit oder einen genetischen Defekt leiden.>>
Im Gegenteil: In meinen Augen macht es Menschen mit Hirnverletzungen „normal“. (Wobei ich sagen muss, dass ich mit dem Wort normal noch nie was anfangen konnte. Aber das sind eben die gängigen Begrifflichkeiten.)

55555 <<Diese Diagnosen sind also aus eurer Sicht an sich nicht aussagekräftig, weil es für euch alles im Grunde dasselbe ist?>>

Nicht, weil es dasselbe ist, sondern weil es für unsere Zwecke keine Rolle spielt, ob ein Kind behindert ist oder Autist oder einen genetischen Defekt hat. Das Kind ist so, wie es ist. Meiner Erfahrung nach gibt es aber nicht sehr viele Kinder, die so sein dürfen wie sie sind. Ganz klar ein gesellschaftliches Manko. Darum geht es.

Hans: Schön, dass Du es erkannt hast. Was genau meinst Du mit „der Weg ...“?

55555: Es gab schon immer Methoden, Wege, Praktiken, Therapien, Programme, die nicht wissenschaftlich anerkannt waren und trotzdem geholfen haben. Die gab es schon immer und wird es immer geben. Der Beweis sind die Erfolge, die ich sehe. Jeder Mensch kann dann selbst entscheiden, ob unsere Informationen für ihn oder sie wertvoll sind oder nicht. Vielleicht ist es auch nur ein Teil davon oder es hat jemanden nur zum Umdenken oder Weiterdenken bewegt. Alles davon wäre ein toller Erfolg für uns, weil es ein Erfolg für das Kind wäre.

drvaust: Ich finde das sehr schön, was Du schreibst. Nur unterscheiden nicht wir zwischen krank und normal. Dieses Unterscheiden ist in der Gesellschaft so üblich. Wir greifen es auf, damit wir die Menschen erreichen, die denken oder denen gesagt wurde, dass sie krank sind. Ein Spagat, den wir machen, da es uns ja eigentlich um die Potentiale geht. Wenn hier jemand eine Idee hat, wie wir unser Anliegen in den Vordergrund stellen und trotzdem diese Menschen erreichen können, dem wäre ich sehr verbunden.

Vielleicht ist das auch der Weg, den Hans meint?



01.08.12, 19:51:56

55555

Zitat von Anja24:
Zwischen der Weltanschauung von Scientology und der Glenn Domans gibt es viele Unterschiede.

Welche?
Zitat:
Wir machen das Programm von Glenn Doman seit über zwei Jahren und haben gute bis sehr gute Erfahrungen und Erfolge.

Nun kennen wir halt etliche Ansätze, die irgendwas mit uns machen und jedesmal gibt es Anhänger die genau das behaupten.

Wie wäre es, wenn du mal erklärst, was ihr denn überhaupt genau macht und glaubt?
Zitat:
Wir sagen, dass es Menschen(!) gibt, die ihre Potentiale nicht nutzen, weil sie vielleicht nicht in das veraltete Schulsystem passen oder nicht so angenommen werden, wie sie sind. Wir wollen aus einem Kaktus keine Sumpfdotterblume machen, sondern wir wollen unterstützen(!) (machen muss es jeder selbst), dass der Kaktus schön blüht.

Und wie macht ihr das beispielsweise?
Zitat:
Und ich habe verstanden, dass ihr nicht mit Hirnverletzten verglichen werden wollt. Aber damit zieht ihr auch eine gewaltige Grenze zwischen Autisten und dem Rest der Welt.

Der Rest der Welt ist für dich also "hirnverletzt"?
Zitat:
In meinen Augen macht es Menschen mit Hirnverletzungen „normal“.

Ich finde eher, daß ein Begriff keinen großen Sinn macht, wenn er nicht dazu dient einen Unterschied zu beschreiben.
Zitat:
Das Kind ist so, wie es ist. Meiner Erfahrung nach gibt es aber nicht sehr viele Kinder, die so sein dürfen wie sie sind. Ganz klar ein gesellschaftliches Manko. Darum geht es.

Wie genau bringst du jetzt "Hirnverletzungen" und "gesellschaftliches Manko" zusammen?
Zitat:
Es gab schon immer Methoden, Wege, Praktiken, Therapien, Programme, die nicht wissenschaftlich anerkannt waren und trotzdem geholfen haben. Die gab es schon immer und wird es immer geben.

Natürlich, aber wenn wir hier über diesen konkreten Ansatz diskutieren ist es wohl schon interessant, daß vorhandene Studien eher keine "Erfolge" nachweisen konnten soweit mein Stand bisher ist? Wissenschaft ist ja keine Parallelwelt, sie schaut mit ihren Methoden was in einer Situation passiert.
Zitat:
Der Beweis sind die Erfolge, die ich sehe.

Was für Erfolge siehst du?
Zitat:
Nur unterscheiden nicht wir zwischen krank und normal.

Wirklich nicht?
02.08.12, 04:06:46

drvaust

Anja24, kannst Du das mal an einem praktischen Beispiel erklären?
Was macht Ihr konkret? Wie macht Ihr das? Was wollt Ihr konkret erreichen, mit welchem Erfolg?
Es könnte sein, daß Ihr praktisch ganz richtig vorgeht. Das wäre gut und zu unterstützen.
Es könnte aber auch sein, daß Ihr falsch liegt, trotz scheinbarer Erfolge. Bei ABA u.ä. gibt es auch scheinbar Erfolge, aber dabei wird die natürliche Entwicklung erheblich gestört und verhindert, es kann sogar zu schweren psychischen Schäden kommen.
Anhand der Theorie ist das schwer zu beurteilen. Die Theorie klingt gut, erinnert aber auch an andere Theorien, die praktisch schlecht sind.
Potentiale zu entwickeln ist grundsätzlich gut. Aber wenn z.B. fehlende Potentiale zu intensiv bearbeitet werden, fehlt dann die Kraft zur Entwicklung wichtiger Potentiale, was zu einer Behinderung führt.
02.08.12, 09:25:26

comes

Ich schließe mich drvaust an.

Gehen wir mal weg vom Autismus. Meine Freundin hat ein geistig behindertes Kind, ein Junge, 5 Jahre alt. Die Ursache der Behinderung ist nicht feststellbar, auch lässt sich der Schweregrad seiner Einschränkungen noch nicht ausloten, da er phasenweise redardiert.

Wie würdet ihr in diesem Fall vorgehen? Was wären Eure ersten Schritte?
03.08.12, 13:41:54

Anja24

drvaust: Vielen Dank für die Anleitung zum Zitieren. :) Ich lese es mir durch.

So unterschiedlich die Kinder sind, so verschieden ist auch das Programm angelegt. Es geht immer um die Bereiche Hör-, Tast- und Sehempfinden, Mobilität, Sprache. Ich betreue ein Mädchen, welches nach einem Unfall hirnverletzt ist, sich dann nicht mehr willentlich bewegen konnte, blind war, über eine Sonde ernährt wurde und nicht mehr sprechen konnte.
Unser Programm besteht aus Massage, Dehnungsübungen, Sehübungen, Sauerstoffzufuhr und Atemübungen, Gleichgewichtsübungen und Bewegungen sowie intellektuelles Programm wie lesen, rechnen und lernen (über Themen, wie in der Schule bzw. das was das Kind interessiert) . Das Gehirn wird dabei durch regelmäßige Anwendungen stimuliert, damit es wieder lernt, wie z. B. Bewegung beim Krabbeln funktioniert.
Unsere Erfolge sind, dass das Mädchen mittlerweile normale Bücher lesen kann, mit Hilfe krabbeln und laufen kann und normal essen und trinken kann. Einer der wichtigsten Erfolge ist, dass wir uns mittlerweile über eine Buchstabentafel unterhalten können und so auch ein sicheres Feedback von ihr bekommen.

Es ist immer so, dass das Programm auf Motivation aufgebaut ist. Wenn etwas nicht funktioniert und sie z. B. beim Krabbeln nicht vorwärts kommt, wird das Krabbeln im Programm herunter gefahren oder mal ausgesetzt. Wenn sie die Informationseinheiten, die wir gerade durchnehmen nicht interessieren, kommen andere dran etc. pp.

comes: Es kommt darauf an, was die Frage bzw. das Anliegen der Mutter/Eltern wäre. Wollen sie Informationen über Selbsthilfegruppen, Austausch über Erfahrungen mit anderen Eltern, Infos über Therapien (auch schulmedizinisch) oder Programme, Hilfe bei Behördengesprächen wegen Einschulung, Pflegegeld etc.? Da könnten wir helfen.

55555: Ich denke, wir fangen an, uns im Kreis zu drehen. Teilweise hatte ich die Fragen schon beantwortet, teilweise fühle ich mich missverstanden. Es scheint, als hast Du Deine feste Meinung, die ich respektiere und auch nicht ändern möchte. Es scheint aber auch, dass Du mich sowieso als Anhänger siehst, der nur seinen Standpunkt verteidigen will. Dann geht alles von mir Geschriebene ins Leere.
03.08.12, 13:50:46

Anja24

Habe gerade noch bei Wikipedia über ABA gelesen, was ich bis dato nicht kannte. Ohne mir ein endgültiges Urteil zu bilden (was ich nur nach Lesen eines Artikels nicht tun würde) kann ich sagen, dass es bei uns absolut NICHT darum geht, irgendwelche Verhaltensweisen zu unterdrücken oder zu bearbeiten. Im Gegenteil: Da finde ich es schöner und wichtiger, dass diese ausgelebt werden. Wie gesagt, ist das meine erste Einschätzung. Über die Tragweite, was da alles mit Verhaltensweisen gemeint ist, bin ich mir nicht recht im Klaren.
03.08.12, 13:54:50

55555

Zitat von Anja24:
Ich betreue ein Mädchen, welches nach einem Unfall hirnverletzt ist, sich dann nicht mehr willentlich bewegen konnte, blind war, über eine Sonde ernährt wurde und nicht mehr sprechen konnte.
[...]
Unsere Erfolge sind, dass das Mädchen mittlerweile normale Bücher lesen kann, mit Hilfe krabbeln und laufen kann und normal essen und trinken kann.

Wenn man sowas erlebt ist das sicher beeindruckend, aber um zu wissen, ob das ein Erfolg war oder unabhängig von dem was ihr getan habt eh so gekommen wäre gibt es in wissenschaftlich fundierten Studien Kontrollgruppen. Und in eurem Fall sehe ich spontan auch keinen Grund, weswegen eine solche Studie nicht gut durchführbar wäre.

Speziell bei Autisten gibt es auch besondere Aspekte zu berücksichtigen, z.B. wenn es auf der Homepage des Instituts dazu heißt:

Old View
They are “behavior problems”

Our View
They have neurological problems

Dann wirft das durchaus einige grundlegende Fragen auf. Aber du kannst dich natürlich gerne weiterhin "mißverstanden" fühlen.
03.08.12, 15:18:17

Anja24

Hier ein paar Anmerkungen von meiner Vereinskollegin. Sie hatte sich versucht anzumelden, es hat aber irgendwie nicht geklappt ...

- Autismus hat nach Doman was mit dem Hörsinn zu tun. Im Programm von Doman sind einige autistische Kinder. Wir selbst haben keine Erfahrungen, aber es würde uns interessieren inwieweit Ihr als Experten Euch vorstellen könnt, dass evtl. für autistische Kinder vieles zu laut ist, sie also sehr lärmempfindlich sind und oft das was sie außen hören so beeindruckend bzw. schwer zu ertragen ist, dass sie sich in ihre Welt zurückziehen. Macht das für Euch Sinn?

- Zum Thema wissenschaftliche Studien:
Die Leute vom Institut sagen, dass es schwierig ist eine Kontrollgruppe zu finden, die das Programm nicht macht, da zu Ihnen nur Familien kommen, die das Programm machen wollen. Das Doman Institut steckt seine finanziellen Ressourcen, die eh auch nicht groß sind, in Studien über z.B. den Zusammenhang von Sauerstoff und Gehirnentwicklung.

- abschließend: Missverständnis kommt oft auch davon, dass wir andere Vorstellungen haben, wie das Gehirn funktioniert, es ist nicht statisch und jeden Tag gleich.
Gehirnentwicklung ist ein dynamischer, immerwährender Prozess, mein Gehirn sieht heute anders aus als morgen, je nachdem was ich heute mache
03.08.12, 16:17:03

55555

Zitat von Anja24:
Hier ein paar Anmerkungen von meiner Vereinskollegin. Sie hatte sich versucht anzumelden, es hat aber irgendwie nicht geklappt ...

Es gibt ein Bild, von dem man einige Zeichen in die danebenliegende Zeile abschreiben muß. Das wird offenbar manchmal übersehen. Wenn es dann noch nicht klappt, einfach eine Mail an die Adresse schicken von der die Forenbenachrichtigungen kommen.
Zitat:
Autismus hat nach Doman was mit dem Hörsinn zu tun.

Und was genau? Dieses Unterforum ist ja dafür da verschiedene Vorstellungen zu sammeln.
Zitat:
aber es würde uns interessieren inwieweit Ihr als Experten Euch vorstellen könnt, dass evtl. für autistische Kinder vieles zu laut ist, sie also sehr lärmempfindlich sind und oft das was sie außen hören so beeindruckend bzw. schwer zu ertragen ist,

Wenn ihr euch etwas im Forum umschaut, werdet ihr zwangsläufig darauf stoßen und das ist auch keine besondere Ansicht. Allerdings wird das von uns nicht einfach so als Defizit betrachtet, denn diese Feinsinnigkeit bedingt auch eine wohl viel reichere Wahrnehmung. Wir wollen nicht stumpfsinnig gemacht werden, sondern Rücksicht auf feinsinnige Menschen wie uns (Barrierefreiheit, Universelles Design) und darauf haben wir auch ein Recht.
Zitat:
dass sie sich in ihre Welt zurückziehen.

Das ist eine nicht unbedingt so richtige Vorstellung.
Zitat:
Die Leute vom Institut sagen, dass es schwierig ist eine Kontrollgruppe zu finden, die das Programm nicht macht, da zu Ihnen nur Familien kommen, die das Programm machen wollen.

Das ist aber eine extrem magere Ausrede. Aber es gibt ja anscheinend schon Studien, die einen entsprechenden Effekt nicht feststellen konnten.
Zitat:
Missverständnis kommt oft auch davon, dass wir andere Vorstellungen haben, wie das Gehirn funktioniert, es ist nicht statisch und jeden Tag gleich. Gehirnentwicklung ist ein dynamischer, immerwährender Prozess, mein Gehirn sieht heute anders aus als morgen, je nachdem was ich heute mache

Gerade da wird ein Mißverständnis kaum liegen, denn soweit sind wir uns einig und das ist ja eigentlich auch aktueller Stand der Wissenschaft.
03.08.12, 17:34:24

comes

geändert von: comes - 03.08.12, 18:35:40

Hallo Anja,

erstmal Respekt, dass du ruhig und tapfer allen Anwürfen zum Trotz weiter erklärst und erläuterst.

Was Du über das Mädchen schreibst, leuchtet mir sehr wohl ein. Allerdings liegt hier tatsächlich eine "messbare"/feststellbare Hirnverletzung vor. Unterstützende Maßnahmen, wie du sie beschreibst kennt man ja beispielsweise auch aus der Therapie nach Schlaganfällen, wo gesund gebliebene Hirnareale lernen, die Funktionen der ausgefallenen zumindest teilweise zu übernehmen, darüber hinaus gibt es natürlich auch noch die Regenerationsfähigkeit eines (vor allem kindlichen) Gehirns bis zu einem gewissen Grad. Letztlich ist das, was du beschrieben hast, ein Training das die Heilung unterstützt. Je nach Sorgfalt und Güte des Trainings, können die Erfolge enorm sein. Das ist sicher eine tolle Sache, die ihr da macht. Auch hierfür meinen Respekt.

Auf mein vorgeschlagenes Beispiel nennst du Maßnahmen, die in erster Linie den Eltern helfen, sich Klarheit über Möglichkeiten zu verschaffen. Wenn verzweifelte Menschen (vielleicht zum ersten Mal) erleben, dass sie ernst genommen werden und dass ihnen jemand zuhört, ist das oft schon die größte Hilfe. Auch wenn dann vielleicht in Summe der tatsächlich erzielte Erfolg, kaum oder gar nicht messbar ist, bleibt dennoch das Gefühl, dass einem geholfen wurde. Auch das halte ich für sehr wertvoll und sinnvoll.
Diese Arbeit will ich bis hier hin gar nicht mehr in Frage stellen.

Kommen wir aber nun wieder zurück zum Autismus. Was wäre denn hier die Zielsetzung? Verminderung des Leidensdrucks?

Der Autist leidet, aber er leidet nicht darunter wie er IST, sondern darunter, dass er nicht so sein DARF wie er ist. Wo ist da der Ansatz für Euch und was ist das Ziel?

Du schreibst, Euch fehlen bislang die Erfahrungen mit autistischen Kindern. Vielleicht solltet ihr diesen Bereich aus eurem Repertoire streichen? Immerhin handelt es sich nicht um eine Krankheit oder um eine Störung, sondern um eine Persönlichkeitsstruktur, die autistischen Menschen gegeben ist.

Vielleicht könnt ihr es euch besser vorstellen, wenn ihr statt des autistischen Menschen einen homosexuellen betrachtet, der nach seinem Coming-Out fürchterlich leidet, weil er verlacht und ausgegrenzt wird. Was macht man mit ihm? Homosexualität heilen??? Nein, darüber sind wir uns einig, das ist Quatsch. Also? Ihm beibringen, wie er mit den kleinen Gemeinheiten besser fertig wird? Vermutlich. Das ist aber für Autisten höchst unbefriedigend.

edit: Ich habe hier noch eine nette Seite gefunden, die uns Nicht-Autisten vielleicht helfen kann, ein wenig zu verstehen: http://www.heise.de/tp/artikel/11/11997/1.html
 
 
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