24.12.11, 13:13:32
Fundevogel
Eine achtzigjährige Dame sagte mir, dass der Lehrer des Dorfes mit ihren Eltern befreundet war und regelmäßig zu ihnen nach Hause kam. Die Mutter habe die Kinder gebeten, recht freundlich zum Lehrer zu sein. Der habe sie auf den Schoß gehoben und schüchtern mit ihnen erzählt. Die Mutter sei aus dem Zimmer gegangen und der Lehrer habe immer so gezittert, wenn sie auf dem Schoß saßen. Erst heute denke sie, dass das Mißbrauch gewesen sein könnte.
Meine Uroma erzählte früher, dass sie als angehende junge Mädchen als Mägde verdingt wurden. Es sei hinzunehmen gewesen, dem Hofherr zu Willen zu sein, wenn er sexuelle Bedürfnisse gehabt habe. Es habe zum Anstellungsverhältnis dazu gehört.
Das gleiche gilt für Knechte oder Lehrverhältnisse. Männer sprechen allerdings selten darüber.
Es war schmerzvolle Lehre des Lebens und man nahm es wie das Hungern hin. In einfachen Verhältnissen nahmen Eltern Kinder nur ganz selten in Schutz, sie hatten es selbst so erlebt, dass es zum Erwerb des täglichen Brots hinzunehmen war und dass sich der Macht gebeugt werden musste.
In unserer Mundart gab es ein Wort für sexuellen Mißbrauch. Man sagte, man sei "gebraucht" worden.
25.12.11, 15:00:51
Fundevogel
PvdL: Es war nicht meine Absicht, Kindesmißbrauch zu legitimieren.
Das erste Beispiel schilderte, dass wo kein Wissen um Mißbrauch, moralische Normen oder Rechtsnormen ist, er nicht gewusst und deshalb nicht als solcher empfunden werden kann, wenn die innere Sprache keine Erklärung hat.
Das zweite Beispiel zeigt, dass Armut andere Gesetzmäßigkeiten hat, selbst da, wo Kinder theoretisch unter Schutz gestellt sind. Wenn dem Opfer wegen seiner sozialen Stellung kein Recht gewährt wird, ist Mißbrauch durch den Mangel an Vertretung praktisch legitimiert.
Das dritte Beispiel zeigt, wie Sprachverwendung der Verharmlosung dienen und Täter- und Opferkennung verstellen kann. In jeder Tageszeitung finden sich Beispiele von Opfersprache: "Der kleine Junge wurde..." anstatt "Der Täter hat..."
Da sich vor Vorverurteilungen gehütet und sprachliche Deeskalation betrieben werden soll, erleben Opfer die StellungNahme des Umfelds als schwammig, lavierend und verharmlosend.
25.12.11, 17:59:42
PvdL
PvdL: Es war nicht meine Absicht, Kindesmißbrauch zu legitimieren.
Dan solltest Du auch nicht so etwas schreiben, was sich so anhört, wie "Stell Dich nicht so an, das war schon immer so. Ich wurde auch als Kind vergewaltigt und habe trotzdem meine Metzgerlehre abschließen können."
Das erste Beispiel schilderte, dass wo kein Wissen um Mißbrauch, moralische Normen oder Rechtsnormen ist, er nicht gewusst und deshalb nicht als solcher empfunden werden kann, wenn die innere Sprache keine Erklärung hat.
Rechtsnormen entstehen, weil es hinreichend viele Menschen gibt, die alle dieselben, wiederkehrenden Erlebnisse als Ungerechtigkeiten empfinden und die Hoffnung haben, das Unrecht durch Recht eindämmen zu können. Es stimmt zwar, wenn es heißt, "Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter." Es stimmt aber nicht, daß da, wo kein Recht gepflegt wird, auch kein Unrechtsbewußtsein vorhanden ist. Das Problem ist vielmehr, daß viele Menschen Unrecht erst dann empfinden, wenn sie selbst gerade mal Opfer sind.
Das zweite Beispiel zeigt, dass Armut andere Gesetzmäßigkeiten hat, selbst da, wo Kinder theoretisch unter Schutz gestellt sind. Wenn dem Opfer wegen seiner sozialen Stellung kein Recht gewährt wird, ist Mißbrauch durch den Mangel an Vertretung praktisch legitimiert.
Genau deshalb bin ich auch froh, daß ich nicht in den USA leben muß, wo das Recht des reicheren gilt. Aber auch dieses halte ich für kein Argument sondern eher für eine Diagnose. Dabei darf es jedoch nicht bleiben.
Das dritte Beispiel zeigt, wie Sprachverwendung der Verharmlosung dienen und Täter- und Opferkennung verstellen kann. In jeder Tageszeitung finden sich Beispiele von Opfersprache: "Der kleine Junge wurde..." anstatt "Der Täter hat..."
Da sich vor Vorverurteilungen gehütet und sprachliche Deeskalation betrieben werden soll, erleben Opfer die StellungNahme des Umfelds als schwammig, lavierend und verharmlosend.
Mit Sprache kann sehr viel Gewalt ausgeübt werden. Der österreicher Ferdinand Schmatz hat dazu 1994 ein sehr eindrucksvolles Buch vorgelegt mit dem Titel "SPRACHE MACHT GEWALT". Dieselben Menschen sind beispielsweise mal "Aufständische", mal "Freiheitskämpfer" oder schlicht "Terroristen", je nach dem, welchen Nachrichtensender man dazu anhört. Es geht um die berüchtigte Deutungshoheit. In den USA haben bekanntlich die Republikaner diese an sich gerissen und beherrschen damit, obwohl sie in der Minderheit sind, das ganze Land. Aber auch das ist nur die Diagnose.
26.12.11, 05:54:17
Vendela
geändert von: Vendela - 26.12.11, 05:59:19
Abgesehen davon entspricht es einfach nicht dem Sprachgebrauch. Wenn man zum Ausdruck bringen möchte, daß jemand lieb mit Kindern ist, dann sagt man 'kinderlieb' dazu. Wenn man von jemandem sagt, er (oder sie) sei pädophil, dann ist schon gemeint, daß die betreffende Person eine erotische Neigung zu Kindern hat
Ich finde es wichtig, auch die ursprüngliche Bedeutung von Wörtern zu sehen (unabhängig vom "Sprachgebrauch"), kann manchmal nützlich und interessant sein.
Auch wenn ich davon ausgehe, dass du es anders siehst: Wenn jemand Kinder liebt, ist er nicht zwangsläufig kinderlieb. Und jemand der kinderlieb ist, liebt nicht unbedingt Kinder.
Hat das Wort pädophil für dich eine negative Konnotation?
Glaubst du, Kinder können (allgemein betrachtet) sexuell erregt werden?
Mord und Totschlag sind auch nicht dadurch legitimiert, daß es immer wieder begangen wird. Oder anders gesagt: Für Straftaten gibt es kein Gewohnheitsrecht.
Mord und Totschlag würde ich nicht mit Missbrauch vergleichen.
Für Taten, die aus moralischer Sicht verwerflich sind / sein können, aber die aus rechtlicher Sicht nicht verboten bzw. praktisch schwer zu unterbinden sind (Beispiel: unerwünschte / ungefragte Therapien, erzieherische Maßnahmen etc.), kann es ein (moralisches) "Gewohnheitsrecht" geben.
26.12.11, 08:27:17
drvaust
... Glaubst du, Kinder können (allgemein betrachtet) sexuell erregt werden?
Ich wurde zwar nicht direkt angesprochen, möchte mich aber dazu äußern.
Ich weiß, aus eigener Erfahrung, daß Kinder sexuell erregbar sind. Ich war, im Kindergarten, mehrfach sexuell erregt, bis zum Orgasmus. Das hatte ich aber erst ca.10 Jahre später verstanden, als ich das im klaren Zusammenhang erlebte und mehr wußte.
Inzwischen hatte ich auch schon mehrfach gelesen, daß Menschen von Anfang an sexuell erregbar sind. Deshalb gibt es z.B. die Empfehlung, Babys daran zu hindern, ihre Genitalien zu berühren (die können sich erregen).
Das zu dieser Frage, als etwas abschweifende Erklärung.
Das 'niedere' Angestellte, auch Minderjährige, sexuell 'benutzt' wurden, scheint noch lange üblich gewesen zu sein. Das entspricht den Gewohnheiten im Tierreich, da kann sich teilweise der Rudelführer jedes Rudelmitglied nehmen. Das war trotz Gesetze noch üblich, das waren ja nur 'niedere'.
26.12.11, 17:59:31
Hans
Zu diesem schweren Thema will ich den Beitrag von drvaust
nicht so alleine da stehen lassen, da kann ich auch mal ...
Also - das mit der Erregbarkeit bei Kindern ist ja scheinbar das Faszinosum hier.
Mann ist schon sehr früh erregbar und ich denke Frau auch,
nur sieht man das da noch nicht so deutlich.
Das Kind weiß vielleicht gar nicht "was da so geht" und sieht interessiert zu,
wenn es doch normal wissbegierig ist.
<mir ging es von 5 bis 8 so>
Im diesem Alter finde ich den Unterschied von ein paar Jahren erheblich.
Die Mädchen zwischen 12 und 14 waren sehr nett mit mir und
ich ging brav und
zu Mädels immer lieb und höflich dressiert mit.
War ja kein "böser"
Onkel, der da was an mir machen wollte.
Vor
Tanten hatte mich niemand gewarnt.
Sie haben sich scheinbar die "Verfügbarkeit" des kleinen Deppen aus der Nachbarschaft weitergesagt.
Ich wußte es auch immer wieder sofort, wenn eine "Neue" auf mich zu kam, konnte mich aber nicht entziehen.
Sie haben da so einen "besitzergreifenden Blick", da fürcht ich mich heute noch,
ein Bißchen. ;)
Durch einen Umzug mit 8 hat sich das auf den Schlag aufgehört.
Sie erzählten was von: Doktorspielen,
bis: Zeig mir Deins, dann zeig ich Dir meins,
das "Andere" habe ich dabei aber nie gesehen !
An meinem wurde rumprobiert , von dran ziehen, zwicken, drücken,
bis ich schrie,
oder auch einmal mit einer Glasscherbe seziert...
Bei bestimmten Berührungen ergab es halt auch immer wieder eine sichtbare Errektion,
dann war erst mal eine mir willkommene Pause der Bedrängnis,
weil da erst mal "Das Ding" bestaunt wurde.
Dabei empfand ich keinen Spaß, es war ein Gemisch aus Angst und Neugier.
Könnte man hier die "Untat" festschreiben, weil es nur einseitig war ?
Das wird nur etwas anders im Ablauf ein Verbrechen, oder
wenn es von der Geschlechterverteilung anders herum ist.
Wieso ist das eigentlich so, wegen der Jungfräulichkeit oder warum ?
Wer setzt da die Linie zwischen jugendlichem Ausprobieren und Kinderfickerei, wer ?
Weil es ja immer irgendwo versteckt und heimlich,
wie in einem Nebenraum vom Pfarrhof
oder in dem Häusl für die Mülltonnen war,
war das ab und zu auch, daß ich dabei "Rettung" erfuhr
und wir von der Frau des Pfarrers entdeckt wurden.
Jetzt kommt das eigentlich Dramatische, daß mir lange zu schaffen machte:
Ich wurde georfeigt und geschimpft, was ich für ein Schweinderl bin und heimgeschickt,
das mehrere Jahre ältere Mädchen wurde nur etwas oder gar nicht gerügt,
zumal sie auch jeweils schnell davon liefen.
Die Linie der Frau des ev. Pfarrers war wohl auch nicht richtig, oder ?
Mit 15 bekam ich von meinem väterlichen Freund diese Erklärung:
Ein Pädophiler sieht Kinder gerne an, das ist nix Schlimmes
ein Päderast will sie auch anfassen, da kann es dann schlimm werden.
Als ich dann 21 war kam ein 13jähriges Mädel auf mich zu und hätte es gerne von mir gezeigt bekommen.
Ich war dazu nicht in der Lage, wußte ich doch einerseits um die rechtliche Situation
und fürchtete mich auch etwas vor dem "Sezieren".
Ich habe ihre Fragen zum Thema, wie das geht und so, dann fernmündlich beantwortet.
Da war ich nicht ganz auf ihrer Linie, habe aber den Kopf gar nicht erst in die Schlinge gesteckt
und nur ihre Fragen beantwortet. War vielleicht ein Fehler ...
Ein paar Jahre später habe ich in einem Pub die Tochter eines Freundes meines Vaters gesehen.
Sie war
vierzehn und trank ziemlich heftig Bier.
Ich sprach sie an, warum sie so säuft.
Sie antwortete weinend:"Kummer !"
Ich fragte nach, dann brach sie mit einem lauten Schluchzen aus:
"Mein Freund(16) ist ein Kinderficker, seine Neue ist
dreizehn!"
Da wußte ich keine Worte des Trostes.
Hätte ein NA welche gehabt ?
Ich habe noch zwei Bier abgewartet und sie dann als sie zu besoffen zum Wiedersprechen war,
zu ihrem Vater nach Hause gebracht.(dem habe ich nichts von ihrem Kummer gesagt)
Jetzt kann man doch sehen, wie es in unserer Normalgesellschaft komisch läuft,
keiner weiß genau was richtig ist.
Aber wenn es schief geht, schreien alle,
daß man das doch vorher sehen konnte, daß das nicht richtig ist.
Resume:
Wie man´s falsch macht wissen alle,
aber wie man es richtig macht, nur jeder für sich und meißt erst hinterher.
06.01.12, 04:46:21
Fundevogel
PvdL: Es war nicht meine Absicht, Kindesmißbrauch zu legitimieren.
Dan solltest Du auch nicht so etwas schreiben, was sich so anhört, wie "Stell Dich nicht so an, das war schon immer so. Ich wurde auch als Kind vergewaltigt und habe trotzdem meine Metzgerlehre abschließen können."
Ich kommentierte nicht und verharmloste deshalb nicht, ich schilderte einfach Lebenssituationen. Diese waren "in der Tat" so, dass der Abschluss einer Metzgerlehre manchmal erworben wurde zum Preis ständiger Vergewaltigungen.
Die Hausmädchen wurden auch in manchen hochherrschaftlichen und religiösen Haushalten von Juristen wie selbstverständlich als lebendes offenes Inventar gehalten, wo doch vielleicht eher als in Metzgerbetrieben ein Bewusstsein für Recht und Sitte und Moral hätte vorhanden sein müssen?
Was als Recht und Unrecht betrachtet wird, ergibt sich auch aus gesellschaftlichen Betrachtungsweisen und gemachten Erfahrungen von Gemeinwesen.
"Du sollst nicht töten" verhindert(e) 1828 nicht das Standrecht, mit dem Aborigines praktisch dem Abschuss freigegeben wurden unter einer Regierung, die auf eine der ältesten Verfassungen stolz war/ist...
oder in der Deutschen Rechtsprechung verurteilt man heute einen Mauerschützen als mitverantwortlich für sein Handeln, während ein Arzt und Mit-Mörder von 14.000 Menschen in Pirna bis 1990 unbehelligt seine Arztpraxis betreiben konnte und dessen die Ärztekammer Niedersachsen ehrend gedachte und der 1962 vor Gericht zu Protokoll gab und damit durchkam: „Unter Berücksichtigung meiner Erziehung, meines obrigkeitsstaatlichen Denkens, der allgemeinen Zeitbetrachtung, bin ich damals nicht auf die Idee gekommen, dass eine staatliche Stelle etwas anordnen und durchführen könne, was nicht rechtens sei.“
Wenngleich ich persönlich das nicht so sehe, könnte man verleitet werden zu sagen: Recht und Unrecht sind Ansichtssache.