Autismus ist: Manchmal leben wie in einem Film?
17.04.11, 14:00:51
Antika
Erkenne mich darin voll und ganz wieder. Kann hier aber auch nur für mich sprechen.
17.04.11, 14:20:25
55555
Auch hier wie allgemein fände ich es sinnvoll zumindest einen Teil zu zitieren, weil externe Seiten nach einigen Jahren auch verschwunden sein können und dann für spätere Leser sehr unklar bleibt worum es eigentlich ging.
17.04.11, 15:10:51
wolfskind
Zitat:
Stufe 4: Tunnelblick oder das Leben in einem Film
Wenn die gesteigerte Konzentration auf etwas nicht mehr ausreicht um die Störungen von außen durch Reize zu kompensieren entsteht langsam aber sicher ein Tunnelblick. Mein Gehirn fängt an alles Umgegebene auszublenden und richtet die Konzentration nur noch auf das was ich gerade mache. Für die Außenwelt kann dies so erscheinen als würde ich mich extrem zurückziehen oder, wie einige das ja in Verbindung mit Autismus beschreiben, in meiner eigenen Welt lebe. Dies ist nicht wirklich zutreffend da ich mich ja durchaus auf diese Welt konzentriere. Am besten kann man die Phase des Tunnelblickes wirklich mit einem Film beschreiben. Jeder hat sicher schon einmal folgenden Effekt im Fernsehen oder in einem Film gesehen:
Eine Person steht z.B. in der Fußgängerzone und im Zeitraffer zieht die Außenwelt bzw. die anderen Menschen an ihm vorbei. Die Person steht also still, die Welt um sie herum bewegt sich in einem anderen Zeitrahmen.
So ungefähr kann man sich das auch vorstellen wenn ich mich in dieser Phase durch eine belebte Straße bewege. Ich sehe nur noch meinen Weg bzw. mein Ziel, meine Umwelt sieht an mir vorbei. Man fühlt sich wirklich wie in einem Film der ohne das eigene Zutun abläuft und irgendwie auch nicht kontrollierbar ist. Spätestens jetzt ist es dringend angesagt sich in eine schützende Umgebung zu begeben um sich langsam wieder zu erholen. Da bei mir, wenn ich unter vielen Menschen bin, dieser Tunnelblick oder Filmeffekt schnell entsteht bin ich eigentlich nie ohne Begleitung unterwegs. Sie gibt mir die Sicherheit und einen Rettungsanker. Dies ist wichtig wenn man bedenkt das diese Phase sehr stressig und belastend ist. Und das ist etwas was auch jeder Nichtautist nachvollziehen kann: Wenn man langsam aber sicher von Stress in den Zustand von Panik kommt brechen alle Dämme und man verliert durchaus die Orientierung und Kontrolle über das was man noch tut. Was NICHT bedeutet, dass man aggressiv wird! Vielmehr eher das ich als Autist in das Stadium „hilflos“ komme aus dem ich mich selbst zumeist gar nicht mehr oder nur sehr mühsam wieder retten kann.
17.04.11, 17:11:40
PvdL
Ich bin mal in der offene Abteilung gelandet, weil ich genau dieses Erlebnis hatte, daß mir alles vorkam wie ein Film, der um mich herum abläuft. Das war vor meiner Diagnose. Sicher hätte man mir besser helfen können, wenn man damals gewußt hätte, das ich Aspie bin. Die Tunnelblick-Theorie finde ich auch sehr interessant, ich werde sie mir allerdings erst noch ein paar Male durchlesen müssen, bevor ich auch dazu etwas werde sagen können.
17.04.11, 17:23:38
Antika
Ich finde die einzelnen Schritte hier im Link besonders gut erklärt. Genauso läuft es bei mir nämlich insgesamt auch ab.
17.04.11, 17:59:14
wolfskind
am meisten interessiert mich eure meinung hierzu:
Zitat:
Für die Außenwelt kann dies so erscheinen als würde ich mich extrem zurückziehen oder, wie einige das ja in Verbindung mit Autismus beschreiben, in meiner eigenen Welt lebe. Dies ist nicht wirklich zutreffend da ich mich ja durchaus auf diese Welt konzentriere.
17.04.11, 18:14:38
drvaust
Ich finde das treffend. Bei mir ist das ähnlich.
Das mit dem Meltdown trifft bei mir nicht so zu, ich kenne keine innere Leere. Ich bin dann eher innerlich voll beschäftigt und verliere die Verbindung zur Umwelt. So ähnlich wird das auch im Text beschrieben.
Nur die Begleitung ist für mich wenig hilfreich, weil mich dann die Begleitung zusätzlich anstrengt. Ich muß ja dann auf die Begleitung achten, muß mein Verhalten mit der Begleitung koordinieren, kann nicht mehr einfach meinen Weg gehen. Eine Begleitung würde mir in einer solchen Situation eigentlich nur nützen, wenn ich völlig abschalte und als blind und taub geführt werde.
In Gesellschaft neige ich dazu, mich völlig auf eine Person zu konzentrieren, die Umwelt auszublenden. Aber darum geht es hier nicht.
17.04.11, 18:48:36
wolfskind
begleitungen finde ich auch anstrengend in den momenten. mich überfordert die überforderung der begleitung dann und das macht es noch schlimmer. und ich neige auch dazu wegzulaufen wenn ich im overload bin und eventuelle begleitungen würden mir panisch hinterherlaufen und mich damit noch mehr durcheinander bringen.
denn meistens finde ich so oder so einen richtigen weg zu einem ort wo ich zur ruhe kommen kann. ohne in gefahr zu geraten.
hast du auch schon die erfahrung gemacht dass das konzentrieren auf die person negativ gewertet wurde? mir ist das schon passiert. man fühlte sich belästigt weil ich auf schritt und tritt hinterher war um meine sicherheit nicht zu verlieren.
17.04.11, 18:53:15
Antika
Also ich empfinde dann schon so eine Art Leere, jedoch findet diese Leere eher in meinem Kopf statt. Aber auch meine Gefühle sind dann davon betroffen. Jedoch habe ich diese 6. Stufe vielleicht gerade mal zwei bis dreimal im Leben erlebt.
Eine Begleitung könnte ich in diesen Momenten aber auch nicht gebrauchen, ich muss das alleine wieder auf die Reihe bekommen. Bin ich mit meiner Familie zusammen in der Stadt, und es tritt so etwas bei mir auf, wissen sie genau dass es für mich Zeit ist die Stadt schnellst möglich zu verlassen. Der Parkplatz auf dem unser Auto steht, ist dann immer der Treffpunkt wo ich mich hin begebe, und sie mich wieder finden.
17.04.11, 22:16:22
Fundevogel
Was hier eher als negativ bis existenziell gefährlich beschrieben wird, erleben NA, wenn sie sich in ein Straßencafe begeben. Sie sitzen in einer gesellschaftlich legitimierten Ruhezone, bestellen einen Kaffee (als "Eintritt für das Kopfkino") und "schalten ab". Sie können dann eine Stunde lang vor sich hin starren (ohne dass jemand mißtrauisch wird) und während das Geschehen draußen wie ein Film abläuft, zu dem sie nicht gehören, bilden sie eine Insel der inneren Stille...
wenn sie nicht gerade schwatzen, betrachten oder lästern;)
18.04.11, 02:08:50
drvaust
geändert von: drvaust - 18.04.11, 04:09:26
hast du auch schon die erfahrung gemacht dass das konzentrieren auf die person negativ gewertet wurde?
Ja. Meistens ist das mein Bruder. Der kennt mich gut und weiß was los ist, aber er will sich nicht nur mit mir unterhalten. Er sagt mir das dann, da weiß ich Bescheid und beschäftige mich alleine, oder ich suche mir einen anderen.
Normalerweise merke ich es rechtzeitig, wenn ich wieder mal zu sehr an jemand hänge, dann lasse ich den in Ruhe.