Berührungsempfindlich - wieso eigentlich?
27.11.21, 12:47:50
55555
Es ist ja ein recht bekannter Punkt, daß viele Autisten es gar nicht mögen körperlich angefasst zu werden.
Ebenso bekannt ist zumindest hier im Forum, daß es innerhalb einer Kernfamilie doch in unproblematischer Weise stattfindet.
Gibt es vielleicht unterschiedliche Gründe, aus denen Autisten körperliche Berührungen nicht mögen, darauf teils auch heftig reagieren?
Das könnte z.B. so aussehen, daß manche Autisten körperliche Berührungen eigentlich sehr angenehm finden, aber auch das Gefühl haben sich dann "dem anderen hinzugeben". Daß dies also etwas wäre, das als intimer empfunden wird, als eine Sache die mehr menschlich-persönliche Nähe voraussetzen sollte als es bei vielen NA der Fall wäre, die aber ebenso körperliche Berührungen meist in einer solche Art empfinden.
Andere Autisten finden körperliche Berührungen vielleicht tatsächlich einfach vom Sinneseindruck unangenehm.
Wieder andere Autisten finden den Sinneseindruck des körperlich Berührtwerdens vielleicht gar nicht an sich schlimm, aber das Verhalten stark belastend, das von NA aufgrund deren emotionaler Empfindung dabei damit oft kombiniert wird (ähnlich dem Kult ums in die Augen schauen).
27.11.21, 13:27:55
Lebensblume
Was mich daran stört, ist die oft damit verbundene selbstverständliche Annahme, dass ein solches "Ritual" einfach ungefragt "dazugehört". Ist es vollbracht, so wendet man sich davon unbeeindruckt wieder dem Tagesgeschehen zu, je nachdem wird die körperlich "berührte" Person nicht einmal mehr als anwesend wahrgenommen, besonders dann, wenn sich ein paar Personen zu einer Gruppe zusammengefunden haben. Wozu also diese Berührung?
In manchen Fällen können zwischen zwei sich begegnenden Personen ganz unterschiedliche Empfindungen damit einhergehen. Der aktivere Teil möchte damit eventuell dem Gegenüber seine besondere Zuneigung ausdrücken, während der andere, eher passivere Teil sich ausgeliefert oder überrumpelt fühlt, jedoch zögert, sich als "Spielverderber" zu erweisen und deshalb die Situation schweigend überspielt. Oder die eine Person versteht die körperliche Berührung als oberflächliches Ritual, während sich die andere vielleicht in der Folge mehr Tiefgang erhofft und enttäuscht reagiert, wenn sie erkennt, dass dies gar nicht möglich und erwünscht ist.
Die Frage könnte hier unter anderem sein, inwiefern es die Berührung an und für sich ist, die unangenehme Empfindungen nach sich zieht - oder die dahinterliegende Absicht, welche mehr oder weniger unbewusst erkannt wird.
30.11.21, 07:59:56
mor
Der aktivere Teil möchte damit eventuell dem Gegenüber seine besondere Zuneigung ausdrücken, während der andere, eher passivere Teil sich ausgeliefert oder überrumpelt fühlt, jedoch zögert, sich als "Spielverderber" zu erweisen und deshalb die Situation schweigend überspielt.
Oder dieser "Spielverderber" nimmt eine abwehrende Körperhaltung ein wzb dass er sich duckt und oder Schritte zurückkgeht und die Hände herzeigt, das heißen könnte "stopp".
daß es innerhalb einer Kernfamilie doch in unproblematischer Weise stattfindet.
Wie meinst du dies? Und was meinst du mit Kernfamilie?
30.11.21, 12:15:39
55555
Und was meinst du mit Kernfamilie?
Eltern-Kind? Soetwas wurd hier im Forum immer mal von Autisten beschrieben.
07.12.21, 22:40:01
mor
Normal berühre ich körperlich andere Autisten schon erst gar. Ich gehe davon aus, wenn ich es nicht möchte (also körperlich angefasst werden), dass andere Autisten es dann auch nicht mögen, wenn ich sie anfasse.
So eine Art Grundeinstellung bei mir. Da kann man ja wohl schlecht was falsch machen, oder?
So ist es bei mir dann beim Umgang mit Nichtautisten auch so(Ausnahmen bestätigen die Regel).
08.12.21, 10:41:31
55555
geändert von: 55555 - 08.12.21, 10:42:23
Wozu also diese Berührung?
NA neigen ja dazu sich durchweg verloren, nicht zugehörig zu fühlen. Für diese könnte eine solche körperliche Geste bedeuten wenigstens einen Moment mal auf diese Art sich nahegekommen, verbunden gewesen zu sein?
08.12.21, 11:44:10
Lebensblume
Für diese könnte eine solche körperliche Geste bedeuten wenigstens einen Moment mal auf diese Art sich nahegekommen, verbunden gewesen zu sein?
Und die Berührungsempfindlichkeit mancher Autisten würde demnach zumindest teilweise darauf beruhen, diesem Verständnis von "einander nahekommen" eher fern zu sein? Dies als nur authentisch zu empfinden, wenn es nicht aus einem Bedürfnis hervorginge, durch Berührung ein Gefühl des sich Verlorenfühlens zu kompensieren?
08.12.21, 13:01:32
55555
Und die Berührungsempfindlichkeit mancher Autisten würde demnach zumindest teilweise darauf beruhen, diesem Verständnis von "einander nahekommen" eher fern zu sein?
Anfangs überlegte ich ja, welche unterschiedlichen Hintergründe bei Autisten Berührungsempfindlichkeit haben könnte. Es könnte also sein, daß der eine Autist diese Berührung von jemandem nicht mögen würde, weil er diesen für sich nicht als auch entsprechend nah einordnet. Es könnte auch sein, daß ein Autist einfach gar nicht berührt werden mag. Es könnte ebenfalls sein, daß ein Autist den Versuch des anderen auf solche Weise Nähe herzustellen, diese dann einseitig zu erleben, abstoßend fände.
08.12.21, 13:21:02
Lebensblume
Wie auch immer die Hintergründe dafür aussehen mögen, dürften vor allem Selbstreflexion und Kommunikation diesbezüglich zu mehr Klarheit führen, sofern dies angestrebt würde.
08.12.21, 13:27:35
mor
geändert von: mor - 08.12.21, 13:34:45
Es könnte also sein, daß der eine Autist diese Berührung von jemandem nicht mögen würde, weil er diesen für sich nicht als auch entsprechend nah einordnet.
Dieses "nah" auf der körperlichen Ebene, das liest sich für mich so, als wenn der Eine den Anderen "körperlich lieben" , also verliebt in den anderen wäre. Oder anders geschrieben, wenn der eine Autist den anderen Autisten lieben würde. Lieben in dem Sinne, dass er den Anderen körperlich nahe kommen möchte, mit Umarmen, Geschlechtsverkehr oder nur kuscheln.
Es könnte ebenfalls sein, daß ein Autist den Versuch des anderen auf solche Weise Nähe herzustellen, diese dann einseitig zu erleben, abstoßend fände.
Jeder Mensch hat da wohl unterschiedliches Empfinden, würde ich meinen. Würde man die Vorgeschichte
dieses Autisten kennen(warum Dieser zb auf diesen Versuch des Anderen, so Nähe zum Denjenigen herzustellen, dies abstoßend fände), dann könnte es eventuell zum Verständnis beim anderen Autisten kommen?
Edit:
Wie auch immer die Hintergründe dafür aussehen mögen, dürften vor allem Selbstreflexion und Kommunikation diesbezüglich zu mehr Klarheit führen, sofern dies angestrebt würde.
Besser wäre, wenn diese Menschen sich dann aussprechen würden. Jeder Mensch hat wohl ein eigenes Empfinden, wie er es sieht.
Edit 2:
Und solange der Eine dies vom anderen nicht weiß, wie sollen die es dann untereinander verstehen können?
06.01.22, 23:25:32
mor
Es könnte also sein, daß der eine Autist diese Berührung von jemandem nicht mögen würde, weil er diesen für sich nicht als auch entsprechend nah einordnet.
Es kommt wohl drauf an, was die dementsprechenden Autisten als "nah" empfinden. Es könnte ja sein, dass Person C (der eine Autist) "Nähe" zu Person D ( der andere autist) auf seine Weise empfinden würde, indem er den körperlichen Abstand zu Person D etwas veringert, aber Person D nicht körperlich berührt.
Es kann ja auch sein, dass Person D "Nähe" zu Person C auf seine Weise empfindet, indem Person D nicht nur den körperlichen Abstand zu Person C verringern würde, sondern auch das Bedürfnis hätte, Person C körperlich zu berühren.
In dem Sinne würden beide Autisten zueinander "Nähe" empfinden, aber jeder auf seine Weise. Nicht jeder Autist empfindet gleich, würde ich meinen.
Ein Beispiel:
Bei autistischen Fernbeziehungen, die dann später körperlich zusammenkommen und ein Paar werden bzw heiraten. Diese lernen sich doch auch kennen, wegen der Ferne dann eher schriftlich. Es sei denn, diese Beiden kennen sich aus dem Alltag und würden keine schriftliche Nähe haben wollen. Nur, per schriftliche Nähe werden körperliche Berührungen ja ausgeschlossen werden. Es sei denn, sie treffen sich dann körperlich.
Wenn beide Autisten in einer Fernbeziehung ähnliches Empfinden würden, was körperliche Nähe angeht und beide zb ein Problem haben mit körperlicher Nähe, dann wäre diese "Näheempfinden" doch nur auf der schriftlichen Basis sein, oder?
Es könnte ebenfalls sein, daß ein Autist den Versuch des anderen auf solche Weise Nähe herzustellen, diese dann einseitig zu erleben, abstoßend fände.
Wenn beide Autisten "Nähe" ähnlich empfinden würden, dann wäre es wohl klarer, oder? Wenn da zb der Eine den Anderen körperlich berühren wollte, dass dieser Versuch des Einen dem Anderen unangenehm wäre.
Wenn zb diese Autisten auch je ein anderes Geschlecht hätten, müsste da dann nicht aufgepasst werden, dass da nicht Missverständnisse zwischen denen auftreten würde, wie die Berührung eventuell empfunden bzw interpretiert werden würde?
07.01.22, 12:04:00
55555
In dem Sinne würden beide Autisten zueinander "Nähe" empfinden, aber jeder auf seine Weise.
Ja, möglich.