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Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis

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13.06.06, 15:48:24

Wursthans

Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
_OO_
23/05/2006 08:57

Oft empfinden Nichtautisten den Rückzug von Autisten in ihrem Umfeld als Desinteresse. Selbst wenn Menschen informiert sind scheint es ihnen schwer zu fallen dieses Bedürfnis nachvollziehen und reagieren darauf befremdet und akzeptieren es allenfalls aus Gehorsam gegenüber der fachautoritär gestützten Information. Wie schwer ist es für verschiedene Nichtautisten einen normalen und emphatischen Umgang damit zu entwickeln? Fällt es Nichtautisten schwer dies zu leisten, weil sie eine quantitativ normale Behinderung davon abhält?
13.06.06, 15:59:43

Lisa M.

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Lisa_M.
23/05/2006 12:33

Hm... Rein zufällig war diese Frage heute so ziemlich das erste, was ich hier lese. Und sie fällt grade in eine dicke Beziehungskrise, die vielleicht was damit zu tun hat.

Bei meinem Freund sind bestimmte typische AS-Symptome erheblich deutlicher ausgeprägt als bei mir, und dadurch kamen wir überhaupt erst auf das Thema AS. Erst nach und nach wurde mir klar, dass auch mein eigenes "Anderssein" vielleicht damit am besten erklärt werden könnte.

Hinsichtlich Rückzugsbedürfnis sind wir - wie in vielem - sehr unterschiedlich. Bei mir ist das so, dass ich z.B. meinen Rückzug brauche, wenn ich vom Einkaufen komme oder von anderen Unternehmungen. Dann will ich einfach erstmal meine Ruhe haben. Und er kommt in die Küche gebrettert und macht ‘ne Menge Lärm und Hektik (ADHS kommt bei ihm wohl deutlich dazu und ist sogar dominierend), woraufhin ich unweigerlich explodiere. Ich finde, das muss doch wohl nachvollziehbar sein, dass ich mich einfach erstmal *erholen* will, aber er vergisst es immer wieder.

Und umgekehrt kann ich überhaupt nicht verstehen, dass er sich phasenweise aus der ganzen Beziehung so zurückzieht! Es kommt mir dann, genau wie du schreibst, so vor, als würde er sich einfach nicht mehr für mich interessieren. Er beteuert, das sei nicht der Fall, aber ich bin im Moment mal wieder so weit, dass ich das gar nicht mehr glauben *will*, weil es für mich bedeutet, immer wieder zwischen "Frischverliebtsein" und Liebeskummer hin und her geschmissen zu werden in einem Tempo, dass ich gar nicht mehr zur Ruhe komme dabei. Genau das scheint aber seine Art zu sein, den Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem nach Distanz aufzulösen. Und ich hab im Moment das Bedürfnis, einfach mal meine Ruhe zu kriegen von diesem Hin und Her und mich um mein eigenes Leben kümmern zu können.
13.06.06, 16:00:45

Wursthans

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
_OO_
23/05/2006 15:42

Die Frage inwieweit Rückzug innerhalb einer Beziehung von Autisten zueinander lebbar ist wäre meiner Ansicht nach schon wieder einen weiteren Thread wert. Ich glaube das ist gut möglich, wenn mann diese Bedürfnisse kommuniziert um den anderen immer aktuell zu informieren. An der Mimik von Autisten kann ja oft nicht gut abgelesen werden was in ihm vorgeht.
13.06.06, 16:03:03

Goldloeckchen

geändert von: 55555 - 13.06.06, 16:04:35

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Sheila**
23/05/2006 17:40

Zitat:
Hinsichtlich Rückzugsbedürfnis sind wir - wie in vielem - sehr unterschiedlich. Bei mir ist das so, dass ich z.B. meinen Rückzug brauche, wenn ich vom Einkaufen komme oder von anderen Unternehmungen. Dann will ich einfach erstmal meine Ruhe haben. Und er kommt in die Küche gebrettert und macht ‘ne Menge Lärm und Hektik (ADHS kommt bei ihm wohl deutlich dazu und ist sogar dominierend), woraufhin ich unweigerlich explodiere. Ich finde, das muss doch wohl nachvollziehbar sein, dass ich mich einfach erstmal *erholen* will, aber er vergisst es immer wieder.

Und umgekehrt kann ich überhaupt nicht verstehen, dass er sich phasenweise aus der ganzen Beziehung so zurückzieht! Es kommt mir dann, genau wie du schreibst, so vor, als würde er sich einfach nicht mehr für mich interessieren. Er beteuert, das sei nicht der Fall, aber ich bin im Moment mal wieder so weit, dass ich das gar nicht mehr glauben *will*, weil es für mich bedeutet, immer wieder zwischen "Frischverliebtsein" und Liebeskummer hin und her geschmissen zu werden in einem Tempo, dass ich gar nicht mehr zur Ruhe komme dabei. Genau das scheint aber seine Art zu sein, den Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem nach Distanz aufzulösen. Und ich hab im Moment das Bedürfnis, einfach mal meine Ruhe zu kriegen von diesem Hin und Her und mich um mein eigenes Leben kümmern zu können.


Hm, ich kenne beide Seiten an mir daher verstehe ich sowohl deine Rückzugsbedürfnisse als auch die deines Freundes.

Der Rückzug nach anstrender Aktivität basiert auf einer Reizüberflutung und da ist es völlig legitim wenn man erstmal niemanden um sich haben möchte da dies sicher der eigenen Regeneration nicht förderlich wäre. Ich bevorzuge auch erstmal Ruhe nach den Einkauf oder nach einen Arztbesuch zb. sonst würde ich zunehmend agressiv werden und das wäre weder für mich noch für meine Umwelt von Vorteil, ausserdem würde das auf Dauer zu einen Burnout führen den ich momentan schon habe
:(

Der andere Rückzug wo man sich auf bestimmte Zeit dem Partnerschaft entzieht fand ich persönlich auch ok da ich das Gefühl hatte ein Stück meiner Unabhängigkeit zurück gewonnen zu haben. Ich glaube aber nicht, dass es da bei mir weiter räumlicher Trennung bedarf. Einfach nur einen Platz, ein Zimmer das man für sich hat und mal unbeobachtet seinen Interessen nach gehen kann. V.a. einwenig Distanz zu gewinnen weil die ständige Anwesenheit einer Person manchmal an die Substanz gehen kann.


Geändert von Sheila** am 23.May.2006 17:41

[Übertragung des alten Beitrags war fehlerhaft]
13.06.06, 16:06:21

Lisa M.

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Lisa_M.
23/05/2006 18:08

Zitat:
Die Frage inwieweit Rückzug innerhalb einer Beziehung von Autisten zueinander lebbar ist wäre meiner Ansicht nach schon wieder einen weiteren Thread wert.


Einerseits schon, aber andererseits zeigt das, dass die Frage eigentlich allgemeiner lauten müsste: Wie kriegen Menschen, ob autistisch oder nicht, das überhaupt hin, die Rückzugsbedürfnisse von anderen wahrzunehmen, Verständnis dafür zu haben und auch den Frust darüber zu verkraften, wenn sie was vom anderen wollen und der sich weigert oder passiv entzieht? Ich habe mit dieser "anderen Seite" auch schon immer so meine Schwierigkeiten gehabt... Z.B. auch in dem Sinne, es nicht gut akzeptieren zu können, wenn andere ein Thema nicht weiter ausdiskutieren wollen.

Zitat:
Der andere Rückzug wo man sich auf bestimmte Zeit dem Partnerschaft entzieht fand ich persönlich auch ok da ich das Gefühl hatte ein Stück meiner Unabhängigkeit zurück gewonnen zu haben.


Komischerweise hab ich das Gefühl, dass mir das in diesem Sinne auch gut tut momentan. Aber das hindert mich nicht daran, sauer darüber zu sein - im Gegenteil, irgendwie scheint sich diese Unabhängigkeit bestens damit zu verbinden... Ich fühle sowas wie ein Potenzial in mir, netter und verständnisvoller zu reagieren und das alles positiv zu sehen, aber es steht die Befürchtung dazwischen, dass mich genau das wieder in Enttäuschbarkeit zurückschmeißen würde.
13.06.06, 16:07:24

Lisa M.

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Lisa_M.
23/05/2006 18:35

Zitat:
Z.B. auch in dem Sinne, es nicht gut akzeptieren zu können, wenn andere ein Thema nicht weiter ausdiskutieren wollen.


Da ist es eigentlich so, dass ich das schon gut akzeptieren kann. Die Leute müssen mir das nur ganz klar sagen und am besten auch, warum! Ich bin da mal sehr ins Nachdenken geraten, als mir jemand erklärt hat, er möchte nicht immer alles "bis zu Ende" ausdiskutieren müssen, weil es manchmal eben so ist, dass er genau weiß, dass er Recht hat, es aber nicht so gut begründen kann. Andere könnten teilweise besser argumentieren, und dann würden sie ihn unterbuttern. Das hab ich gut verstanden und ich denke, es hatte schon seine Gründe, dass er mir das sagt... Ich will aber überhaupt keinen Zwang ausüben, wenn ich Argumente bringe und auch die des anderen hören möchte, sondern einerseits geht es mir um gegenseitiges Verstehen und andererseits darum, dass es dann (v.a. bei gemeinsamen Aktivitäten) so gemacht wird, wie es am besten ist. "Unbedingt gewinnen" will ich verdammt selten dabei, denn die Vorstellung, dass andere tun, was ich will, und das selbst gar nicht wollen, ist mir total suspekt. In der Rolle fühle ich mich nicht wohl. Ich neige ja ein bisschen zu "oppositionellem Verhalten", und wo soll man dann damit hin? Nur wenn‘s echt ganz arg wird und ich den Eindruck habe, es gibt ‘ne Katastrophe, wenn ich mich nicht durchsetze, kann ich mich widerwillig mal zu ‘ner kurzzeitigen Führungsrolle durchringen - aber ich glaube, ich *hasse* die Verantwortung, die damit verbunden ist.
13.06.06, 16:10:18

Wursthans

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
_OO_
24/05/2006 21:37

Wenn mein Rückzugsbedürfnis nicht respektiert wird tue ich meistens gar nichts. Aber nachher geht es mir dann noch schlechter und ich meide deswegen oft generell Kontakt mit anderen Menschen.

Es ist eben schon so, daß das Rückzugsbedürfnis sich mir von Autist zu Nichtautist erheblich zu unterscheiden scheint. Nichtautisten werden oft in Anwesenheit anderer glücklicher und entspannen sich. Bei mir ist das eben nicht so, wenn ich mich auch mal einen Abend zusammenreißen kann, wenn ich danach einige Tage wieder meine Ruhe habe.
13.06.06, 16:11:39

Wursthans

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Sheila**
25/05/2006 14:18

Zitat von _OO_:
Wenn mein Rückzugsbedürfnis nicht respektiert wird tue ich meistens gar nichts. Aber nachher geht es mir dann noch schlechter und ich meide deswegen oft generell Kontakt mit anderen Menschen.

Es ist eben schon so, daß das Rückzugsbedürfnis sich mir von Autist zu Nichtautist erheblich zu unterscheiden scheint. Nichtautisten werden oft in Anwesenheit anderer glücklicher und entspannen sich. Bei mir ist das eben nicht so, wenn ich mich auch mal einen Abend zusammenreißen kann, wenn ich danach einige Tage wieder meine Ruhe habe.


Ja, das könnte ich voll und ganz unterschreiben. Ich selbst mag einwenig Gesellschaft auch ganz gern aber wenn es Zeit ist sich zurück zu ziehen und man mir diese Zeit jedoch weshalb auch immer nicht zu gesteht dann wirke ich zunehmend gestresst und agressiv.

Allerdings haben auch Nicht-Autisten ein Rückzugsbedürfnis wenn auch vllt nicht ganz so intensiv. Mir scheint manchmal nur so, dass sie dieses besser durch setzen können als *wir*. Wahrscheinlich signalisieren sie dies deutlicher bzw. energischer aber auch fällt ihr Bedürfnis wahrscheinlich nicht so auf weil es eben nur rudimentär vorhanden ist.



Geändert von Sheila** am 25.May.2006 14:20
13.06.06, 16:12:11

Wursthans

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
_OO_
25/05/2006 14:45

Ich denke auch Nichtautisten haben Probleme ihre eventuellen Rückzugsbedürnisse durchzusetzten. Es kommt auf die Person an.

Ich werde nicht aggressiv, wenn man mir meine Ruhe nicht lässt, gestresst wohl. Ich denke das liegt auch daran, daß ich oft selbst nicht merke wann ich mich besser zurückziehen sollte, weil ich immer in einer Spannung zwischen Fluchtimpuls und Interesse an Menschen lebe. Da gehe ich oft selbst zwischen drauf. Aus Sicht der nichtautistischen Gesellschaft ist es sicher positiv wenn ich mich für Menschen interessiere, aber ich habe auch den Eindruck, daß es gesünder für ich wäre mir ein anderes Interesse zu suchen.
13.06.06, 16:12:53

Goldloeckchen

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Sheila**
25/05/2006 20:00

Zitat:
Gesellschaft ist es sicher positiv wenn ich mich für Menschen interessiere, aber ich habe auch den Eindruck, daß es gesünder für ich wäre mir ein anderes Interesse zu suchen.


Ja, ich glaube ich wäre mit so einen Interesse nervlich überlastet, auch machen mich viele Menschen konfus mit ihren unklaren Aussagen dann fange ich meist an zu rätseln was der jenige wohl gemeint haben könnte. Das Ergebnis dürfte wohl über- oder fehlinterpretiert sein. Verstärkt mitunter mein Rückzugsbedürfnis.


Geändert von Sheila** am 25.May.2006 20:01
13.06.06, 16:13:46

Lisa M.

RE: Nachempfinden von Rückzugsbedürfnis
Lisa_M.
26/05/2006 15:25

Zitat:
Ich selbst mag einwenig Gesellschaft auch ganz gern aber wenn es Zeit ist sich zurück zu ziehen und man mir diese Zeit jedoch weshalb auch immer nicht zu gesteht dann wirke ich zunehmend gestresst und agressiv.


Das ist bei mir ähnlich. Ich gebe mir dann oft auch ziemlich lange Mühe, weil ich nicht möchte, dass die Leute das persönlich nehmen, und reagiere dann irgendwann so gereizt, dass es gar nicht mehr nachvollziehbar ist. Aber eigentlich mag ich schon gern mit (netten) Leuten was zu tun haben, sonst wäre das ja alles kein Problem und ich könnte sie mir vom Hals halten, indem ich sie präventiv anknurre, sobald sie sich nähern. ;)
03.07.06, 03:46:05

bellaria

Ich bin ein NA mit ebenfalls starken Rückzugsbedürfnissen - wahrscheinlich komm ich deshalb mit einem Aspie als Partner so gut aus. Bei uns ist das Problem eher umgekehrt: Wenn ich meine Einsiedler-Phasen habe und z.B. lieber mal eine Nacht im Wohnzimmer schlafe, dann beunruhigt ihn das immer sehr und ich muss ihn danach extra trösten und ihm immer wieder versichern, dass alles (mit mir und unserer Beziehung) in Ordnung ist. Manchmal macht ihm das richtig Panik, sogar wenn ich es vorher ankündige. Scheinbar kann er also nicht von seiner eigenen Einsiedelei auf mein Bedürfnis schließen? Oder liegt das nur an allgemeiner Autisten-Unsicherheit, was die Interpretationsmöglichkeiten des Verhaltens anderer Menschen anbelangt?
 
 
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