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Kinder schlagen ist natürlich?

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12.09.06, 10:02:20

Lisa M.

Was mich so ein wenig irritiert an der ganzen Debatte, ist das "negative Kinderbild", das überhaupt hinter dem ganzen Erziehungsgedanken steckt. Für Rousseau kam der Mensch sozusagen als "edler Wilder" zur Welt und wurde dann von der Gesellschaft versaut: „Die Menschen sind böse; eine traurige und fortdauernde Erfahrung erübrigt den Beweis; jedoch, der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben; […] Man bewundere die menschliche Gesellschaft soviel man will, es wird deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendiger Weise dazu bringt, sich in dem Maße zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen, außerdem sich wechselseitig scheinbare Dienste zu erweisen und in Wirklichkeit sich alle vorstellbaren Übel zuzufügen“ (ebd.)

Er unterstellt, dass der Mensch im "Naturzustand" lediglich das Interesse hat: "Sorge für dein Wohl mit dem geringstmöglichen Schaden für die anderen."

Rousseau ist mittlerweile ziemlich out und über die Idee des "edlen Wilden" wird eher gespöttelt, zumal sie noch gründlich verkitscht wurde durch Winnetou. Die Grundlage der heutigen Vorstellungen über Erziehung ist die Prämisse, dass der Mensch erzogen werden muss, und im unerzogenen Zustand keineswegs ein "edler Wilder" sei, sondern ein böser Barbar.

Möglicherweise sind die Kinder unterschiedlich. Ich hab ja nur eins von Anfang an intensiv mitgekriegt - meinen Sohn. Den hätte ich allerdings jederzeit und überall als Beweisstück für die Richtigkeit der Rousseau'schen Theorie über den Naturzustand des Menschen vorzeigen können (interessanterweise sagen die Buddhisten in dem Punkt dasselbe).

Das heißt natürlich nicht, dass es zwischen uns nicht mal zu Interessenkonflikten gekommen wäre. Genau wie zwischen mir und anderen Leuten auch.
13.09.06, 00:02:36

arlette

Zitat von uppsdaneben:

Da fällt mir das widerspenstige Kind im Supermarkt ein, das partout nicht hören will. Willst du dann alle Zeugen erschießen?

(unkonstruktiver, aber ehrlicher sarkasmus-modus on) ja, das habe ich mir oft gewünscht, dass ich das nun tun könnte... (unkonstruktiver, aber ehrlicher sarkasmus-modus off)
13.09.06, 08:22:03

Goldloeckchen

Kann ich nach voll ziehen, arlette.
13.09.06, 08:30:25

uppsdaneben

Zitat von Lisa M.:
Er unterstellt, dass der Mensch im "Naturzustand" lediglich das Interesse hat: "Sorge für dein Wohl mit dem geringstmöglichen Schaden für die anderen."


Wenn du das auf: "Sorge für dein Wohl!" verkürzst, dürfte das dem wahren Menschen näher kommen. Der Teil: "mit dem geringstmöglichen Schaden für die anderen." muss erst anerzogen werden. Das erfolgt mit Belohnung und Strafe basierend auf dem angeborenen Teil.
13.09.06, 10:30:02

Wursthans

Zitat von uppsdaneben:
Der Teil: "mit dem geringstmöglichen Schaden für die anderen." muss erst anerzogen werden. Das erfolgt mit Belohnung und Strafe basierend auf dem angeborenen Teil.

Das halte ich für einen Irrtum und kann nicht erkennen, daß es bei mir so gewesen wäre.
13.09.06, 13:17:47

ZalamO

Zitat von uppsdaneben:
Das erfolgt mit Belohnung und Strafe basierend auf dem angeborenen Teil.


Nicht nur, das erfolgt auch durch Sozialisation durch Vorleben und Nachahmen. Wenn wir Menschen so simpel wären, dass wir nur auf Konditionierung reagierten, würden wir immer noch auf den Bäumen hocken. upps, ich hoffe, dein Chef hat dir einen bequemen Ast zur Verfügung gestellt. :D
13.09.06, 13:25:38

Wursthans

Also ich denke, daß der Mensch wenn er geboren worden ist bereits soziale Tendenzen in sich hat und das Bedürfnis auf andere Menschen zu achten. Durch Sozialisation wird das allerdings auch oft wieder verschüttet, wenn eine entsprechendes Umfeld existiert.
13.09.06, 22:51:08

arlette

geändert von: arlette - 13.09.06, 22:51:45

ich kann uppsdaneben zustimmen. ich denke nicht, dass irgendeine soziale oder andere interaktion gestartet wird, ohne (bewusst oder unbewusst) dass ein 'lustgewinn', eine 'bedürfnisbefriedigung' oder ein 'überlebensgewinn' kalkuliert/erwartet wird. ohne diesen grundgedanken oder diese voraussetzung kann ich mir sowas wie eine evolution nicht vorstellen. die prägung folgt ja meist sehr früh, _00_, deshalb muss auch nicht das gefühl geweckt werden, gegen 'die eigene natur' zu handeln. jedenfalls bezeichne ich mich als geduldigen und wohlwollenden menschen (der sich einfach nicht so sehr für andere interessiert). aber wenn ich überreizt werde, dann kommt bei mir ganz klar der punkt, wo ich mich entscheide, diesen reiz auszublenden; dass ich das nicht auch physisch, sondern nur in meiner fantasie mache, liegt m.e. sehr an der erziehung, und gar nicht an meiner 'anlage'.
13.09.06, 22:54:32

arlette

Zitat von Sheila:
Kann ich nach voll ziehen, arlette.

(auchwiederofftopic on) ich glaube, ich habe mich nach dem durchgehen von allen möglichen waffen und instrumenten doch für das 'pure' zusammenschlagen entschlossen, da es meine angestaute wut wohl am besten abbaut... ich hasse pc-games (ausser die myst-nachfolgespiele, aber auch nicht alle), aber ich habe eine weile genussvoll doom I gespielt, um mich zu beruhigen..(auchwiederofftopic off)
14.09.06, 14:20:32

Wursthans

Zitat von arlette:
ohne diesen grundgedanken oder diese voraussetzung kann ich mir sowas wie eine evolution nicht vorstellen. die prägung folgt ja meist sehr früh, _00_, deshalb muss auch nicht das gefühl geweckt werden, gegen 'die eigene natur' zu handeln.

Deiner Rationalisierung kann ich zustimmen, jedoch gehe ich davon aus, daß gerade deswegen bei sozialen Tieren wie dem Menschen Altruismus durchaus auch instinktiv vorhanden sein sollte.
14.09.06, 14:29:08

ZalamO

Sehe ich ähnlich, wobei ich Altruismus eigentlich als eine Art kollektiven Egoismus betrachte: Ich berücksichtige die Gemeinschaft, weil ich die Gemeinschaft zum Überleben brauche.
14.09.06, 14:39:23

bellaria

geändert von: bellaria - 14.09.06, 14:42:30

Offtopic:
Die Idee von kollektivem Egoismus zur Sicherung des Überlebens einer Gruppe gefällt mir. Wenn man ihn auf die Menschheit als Gesamt-Spezies ausdehnt, steht er nicht mal im Widerspruch zu christlichen Werten wie dem Hinhalten der anderen Wange. Nur leider sehen z.B. Angehörige von Religionen diese Ausdehnung nicht so gerne und beschränken ihren kollektiven Egoismus auf Mitbrüder und -schwestern. Wodurch aus kollektiven Egoismus Rassismus und Extremismus wird, was der Arterhaltung eher abträglich zu sein scheint (meine Meinung).

Zum eigentlichen Thema:
Ich verknüpfe jetzt ganz frech diesen Thread mit einem anderen im selben Forum, in dem es mehrheitlich heißt, dass "Negative Motivation" nicht funktioniert. Demnach funktionieren auch Schläge (bzw. die Angst vor ihnen) nicht als Erziehungsmaßnahme.
 
 
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