Beeinträchtigung für die Familie
24.04.11, 21:15:25
Antika
Es wollte wohl nicht mehr leben, weil es in die Psychiatrie eingewiesen worden war und mit Medikamenten voll gestopft wurde. Erst in dieser anderen Einrichtung hat man dem Kind geholfen von den Tabletten wieder weg zu bekommen.
So wie ich die Mutter verstanden habe, ist sie einfach an die falschen Ärzte geraten die ihr nicht abnehmen wollten dass ihr Kind Autist sein könnte.
Ich denke mal dass hier in diesem Fall die Einrichtung immer noch die bessere "Option" war, als die Psychiatrie. Kind und Familie scheinen nun auch besser miteinander klar zu kommen, als vorher.
Zur Zeit habe ich aber keinen Kontakt mit der Mutter, da sie sich aus gesundheitlichen Gründen nun selbst in einer Klinik befindet.
24.04.11, 23:23:46
schneeweiß
Da Autism Speaks behauptet hatte Autisten seien Schuld am Zerbrechen elterlicher Ehen gab es dazu Untersuchungen, es konnte soweit ich mich erinnere keine statistische Häufung festgestellt werden.
Ich halte es für falsch zu behaupten, das autistische Kind trage die Schuld am Zerbrechen der elterlichen Ehe. Daran tragen letztlich die beiden Ehepartner die Schuld. Ein Kind gemeinsam zu erziehen, führt häufig zu Reibungspunkten in einer Beziehung. Die Erziehung eines "besonderen" Kindes stellt an die Eltern besondere Herausforderungen und führt häufig zu noch mehr Reibungspunkten. Die Gemeinschaft der Eltern wächst an dieser Herausforderung oder sie zerbricht. Man könnte nun darüber nachdenken, weshalb der eine oder andere Fall eintritt und kommt eben zu der Erkenntnis, dass die Ursache bei den Eltern liegen muss und nicht beim Kind.
Was Eltern über angebliches Befinden der autistischen Kinder angeben ist aus meiner Erfahrung oft ziemlich unglaubhaft, beziehungsweise falsch.
Ich wage mir nicht, das allgemein zu beurteilen. Wenn das Kind jedoch Suizidgedanken äußert oder einem Mitschüler einen Stuhl an den Kopf wirft oder sich selbst verletzt oder nicht mehr willens bzw. in der Lage ist auch nur morgens aus dem Bett aufzustehen etc., dann wäre für mich zumindest klar, dass es dem Kind nicht gut geht.
@ azrael
Es ist wohl überlegenswert, wie viel Bedeutung man einem Schulabschluss beimessen sollte. Letztlich besteht aber nun mal in Deutschland Schulpflicht. Die Eltern sind gezwungen, ihr Kind irgendwie beschulen zu lassen. Ich habe den Eindruck, dass viel Mut, Kampfgeist, Nervenstärke, aber auch Glück dazugehört, ein autistisches Kind einigermaßen unbeschadet durch das deutsche Schulsystem zu bringen.
25.04.11, 09:22:07
55555
Soweit ich mich erinnere konnte nicht einmal festgestellt werden, daß Eltern von Autisten sich in diesem Sinne signifikant häufiger trennen würden.
Daß es diesem Kind nicht gut geht wäre wohl naheliegend, viel kritischer sehe ich Äußerungen wie die das Kind fühle sich nun wohler.
25.04.11, 11:01:18
PvdL
Was meiner Familie (Vater, Mutter, Bruder & ich) am meisten schadet, ist nicht mein AS und auch nicht meines Vaters AS oder ADS, sondern meines Vaters Kontrollneurose und seine selbst gewählte Isolation, sodaß er auch keine Kritik mehr an sich heran läßt. Allein über finanzielle abhängigkeiten kann er Beziehungen haben. Da inzwischen nur noch meine Mutter finanziell von ihm abhängig ist, kann man sich vorstellen, wie einsam er ist.
Ich habe mir oft vorgestellt, ich hätte es besser gehabt, wenn ich in ein Internat hätte gehen dürfen. Aber wer weiß, ob ich da nicht vielleicht auch gemobbt (Sieht bescheuert aus, soll aber so geschrieben werden.) worden wäre.
Fazit: Der beste Zusammenhalt für jede menschliche Gemeinschaft ist immer noch, wenn man den anderen ihr Anderssein zugesteht. Es gibt keine normalen Menschen, sonder nur normale Situationen. Das jeder mit diesen normalen Situationen individuell umgehen muß, ist normal. Suchen wir also die Normalität dort, wo sie hin gehört; und nicht dort, wo wir sie gerne hätten!
25.04.11, 13:37:49
Antika
Ich habe auch mal für einige Zeit in einem Heim gelebt (ich war da etwa 7 Jahre alt). Es gefiel mir dort natürlich überhaupt nicht, denn es gab kaum Möglichkeiten für mich, mich zurückzuziehen. Dennoch habe ich mich dort wohler gefühlt als zu Hause. Denn zu Hause wurden mir ständig Vorwürfe gemacht, und ich konnte es niemandem recht machen. Im Heim war ich ein Kind unter vielen, und da fiel ich nicht wirklich auf.
Man hat mich gefragt, ob ich dort für ganz bleiben wollte, und ich antwortete mit ja. Aber mein Vater wollte dies nicht und holte mich wieder nach Hause. In meiner Familie habe ich mich nie wohl gefühlt und im Heim hatte ich immer die Hoffnung gehabt dass mich vielleicht einmal eine andere Familie hätte haben wollen.
Daher gehe ich schon davon aus dass dieses Kind (ich glaube sie ist 14 Jahre alt), von dem ich hier schrieb, in der Lage ist zu sagen ob es sich nun wohl fühlt oder nicht. Wahrscheinlich würde es sich in seiner Familie noch wohler fühlen als in dieser Einrichtung, denn die Familie hatte schon erkannt dass es ein Fehler war dieses Kind auf Anraten der Ärzte in eine Psychiatrie einzuweisen. Aber es merkte schon den Unterschied zu der vorherigen Klinik und dem Bemühen in der neuen Einrichtung.
25.04.11, 22:37:03
drvaust
Ursache für die Eskalation war in fast allen Fällen die Schulsituation des autistischen Kindes.
Ich habe den Eindruck, dass viel Mut, Kampfgeist, Nervenstärke, aber auch Glück dazugehört, ein autistisches Kind einigermaßen unbeschadet durch das deutsche Schulsystem zu bringen.
Das halte ich für ein entscheidendes Problem.
Die Schule ist für ein Schulkind sehr entscheidend, bestimmt das Leben sehr stark. Wenn da die Bedingungen schlecht sind, die Lehrer sich nicht auskennen und nicht anstrengen wollen, sieht es schlecht aus. Das können die Eltern nicht ausgleichen.
Ich meine, ein gutes Heim ist besser als eine schlechte Familie. Wenn das Kind z.B. stark vernachlässigt und jeden Tag grün und blau geprügelt wird, ist ein Heim besser. Wenn die Eltern nicht mehr können, z.B. alleinerziehend und schwer krank, oder keine Ahnung habe und keine richtigen Informationen bekommen, ist ein Heim besser. Ein gutes Heim ist meistens besser als Psychiatrie.
Am besten ist natürlich, die Familie zu befähigen und zu informieren. Die Schulen müssen im Sinne von Inklusion verändert werden.
25.04.11, 22:51:04
55555
Nocheinmal: Ich würde allgemeine Kinderheime und Behindertenheime, die wohl eingangs gemeint waren nicht gleichsetzen.
25.04.11, 23:01:03
drvaust
Ja, bei Autisten, die nicht irgendwie an sich behindert sind, ist eine Unterbringung in einem Behindertenheim absurd.
Nur bei autistischen Kindern, die von ihrer Familie behindert und/oder geschädigt werden oder nicht mehr in ihrer Familie leben können, ist vielleicht die Unterbringung in einem Kinderheim sinnvoll (wie bei allen Kindern).
25.04.11, 23:46:55
55555
Behindertenheime sind allgemein ein überholtes minderwertiges Modell.
25.04.11, 23:51:25
wolfskind
was genau versteht man unter dem begriff "behindertenheim" ? ist damit gemeint ein wohnheim/wohngruppe für autisten? sowas in die richtung?
mir wurde suggeriert (vom ATZ) dass ich nicht selbstständig leben kann, weil zu schwer betroffen, weil zu wenig gefügig und daher sollte eher ein wohnheim angestrebt werden, da ich dort die richtige zuwendung hätte. (und die nötige erziehung um gefügig gemacht zu werden?)
25.04.11, 23:58:22
55555
geändert von: 55555 - 25.04.11, 23:59:00
Anfangs wurde eine Vollzeiteinrichtung für autistische Kinder genannt. Solche Heime internieren autistische Kinder im Grunde wie autistische Erwachsene so, daß sie praktisch gar nicht mehr frei rauskommen und ihnen im Grunde der gesamte Tagesverlauf diktiert wird. Solche Einrichtungen verhindern meist auch möglichst zu vertraulichen Kontakt zwischen den Insassen, da das Rebellion verursachen könnte und so der Gefügigkeit entgegenstehen könnte. Mit heutigem Menschenrechtsverständnis hat das eigentlich nichts mehr zu tun, aller versuchter Schönfärberei der Heimindustrie zum Trotz.
26.04.11, 22:20:39
Fundevogel
Bei der Hilfe zur Entscheidungsfindung, ein Arbeitgebermodell mit PB oder ambulant betreutes Wohnen zu empfehlen, ist die Gefahr groß, dass Interessen von Einrichtungen ins Spiel kommen. Gerade Eltern sind mit dem Sicherheitsargument zu ködern: "Wir kümmern uns um ihr Kind, und wenn es nicht klappt, ist ja immer noch die Einrichtung im Hintergrund, in die es dann überführt werden kann".
Eltern, die ihrem Kind wenig zutrauen, begleiten selten in ein Arbeitgebermodell, was den erwachsenen Autisten in eine wesentlich freiere und unabhängigere Position versetzen würde.
Um ein Beispiel zu nennen: 20 Betreuungsstunden im ambulant betreuten Wohnen kosten monatlich ca. 1.000,00 EURO.
Mit dem gleichen Betrag könnte ein Autist(1.000,00 € als PB ausgezahlt) Miete und Nebenkosten einer eigenen Wohnung bezahlen, seinen Lebensunterhalt bestreiten, Assistenz für 20 Stunden als Arbeitgebermodell (400,00-€-Job) einstellen und einen Fahrdienst in Anspruch nehmen, wenn Auto- oder Busverkehr nicht möglich ist.
Den Eltern muss man deutlich sagen: Selbsterhaltungsgedanken von Einrichtungen und Interessenkollisionen von Mitarbeitern kommen in "Clearings" nie zur Sprache und die Zerstörung des Selbstwertgefühls ihres jugendlichen/erwachsenen Kindes ist bei den bewertenden Fachleuten meist ebenfalls kein Thema.
Ich sehe aber auch ab und an da, wo aufgeklärt wird, ein verändertes Verhalten gegenüber Autisten und bin optimistisch, dass sich ihre Lebensbedingungen zum Besseren wenden werden.