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das unerträgliche gebrüll der vögel...

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14.03.11, 12:26:57

godiva

heute haben wir 20 grad draußen. also reiße ich alle fenster auf, um den winter rauszublasen. versuche nebenbei etwas zu arbeiten. (ach ja, passt auch irgendwie hierher: ich studiere michel foucault, "wahnsinn und gesellschaft". der erklärt, wie die heute noch beliebte praxis enstehen konnte, leute, die geistig etwas anders ticken, aus dem rest der gesellschaft ausschließen zu wollen.)

jeeedenfalls: ich kann mich einfach nicht konzentrieren. wohl genau deswegen habe ich bei dem schönen aspie-quiz auf der wahrnehmungs-schiene etwas autistisches bestätig bekommen. ich kann geräusche einfach nicht aus meiner gesamtwahrnehmung ausblenden. gerüche auch nicht. (benutzt Ihr weichspüler? grauenhaft...)

meine frage: geht das hier noch jemandem so? niemand versteht mich, in meinem umfeld. außer vielleicht mein söhnchen, der mir mehr und mehr autist zu sein scheint.
gestern hat irgendwer bei uns im hof in seiner wohnung staub gesaugt. kennt hier jemand diesen ekelhaften pfeifton, den das indirekte geräusch eines staubsaugers erzeugen kann, wenn er weit genug weg ist? ich konnte mich überhaupt nicht mehr auf die eigentlich geschätzten gespräche mit den nachbarn konzentrieren.
beim spazierengehen höre ich diese marder-verscheuch-dinger in den autos. meine eltern haben ein spinnen-vertreibungsgerät in der steckdose stecken. das ist immer das erste, was ich tun muß, wenn ich bei denen ankomme: das furchtbare teil entfernen.
versteht mich hier einer? gibts andere beispiele?

ich liebe vögel. schlage jedes unbekannte vögelchen im buch nach, kann ihre gesänge gut unterscheiden. aber beim kant- oder foucault-lesen muß ich leider im zimmer ersticken, weil ich ihr gebrüll dann einfach nicht ertrage...
14.03.11, 13:01:27

Leah

Die Geräusche an sich stören ich nicht, sondern die Veränderung der Geräusche nach der Winterzeit. Im Winter ist es ja aufgrund meist geschlossener Fenster recht ruhig, was Geräusche von ausserhalb angeht. Öffnet man aber nun wegen der milden Witterung die Fenster finde ich es jedes Jahr wieder problematisch, wie sich die Geräuschkulisse in Vergleich zur Winterzeit ändert und es macht mir sehr zu schaffen. Ebenso schwierig ist für mich die Änderung des Sonnenstandes übers Jahr (insbesondere im Frühling und Herbst).
14.03.11, 13:24:12

Antika

Ich bin sehr Geräusche-empfindlich und mir tun manche Gesänge der Vögel recht weh auf den Ohren. Aber auch das Gebrumme einer Hummel, die einige Meter entfernt an mir vorbei fliegt, ist für mein Gehör schon zu laut. Im Sommer verbringe ich daher die meiste Zeit im Haus, nur im Winter halte ich mich öfters auch draußen auf, denn da ist es dann allgemein ruhiger draußen.

Habe vor einem halben Jahr mal einen Hörtest machen lassen und mir wurde gesagt, dass ich zu den sehr wenigen Menschen gehören würde die so intensiv hören. Zum Abschluss des Tests sagte man mir dann: "Mein Gott, die Welt muss für sie ja schrecklich laut sein. Wie halten sie das nur aus?"

Ja, eine gut Frage. Für mich ist das alles Lärm der mir Stress verursacht, und dann steigt mein Blutdruck.
14.03.11, 16:18:28

mockingbird

Das Staubsaugerpfeifen kenne ich, ja. Vögel sind mir leider schon zu viel, wenn ich
mich nicht auf irgend was konzentrieren muss. Marderschreck hab ich bisher noch nicht
gehört, und bitte, es wäre schön, wenn ich wenigstens von einigen Geräuschen
verschont bleiben könnte. Der fiepende Strom in den Wänden und die flirrenden
Energiesparlampen reichen mir völlig ...

Weichspüler: no way! Ich wasche meine Wäsche mit Soda, werde demnächst Waschnüsse
ausprobieren. Und auch sehr gerne genommen für die Steckdose: diese Dinger, die
dann einen synthetischen Raum"duft" absondern. Da setzen sich bei mir sofort alle
Nebenhöhlen und Stirnhöhlen zu. Das bringt aber auch nichts, dieser "Duft"
durchdringt sogar das!
14.03.11, 20:27:38

elfenohr

Weichspüler ist auch bei uns ein absolutes No-Go! :)


Wobei mein Mann den Geruch dieses Zeugs noch weniger mag als ich. Mich stört auch das klebrige Gefühl auf der Haut, wenn die Wäsche mit Weichspüler gewaschen wurde.

Wir hatten mal einen Dyson-Staubsauger, dass war, als würde man mit einer Flugzeugturbine durchs Wohnzimmer sausen! Hoch und fiepend der Ton. Tinitus-fördernd.
Jetzt haben wir einen angenehm leisen Sauger, dummerweise saugt der grad halb so gut.

Ich mag Schnee und Nebel, dann ist die Welt so herrlich ruhig!
Im Sommer gehts auch, da dämpfen die Blätter den Strassenlärm.

In meiner Bundeswehrzeit hab ich regelmässig Hörtests machen müssen, meistens sagte man mir:" Warum drücken Sie schon, bevor Sie einen Ton hören?" "Mach ich nicht!" "Doch, Sie schummeln." Idioten...

Vögel stören mich nicht!
14.03.11, 21:15:57

Antika

Menschen die nicht wirklich ein Problem mit dem Hören haben, schneiden bei einem Hörtest eigentlich immer ganz gut ab. Viele hören schon sehr früh den ersten Ton den man ihnen über die Kopfhörer einspielt. Bei mir wurde jedoch noch die Schmerzempfindlichkeit ermittelt, also ab wann ein Ton für mich unangenehm wird. Da scheinen die meisten Menschen eine hohe Schmerzgrenze zu haben. Meine ist sehr weit unten, also Töne und Geräusche die für andere noch "normal"/erträglich sind, sind für mich schon unerträglich/tun mir weh.
14.03.11, 21:21:45

godiva

@ elfenohr - dann passt ja Dein name so richtig! das mit dem schummeln beim test ist lustig...

eigentlich geht das ganze hier ja schon in richtung "enthinderung" - von wem auch immer.
natürlich, den vögeln kann man das brüllen nicht verbieten und sie sollen ja ruhig, ist ja ein gutes zeichen. obwohl ich letztens erst gelesen hatte, daß die in städten, überhaupt in menschennähe auch lauter pfeifen müssen, damit sie vom jeweiligen "gesprächspartner" gehört werden. das kostet auf alle fälle mehr kraft und kann sich negativ auf ihre lebenserwartung auswirken.

letzte woche grad wurde ein gesetz oder sowas verabschieded über die verpflichtung zur hörbarkeit von elektrofahrzeugen. seit tagen überlege ich immer mal wieder, wie man aus diesem dilemma rauskommen könnte: da sind diese autos schon verhältnismäßig leise, aber damit man sie im gewohnten straßenverkehr bemerkt, vor allem als fußgänger und radfahrer, sollen sie jetzt wieder eine geräuschkulisse verpasst bekommen! unfassbar. man soll auch hören können, ob die dinger auf- oder abtouren, also beschleunigung usw. würde man sich auf eine art signal einigen, wäre auch das ja wieder nur eine weitere akustische umweltverschmutzung...

in meinem lieblings-radiosender (weil da ruhig gesprochen wird und es keine werbung gibt) haben sie grad letzten herbst, als vor meiner tür die straße aufgerissen wurde für eine fernwärme-leitung, die keiner braucht, auf die bedeutung von meditation und ähnlichem verwiesen. es war eine ganze sendung über lärm. die haben mich mit ihrer bemerkung sehr gut treffen können, daß doch eigentlich nur der leidet, der sich durch lärm belästigen läßt. wenn diese empfindlichen leute wege suchen und finden würden, mit lärmbelastung besser umzugehen, also sich nicht aufzuregen und vielleicht meditieren würden oder so, wäre doch schon ein bißchen geholfen. das hat mich beeindruckt.
aber die kehrseite dieser idee wäre dann: wenn sich alle aktiv darin trainieren, lärm besser wegzustecken (bzw. durch schlicht passiv abschaltendes, "normales", wesen), kann der lärm umso mehr um sich greifen. und was wird aus menschen (und tieren), die sich nicht dagegen wappnen können? also ist eigentlich die idee, mir als empfindlichem menschen den schwarzen peter und eine handlungsaufforderung zuzuschieben, auch nur wieder kosmetik. das problem an sich bleibt bestehen...
14.03.11, 22:16:34

55555

Elektroautos sollen lauter werden, damit Blinde sie hören können. An sich hatte ich bisher nicht den Eindruck, daß Autisten allgemein von natürlicher Umgebung überfordert werden (wenn sie generell nicht anderweitig nahezu chronisch überfordert sind und daher weit weniger zu kompensieren in der Lage sind), aber es wäre ein interessantes Thema.

Wenn Autisten etwas von ihrer eigenen inneren Ordnung her interessiert blenden sie äußere Reize ja schonmal aus. Vielleicht war das Buch nicht in dem Sinne interessant?
14.03.11, 23:37:45

godiva

das mit den blinden (kinder übrigens hatten sie auch namentlich genannt) ist mir schon klar. trotzdem sollte man auch versuchen, andere lösungen zu finden, als sofort in die alten muster zurückzufallen, die uns die ratternden stinkenden autos von damals vorgelegt haben. schlimm genug, daß bereits die moderneren karren mit extra verstärkten motorgeräuschen zurechtgebastelt werden. eine so schnelle lösung verstellt m. e. den blick für eventuell ganz andere möglichkeiten. es gibt schon genug krach auf der welt...
(der designer philippe starck hat irgendwann mal gesagt: "wir wollten wärme, keine heizungen." - ich will sicherheit, aber keinen krach.)

es wird einfach immer schlimmer bei mir. am buch liegts nicht... ich kann auch nicht mehr auf dem balkon lesen. eben daher hatte ich mir die idee mit dem meditieren ja auch gesagt sein lassen. wahrscheinlich kann ich einfach nicht mehr richtig kompensieren, könnte schon sein... bin aber alles andere als autismus-diagnostiziert. aber trotzdem schön, hier mal gleichgesinnte zu finden. z.b. wegen der marder-warner werde ich meist nur schräg angeguckt...
15.03.11, 05:44:08

mockingbird

Ich bin meistens im Ausblende-Modus, wenn ich in der Stadt unterwegs sein muß.
Grade das Ausblenden verbraucht bei mir viel Energie - ich stehe also vor der Wahl,
ob ich mein Nervenkostüm schone oder meinen Energiehaushalt.

Ich mache regelmäßig ein sogenanntes Alpha-Training (irreführende Bezeichnung,
nur so am Rande) und das hilft mir, in vielen Bereichen eine bessere Stabilität und innere
Balance aufrecht zu erhalten. Dadurch kann ich mehr Stressoren handhaben, als
das vorher der Fall war - obwohl sich auch bei mir die Empfindsamkeit immer stärker
bemerkbar macht.

Wenn der Verkehr vollständig auf Elektro umgestellt werden würde, bräuchten sich
die leisen Autos natürlich akustisch nicht gegen die normalen durchzusetzen... aber
dann hätten wir die Straßen voller Elektrofiepen, oder?! Oder fahren die Dinger mit
Gleichstrom?
15.03.11, 09:02:40

Antika

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, kann ich nichts ausblenden. Ich wüsste gar nicht wie so etwas zu machen ist. Ich brauche meine volle Konzentration um mich zurecht zu finden, um nichts zu vergessen was ich besorgen muss. Das ganze Gewusel in der Stadt, die Werbeansagen in den Geschäften, Handys die ständig bei irgendjemandem klingeln, Parfum-Wolken die mich umgeben und vieles mehr, machen mir in diesen Augenblicken sehr zu schaffen.

Am schlimmsten finde ich jedoch wenn ich im Supermarkt unterwegs bin. Da werden die Waren meistens gerade in den Regalen eingeräumt wenn ich zum Einkauf unterwegs bin. Die Mitarbeiter des Marktes in dem ich früh morgens einkaufen gehe, schmeißen die leeren Plastik-Kisten immer auf den Boden. Das tut mir vielleicht auf den Ohren weh. Ich wundere mich dann immer dass die das nicht merken wie laut sie doch sind. Für mich scheinen die meisten Menschen schwerhörig zu sein, denn sie scheinen solche Geräusche überhaupt nicht wahr zu nehmen.

Ich glaube es ist ein Unterschied ob man viele Geräusche wahrnimmt und dann versucht (durch Meditation oder was auch immer) einige von diesen Geräuschen auszublenden, oder ob man viele Geräusche gleichzeitig zu laut wahrnimmt. Auch da könnte man versuchen einige von diesen Geräuschen auszublenden. Jedoch die wenigen die dann noch übrig bleiben, sind ja immer noch zu laut und schmerzen auf den Ohren.

Es spielt also keine Rolle ob ein Vogel gerade auf meiner Fensterbank sitzt und seinen Gesang tätigt, eine Hummel in drei Meter Entfernung an mir vorbei fliegt, oder ob ein Mensch in meiner Nähe nur mit mir spricht. Beides ist für meine Ohren zu laut.
15.03.11, 10:06:28

godiva

geändert von: godiva - 15.03.11, 10:07:09

das mit dem vergessen, was man besorgen wollte, kenne ich auch! das ist der grund, stimmt! war mir gar nicht klar. mein mann hält mich immer nur für vergesslich, aber wahrscheinlich ticke ich wirklich ein bißchen anders. ich renne los mit großen vorhaben und erledige am ende nur die hälfte. wenn die einräumer im supermarkt zu laut sind, geh ich eventuell in großem bogen um die rum und vergesse die butter, weil die in diesem gang steht. wenn ich unterwegs nen marienkäfer oder ne schnecke mitten auf dem weg sitzen sehe, wo der nächste nichtssehende sie platt machen wird, muß ich die halt an die seite setzen und vergesse darüber, daß ich noch am briefkasten vorbei wollte. das ist mein leben und ich steh immer da als die "zerstreute professorin"...

das hummel-beispiel ist süß.
ich hab früher in meiner alten wohnung im zweiten stock die mäuse schreien gehört, wenn unsere katzen sie im garten unten gejagt haben. da bin ich immer losgerast und hab ihnen ihre opfer entrissen. manche hats geschafft dadurch. die katzen bekommen ja futter und ich bin gerne der buh-mann, hab ich kein problem damit.
wir hatten mal wintergoldhähnchen vor dem fenster. die piepen so hoch, daß mein mitbewohner die nicht gehört hat und mich für verrückt gehalten hat. erst als man sie sehen konnte, hat er mir geglaubt. die sind wunderhübsch und die kleinsten vögel in unseren breiten...
ein "hyper-gehör" kann also auch vorteile haben...
 
 
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