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Gehörlose im UK kämpfen gegen Pflicht-Eugenik

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02.05.08, 12:20:52

55555

An dieser Stelle sei auch nocheinmal dringend dazu aufgerufen Genforschung zu Autismus zu boykottieren.
Zitat:
Im Zuge einer In-vitro-Fertilisation (IVF) entstehen oft mehrere Embryonen. Paare und ihre Mediziner müssen dann auswählen, welche davon in die Gebärmutter eingesetzt werden sollen. Und für diesen Prozess sieht ein heftig debattierter Gesetzentwurf vor: Wenn ein - freiwilliger - Gentest ergibt, dass ein Embryo ernsthafte genetische Schäden aufweist, dann muss er ausrangiert werden. Von Staats wegen darf nur erbgesunder Nachwuchs zum Zuge kommen.

Großbritannien, in Fragen assistierter Fortpflanzung eines der liberalsten Länder Europas, verheddert sich unversehens in einem Gestrüpp ethischer Fallstricke. Zunächst schien das geplante Gesetz nicht kontrovers. Wer würde sich schon einen Embryo mit Down-Syndrom einsetzen lassen, wenn er auch einen ohne haben kann? Dennoch sind manche Briten über alle Maßen empört - als nämlich eine Mitautorin des Gesetzes präzisierte, was unter ernsthaften Genschäden zu verstehen sei.

Ruth Deech, ehemalige Chefin der Aufsichtsbehörde über die künstliche Befruchtung, erklärte vor dem Oberhaus, dass sich das Gesetz vor allem gegen die Gehörlosen wende. Es soll sie davon abhalten, Embryonen mit Anlage zur Gehörlosigkeit anderen vorzuziehen.

[...]

Wenn Hörende ihr Recht für selbstverständlich halten, gehörlose Babys auszusortieren, gebärdet Tomato, dann müssten Gehörlose das Recht haben, hörbefähigte Embryonen in den Müllcontainer der Fruchtbarkeitsklinik zu werfen. Bleibe ihnen dieses Recht vorenthalten, dann sei dies der Beleg dafür, dass sie als Gehörlose vor dem Gesetz keineswegs gleichberechtigt seien: "Wir wollen Gleichheit - nicht mehr, aber auch nicht weniger."

Die gehörlose Familie hat in Großbritannien einer abstrakten Diskussion über Bioethik ein Gesicht gegeben. Nicht wenige Briten halten Paulas und Tomatos Erwägung, mittels Embryonenselektion für ein gehörloses Kind zu sorgen, schlicht für pervers. Andere aber fragen: Darf der Staat, um unwillkommene Designerbabys zu verhindern, Designmaßstäbe erlassen? Wer entscheidet, wie Menschen auszusehen und zu funktionieren haben?

Quelle

Alter Thread
02.05.08, 12:40:11

cave

Wie geht das mit der Menschenrechtskonvention zusammen?

Was ist eigentlich mit der gerade von Deutschland ratifizierten UN-BehindertenKonvention ?

http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/webcom/show_article.php/_c-503/_nr-9/i.html

Sowas sollte in der EU verhindert werden, es gibt kein lebensunwertes Leben
02.05.08, 13:38:35

drvaust

geändert von: drvaust - 02.05.08, 13:41:40

Da geht es noch um einen anderen Aspekt.
Ein Teil der Gehörlosen kämpft seit Jahrzehnten um die Anerkennung der Gehörlosigkeit als eine nicht kranke Variante der Menschen.
Zuerst ging es um die Anerkennung der Gebärdensprache als normale Sprache (war damals meistens verboten, zumindest in der Schule). Das hatte teilweise Erfolg. Inzwischen gibt es national und international eine anerkannte Gehörlosenkultur.
Eine bewusste Entscheidung für Gehörlosigkeit ist mir neu.
Das könnte ein spezieller Kampf in der Gehörlosenbewegung sein, demonstrative Entscheidung für Gehörlosigkeit und staatliche Gegenmaßnahme.

Ich würde es keinem Kind wünschen, autistisch zu sein. Wenn es passiert, akzeptiert, auch gut. Aber bewusst Föten mit autistischen Anlagen auswählen?
02.05.08, 13:49:59

55555

Zitat von drvaust:
Ich würde es keinem Kind wünschen, autistisch zu sein. Wenn es passiert, akzeptiert, auch gut. Aber bewusst Föten mit autistischen Anlagen auswählen?

Aber woran liegt das, doch fast nur an der Diskriminierung. Das wäre doch so, als hätte man vor zweihundert Jahren Farbige abgetrieben, weil denen so ein schweres Leben bevorstünde.
02.05.08, 14:00:05

drvaust

geändert von: drvaust - 02.05.08, 14:01:07

Das liegt nicht nur an Diskriminierung.
Ich habe auch alleine Probleme, mir fallen manche Dinge, die für NA Kleinigkeiten sind, schwer.
Auch in einer rein autistischen Gesellschaft hätte ich wahrscheinlich Probleme aufgrund Autismus.

02.05.08, 14:09:49

cony

Letztlich ist das doch wieder die gleiche Grundsatzdiskussion, darf man über ungeborenes Leben entscheiden, oder nicht.

Nach wie vor sollte es den Eltern überlassen bleiben.Und es ist, wie auch immer,keine leichte Entscheidung.
02.05.08, 14:12:01

55555

Was für Probleme hast du denn? Wenn es eine rein autistische Gesellschaft gäbe, hätte sich die doch sicher darauf eingestellt und würde diese Eigenschaften nicht als bemerkenswert betrachten. Ob es auch NA gibt, die sich für nicht lebenswert halten, weil die Probleme haben logisch zu denken?
02.05.08, 14:15:30

cave

geändert von: cave - 02.05.08, 14:16:19

also ich bin froh autistisch zu sein, und kann mir vorstellen es anderen zu wünschen, ich sehe das fast alle Menschen irgentein Problem haben, das es eigentlich "normal" ist mindestens ein Problem zu haben.

Wenn man sowas einmal anfängt, wo soll es aufhören?
Allergie Gene? Langsamer Stoffwechsel? Gen mit Neigung zu Alkohol?
Und was für Möglichkeiten werden damit beseitigt? Die Vielvalt der Evolution, die unterschiedlichen Möglichkeiten die Welt zu sehen.
02.05.08, 15:07:18

cony

Das ist soweit schon richtig, ich möchte diese Debatte auch nicht wieder anheizen.
Aber in diesem Fall geht es um eine künstliche Befruchtung, bei der zuviele Embryonen enstanden sind.
Wer außer den Eltern,sollte das Recht auf die Bestimmung zur Abtreibung haben?
Ich könnte mir vorstellen, das Gehörlose vielleicht eher ein gehörloses Kind wollen,Autisten vielleicht lieber ein Autistisches usw. .
Vielleicht ist es aber auch andersrum.

Aber speziell in diesem Fall muß häufig eine Entscheidung her.
Wenn durch eine solche Befruchtung vielleicht 8 Embryonen entstanden sind, ist die Überlebenschance für alle sehr gering.
Auch die werdende Mutter könnte damit gefährdet sein.

Also wie und vor allem wer soll da entscheiden?
02.05.08, 15:12:10

cony

@55555
Und für diesen Prozess sieht ein heftig debattierter Gesetzentwurf vor: Wenn ein - freiwilliger - Gentest ergibt, dass ein Embryo ernsthafte genetische Schäden aufweist, dann muss er ausrangiert werden. Von Staats wegen darf nur erbgesunder Nachwuchs zum Zuge kommen.

PS: Allerdings sollte der Staat der letzte sein,der diese Entscheidung trifft und schon garnicht autoritär mit Gesetzentwurf.

Als nächstes wird noch ein Gentest zur Pflicht.
Sowas sollte in jedem Fall den Eltern vorbehalten bleiben, denn die müssen letztlich auch mit der Entscheidung leben.
02.05.08, 17:24:54

Aldaris~Adun

Bei der in vitro- Fertilisation werden die Embryonen ausserhalb der Mutter herangezogen und erst dann eingepflanzt. Es ist also nicht so, das in der Mutter z.B. 8 Embryonen angezüchtet werden und dann 7 auf medizinischem Wege wieder abgetötet würden.

Die Eltern haben also theoretisch die Wahl, sich nach Tests für ein Embryo zu entscheiden... Und sich bewusst für ein -wie auch immer- behindertes Kind zu entscheiden ist hiermit in Grossbritannien untersagt.

Mal davon abgesehen das ich keine Kinder haben will und werde, aus mehreren Gründen-
Ich bin mir sicher, das ich mit einem NT- Kind ziemliche Probleme hätte durch seine 'Andersartigkeit' mir gegenüber. So wie es ja auch andersherum ist.

Gehörtlose Eltern werden ähnliche Schwierigkeiten mit hörenden Kindern haben. Sie sehen ihr Leben als vollkommen erfüllt und nicht eingeschränkt an- Warum sollen sie sich dann kein Kind wünschen, das so ist wie sie?
Mit einem hörenden Kind kommen auf sie viele Besonderheiten und Probleme zu, die sie gar nicht persönlich nachvollziehen können, weil sie eben nie gehört haben.

Das lässt sich leicht auf Autisten übertragen. Ich sehe mich persönlich von meinem Autismus nicht beeinträchtigt, allerdings wurde ich von meinem Umfeld beeinträchtigt und geschädigt. Wäre das Umfeld komplett autistisch, wäre das möglicherweise anders... Wer weiss das schon.
03.05.08, 00:54:56

haggard

wenn künstliche befruchtungen irgendwann fester brauch werden, werden sich sicherlich auch die ärzte schützen wollen. in england und amerika wird auch sehr viel geklagt - wer möchte für einen kunstfehler haften, wenn die eltern hinterher doch nicht mit ihrem "behinderten" kind zufrieden sind? sie gehen schließlich in gewisser hinsicht eine dienstleistung ein. ein umtausch wäre ausgeschlossen... eine zeitlich festgeschriebene garantie wäre wahrscheinlich noch diskussionswürdiger. vielleicht ist bis dahin ein leben überhaupt nichts mehr wert - und dann können die ungewollten kinder auch noch später entsorgt werden.
würden bei inkaufnahme einer behinderung die versicherungen (GKV/PKV) noch zu leistungen bereit sein, wenn auch gesundheit möglich wäre? die kassen befinden sich schließlich momentan - und in zukunft wohl auch - im gesundheitswahn.

sie könnten auch nur einen embryo heranzüchten - aber das würden die wollenden eltern irgendwann nicht mehr zahlen. es muss scheinbar eine selektion geben. die gefahr der abstoßung besteht trotzdem.
 
 
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