Auswirkungen einer Diagnose und Schweigepflicht
22.01.12, 14:24:40
[modmod]
Ich habe einen Teil aus
diesem Thema ausgelagert,
weil es vom ursprünglichen Thema des Eröffners abschweifte,
bzw. es entwickelte sich zu einem speziellen Thema.
23.01.12, 07:06:13
Lenz2011
Mir werden hier zu viele Dinge miteinander vermischt.
Die Diagnose alleine interessiert doch keinen, auch die Kasse nicht.
Schwierig wird es erst wenn Folgemassnahmen eingeleitet werden (SBA, Therapien, Betreuung...). Da stimme ich euch zu.
Aber: das macht normalerweise ja der Betroffene selber bzw. dessen Eltern. Da sollte man wirklich die möglichen Folgen bedenken.
23.01.12, 11:43:16
Lenz2011
Noch mal ganz kurz was zu dem Thema, auch als Fragestellung an drvaust gedacht.
Ich habe die Diagnose auch sehr spaet erhalten, letztes Jahr mit 47.
Oft habe ich den Eindruck, es ist "zu" spät.
Ich wusste bis vor einem Jahr nichts von Asperger. Autismus war mir zwar gefühlsmäßig irgendwie nahe, schien aber auf mich (verheiratet, Kinder, berufstätig) absolut nicht zuzutreffen (in unserer Nachbarschaft wohnt z.B. ein junger autistischer Erwachsener der nicht spricht).
Da mit meinen Problemen niemand etwas anfangen konnte, habe ich halt versucht mich so unauffällig wie möglich zu verhalten und mehr oder weniger das zu tun was alle tun und was erwartet wird, letztlich ja über 40 Jahre lang. Inzwischen bin ich zwar immer noch relativ unauffällig, habe aber kaum noch die Kraft die "Normalitaet" aufrecht zu erhalten. Beruflich bin ich aus Nichtkenntnis meiner absoluten Grenzen in einem Brereich gelandet, der inzwischen fuer mich nicht mehr wirklich zu bewältigen ist.
Einen gangbaren Weg aus diesem Zombiedasein habe ich noch nicht gefunden (muss ja schließlich Geld verdienen etc.).
Ich habe mir an meinem Anderssein buchstaeblich die Zähne ausgebissen, weil ich mir zu viel und die falschen Dinge zugetraut habe und nie eine Identitaet entwickelt habe die auf meine Veranlagung Rücksicht nimmt.
Die Diagnose brachte zwar eine kurze Erleichterung aber natuerlich keine Aenderung der Situation.
Die letzte Möglichkeit sehe ich darin mich wegen einer Sekundaerdiagnose
wie Burnout oder Depression länger krank schreiben zu lassen.
Ich schreib das nur um zu zeigen was eine Nichtdiagnose für Folgen haben kann und weil ich drvaust fragen möchte wie es ihm mit seiner späten Diagnose ging.
23.01.12, 12:18:28
schuschu
geändert von: schuschu - 23.01.12, 12:20:07
hallo lenz,
unter umständen kann eine diagnose hilfreich sein.zumindest solang die meisten menschen noch in ihrem unbewussten kastensystem denken.ich möchte allerdings 55555 dazu zitieren,der zum thema "mein besonderes patenkind" folgendes schrieb:
"Eine Diagnose kann gerade in diesem Alter den gesamten Lebenslauf zerrütten. Offenbar ist dir nicht im Entferntesten klar wie viele negative Folgen in erheblichem Ausmaß eine Diagnose haben könnte.
Zudem zeigt die Erfahrung, daß Eltern, die sich nicht selbst mit Charaktertypen befassen auch durch Diagnosen nicht zu besserem Verhalten gebracht werden. Entweder wird die Diagnose als unsinnig betrachtet oder unter dem Deckmantel von "Therapien" erst recht damit begonnen das Kind zu malträtieren und sein Selbstwertgefühl zu zerrütten.
Diese Fehleinschätzung findet man oft vor, weil einem Großteil der Bevölkerung generell kaum bewußt ist in welchem Ausmaß in diesem Land noch Diskriminierungen vorkommen. Sie bekommen nur mit wie immer von offizieller Seite erzählt wird wieviel man doch für Behinderte tue, etc."
die diagnose bei meinem sohn sehe ich mittlerweile zwiegespalten...sie war und ist mir nur wichtig für wegen des kastendnkens...aber grundsäzlich würde ich mir wünschen, dass wir eine bewusste menscheit sind, in der jeder auch ohne diagnose ganz individuell und selbstbestimmt ,nach seiner eigenen art , glücklich leben kann.
wäre zu bedenken, ob sich im bewusst sein was ändern kann, wenn alle so weitermachen und "anders sein" nur mit diagnose stattfinden darf(...besser gesagt:selber sein)
(muss zur zeit per maus auf bildschirmtast. schreiben. daher alles klein,evtl. mehr fehler und die teilnahme am forumsgeschehen weniger ;) )
23.01.12, 20:57:03
drvaust
... ich drvaust fragen möchte wie es ihm mit seiner späten Diagnose ging.
Ich war schon als Kind in Behandlung und Beratungen, aber nichts Größeres, selten Medikamente. Das AS war damals noch nicht definiert, Kanner-A war es nicht, AD(H)S auch nicht, verschiedene Verdachts-Befunde. Die Schule drängte zu Sonderschule, aber ich bin in der normalen Schule geblieben.
Ich bin als sonderbarer Außenseiter durchgekommen, mit einigen Schwierigkeiten. Abschluß 10. Klasse, Lehre, Studium usw., mit einigen Problemen, aber es ging einigermaßen. Ab 1994 war ich arbeitslos und fand keine feste Arbeit mehr, spätestens beim Bewerbungsgespräch war Schluß. Ich war gelegentlich in Behandlung, Psychotherapie usw.. Die Diagnose Autismus stand nicht zur Debatte. Nach 2000 hatte mir mein Nervenarzt empfohlen, Rente zu beantragen. Später hatte ich Rente beantragt, viele Gutachten und Verdachtsdiagnosen. Dann hatten auch Krankenversicherung und AA mir Rentenanträge vorgelegt. Seit 2006 bekomme ich Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dann hatte ich die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaften beantragt und habe seit 2009 einen SBA. Alles ohne die Diagnose Autismus.
Einen
Verdacht auf Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] gab es immer wieder mal, aber nur nebenbei, z.B. von einer Psychotherapeutin. 2004 bekam ich, in einem Internet-Forum (nicht Autismus), einen Hinweis, daß ich Autist sein könnte (von einem Autisten). Daraufhin informierte ich mich und stellte fest, daß das paßt. Ich habe das AS. Mein Nervenarzt hatte mir den Verdacht bestätigt, kennt sich aber nicht genug aus. Seit 2011 warte ich auf einen Termin zur offiziellen Diagnostik.
Eine Diagnose kann mir jetzt kaum noch schaden, ich gelte schon als schwerbehindert und neurologisch/psychisch krank.
Wenn ich als Kind eine derartige Diagnose bekommen hätte, wäre ich in einer Sonderschule gelandet. Danach hätte ich kaum eine richtige Lehre machen können, noch weniger ein Studium. Evtl. wäre ich jetzt in einem Heim und Behindertenwerkstatt.