leben mit einem autisten - wer kann helfen?
09.12.07, 22:06:07
Samantha
ich bin völlig unbedarft. für mich waren autisten bisher - bitte nicht übel nehmen - leute, die über hugga hugga nicht hinaus kommen. was man halt so hört-liest, wenn man nichts damit zu tun hat.
jetzt habe ich vor einigen wochen einen mann kennen gelernt, an dem mir sehr viel liegt.
gut, mir ist einiges aufgefallen, aber "in unserem alter " ( 40+) hat ja jeder seine macken.
was mir auffiel:
schreibt nur sms, telefoniert nicht mit mir
mußte ihm beim kennen lernen alles "aus der nase ziehen" wobei 95% trotzdem drin blieben
will mich sehen und "kann dann plötzlich nicht"
die kommunikation allgemein sofern überhaupt vorhanden gestaltet sich recht fad, wobei ich immer noch hoffte, es könnte sich ändern, wenn "der knoten erstmal platzt". hat ja jeder seine hemmungen und ängste.
als es heute ein wenig eskalierte und ich ihm zu verstehen gab, dass er doch bleiben solle wo der pfeffer wächst wenn er nicht wölle und dann nich so zu tun brauch als ob, kam auf einmal der satz (o-ton)
"ich hab dich wirklich sehr gerne, aber ich bin leicht autistisch....." ich kann nicht alles von einem auf den andern tag ändern"
was soll ich darunter verstehen? was genau unterscheidet "autisten" von "normalen" menschen? womit muß ich rechnen und wie soll ich damit umgehen?
wie kann ich ihm helfen, sein gleichgewicht zu finden?
wo liegt überhaupt die ursache?
tausend fragen...
09.12.07, 23:00:18
drvaust
Hallo Samantha!
Gut daß Du Dich erkundigst, Dir liegt also etwas an ihm. Hier kannst Du Antworten finden. Lies Dir die vorhandenen Texte durch, da wirst Du schon viele Antworten finden. Bei konkreten Problemen frage.
"ich hab dich wirklich sehr gerne, aber ich bin leicht autistisch....." ich kann nicht alles von einem auf den andern tag ändern"
Vermutlich kannst Du das ihm voll glauben, er braucht Zeit, um sich umzugewöhnen.
Kurz: Autismus ist eine neurologische Andersartigkeit, angeboren. Soziale Regeln sind schwerer zu verstehen bzw. fremd. Es kommt schneller zu einer Reizüberlastung, weil die Reize schlechter gefiltert werden können. Ordnung und Routine ist sehr wichtig. Nähe ist ein Problem, besser auf Distanz (z.B. schriftliche Kommunikation {SMS} statt direkt {Telefon}), mit der Vertrautheit kann die Distanz reduziert werden. Andeutungen, Körpersprache, 'zwischen den Zeilen' u.ä. wird schlecht verstanden, direkte Aussagen sind besser, es ist so gemeint wie gesagt. Smalltalk ist sinnloses belastendes Gelaber, gesprochen wird über konkrete Sachen.
10.12.07, 01:50:26
Samantha
ich kann das alles nicht einordnen. anfragen-wünsch sich zus ehen kamen von ihm,. kurz vorher dann dann manchmal eine absage mit gründen, die die ausrede klar erkennen liesen.
(muß noch was arbeiten - klar ich komm später noch - mir geht auf einmal nicht gut...)
wenn wir dann zusammen sind, ist aber er derjenge, der definitiv (vor alem) die körperliche nähe sucht.
einmal hatte ich freunde eingeladen, die reinste katastrophe. der mann saß da mit verschränkten armen wie ein stockfisch.
allgemein ist ihm alles, was unternehmungen anbelangt "egal" und ich soll mir "was einfallen lassen". tue ichs dann (s.o. - freunde einladen z.b.) scheint es aber auch nicht recht.
habe hier gestöbert, aber diese thema ist wohl sowas von vielschichtig, vor allem für jemaden, der sich noch nie damit beschäftigt hat.
das meiste was ich hier lese trifft definitiv nicht zu. und was hat das mögen oder nicht-mögen von h-milch mit autismus zu tun?
was heißt in dem zusammenhang "soziale regeln"?
ja, mir liegt sehr viel an ihm.
ich kann es nicht erklären, meine umwelt - freunde können es nicht verstehen. ich bin eine sehr optimistische, lebesfrohe natur zu der der spruch "wenn das leben dir zitronen schenkt, mach limonade draus" wohl am besten paßt. keine disko-queen, aber freund von wochenendunternehmungen etc.
ich würde gerne wissen, worauf ich drauf und dran bin mich hier einzulassen und wie ich damit am besten umgehe bzw. welche wege es gibt, dass beide damit umgehen und glücklich werden können.
11.12.07, 01:15:33
drvaust
einmal hatte ich freunde eingeladen, die reinste katastrophe. der mann saß da mit verschränkten armen wie ein stockfisch.
Autisten fühlen sich in Gesellschaft nicht besonders gut, das kann überfordern. Deine Freunde sind für ihn vermutlich Fremde. Mir passiert es manchmal sogar unter Freunden und Bekannten, daß ich nicht mehr richtig klarkomme, nicht weiß wie ich mich verhalten soll, am liebsten weglaufen würde.
was hat das mögen oder nicht-mögen von h-milch mit autismus zu tun?
Vermutlich Nichts. Hier geht es nicht nur um Autismus.
was heißt in dem zusammenhang "soziale regeln"?
In Gruppen gibt es bestimmte Regeln, die nicht richtig logisch sind. Z.B. wer darf wo sitzen, wer darf ungefragt seine Meinung sagen, wer muß sich um den Kaffee kümmern und saubermachen, Höflichkeitsfloskeln usw.. Das kann man zwar teilweise lernen, aber erlernt ist nicht so gut wie empfunden. Hierarchien sind z.B. ein Problem, für mich ist ein Mensch ein Mensch, egal ob Konzernchef oder Hilfskraft, aber ich muß die Menschen, je nach Rang, verschieden behandeln.
ich würde gerne wissen, worauf ich drauf und dran bin mich hier einzulassen und wie ich damit am besten umgehe bzw. welche wege es gibt, dass beide damit umgehen und glücklich werden können.
Schwer allgemein zu sagen, Autismus ist vielfältig. Er brauch vermutlich eine relativ feste Ordnung und regelmäßige Routinen, also möglichst keine spontanen Aktionen, sondern regelmäßige geplante Aktionen. Vermutlich sind hektische Menschenmassen, z.B. wilde Partys, nicht sein Ding.
Zu Partnerschaften kann ich nicht viel sagen, ich habe damit kaum Erfahrung, komme damit nicht richtig klar. Aber Andere hier haben damit Erfahrung, leben in festen Partnerschaften, es geht also.
11.12.07, 08:17:06
Zweiblum
der mann saß da mit verschränkten armen wie ein stockfisch.
Das war wohl seine Version einer Notabschaltung kurz vor dem drohenden Overload.
Wenn man ihn aus dieser Rückzugshaltung herausgedrängt hätte - was wäre als nächstes passiert?
Vermutlich weäre er an die Decke gegangen wie das klassische HB-Männchen. :o
11.12.07, 09:38:00
Samantha
die sache mit den freunden war mit sicherheit kein guter einfall, das ist mir jetzt auch klar. zu dem zeitpunkt hatte ich ja keinerlei ahnung, ich hielt ihn einfach für ein bissel über-schüchtern und meine freunde ( ein pärchen) sind von einer art, dass sie fast mit jedem gut können und immer ein thema finden.
freund von vollen veranstaltungen is er sicher nich, kann ich aber nach einem nervenzsammenbruch auch nicht mehr wirklich ab. tanzen gehen ja, aber dann will ich platz zum tanzen und mir nicht wünschen müssen, meine füße seien noch 2 nummern kleiner damit man sie mal bewegen könnte.
feste routine - sieht eher nicht so aus. auf jeden fall weiß ich, dass er sehr verschieden aufsteht und auch den tag ( er ist selbstädnig, recht erfolgreich mit eigener firma - wie paßt das zusammen? nächste größe frage) den tag sich so gestaltet, wie es ihm gerade in den kopf kommt.
es ist eher so, dass spontane aktionen "sms - hast nen kaffee für mich" klappen und vorgeplante - ansage mittwoch "sehen wir uns freitag abend" in die hose gehen. dann fällt ihm freitag nachmittag auf einmal ein, dass er noch ne menge arbeit hat und freitag abend geht es ihm zufälliger weise gar nicht gut.
kontakt nach nähe geht mehr von ihm as von mir aus. wenn wir gemeinsam übernachten, will er absolut nicht auf "seine bettseite" wechseln, obwohl es ja nun wirklich ne totale umstellung ist, auch wenn es schön ist so arm in arm. aber schlafen tut natürlich keienr so wirklich.
in dem zusammenhang ist mir schon am anfang aufgefallen, dass sobald es richtung körperlichen kontakt gint - das begann schon mit den ersten küssen die "schüchternheit wie weggeblasen, von einer sekunde auf die andre nicht mehr existent war.
11.12.07, 10:43:54
Zweiblum
die "schüchternheit wie weggeblasen, von einer sekunde auf die andre nicht mehr existent
Autismus hat nixhts mit Schüchternheit zu tun.
wenn Berührungen erst einmal zugelassen werden, also eine Vertrautheit vorhanden ist, kann durchaus auch mal die Post abgehen. ;)
11.12.07, 11:19:20
Samantha
aber nach zwei tagen? und wie kann jemand eine firma führen, wo beratungen, auftragsbeschaffung etc. zum muß gehören und somit durchsetzungsvermögen, verbale reaktionsfähigeit etc. zwingend erforderlich ist und gleichzeitig privat auf gut deutsch gesagt die gusche nicht aufkriegen?
für mich paßt das nicht zusammen.
ich kann das nicht einordnen.
bisher war für mich jemand entweder zurückhaltend oder offen. hier wie da.
deshalb hoffe ich ja, dass es mir hier einer erklärt.
er scheint dazu zumindest noch nicht in der lage zu sein.
ich weiß auch nicht, ob er eine diagnose hat oder der gedanke mehr aus eigendiagnose entspring.
wenn ich mich hier so durchlese, dann denke ich, dass es sich sicher schon um eine art autismus handeln kann, aber ebensogut ein (kindliches?) verdrängtes trauma die ursache sein könnte.
oder seht ihr das anders.
danke für die hilfe und die komentare.
11.12.07, 11:28:56
Samantha
[quote="drvaust] In Gruppen gibt es bestimmte Regeln, die nicht richtig logisch sind. Z.B. wer darf wo sitzen, wer darf ungefragt seine Meinung sagen, wer muß sich um den Kaffee kümmern und saubermachen, Höflichkeitsfloskeln usw.. Das kann man zwar teilweise lernen, aber erlernt ist nicht so gut wie empfunden. Hierarchien sind z.B. ein Problem, für mich ist ein Mensch ein Mensch, egal ob Konzernchef oder Hilfskraft, aber ich muß die Menschen, je nach Rang, verschieden behandeln.
[quote]
nun, das tue ich zum beispiel auch nicht. aber wissend und bewußt. sicher gibt es eingebildete "oben" die nicht verkraften können,dass man sie nicht wie goldenen fliegendreck behandelt. ich habe aber ebenso die erfahrung gemacht, dass mich leute, die "wirklich wer sind" genau deshalb respektieren. kratzbuckler hängen denen genug am hintern.
aber ich verstehe, was du meinst.
ich bin bewußt so, autisten können die regeln nicht "sehen" sozusagen. nicht in zusammenhang bringen.
da gab es zum beispiel eine sache, die löste bei mir das große kopfschütteln aus. er hatte arbeitstechnisch in der nächsten größeren stadt zu tun und kam abends auf die idee, ob ich nicht lust hätte mitzufahren. gesagt getan.
ich war 3h einkaufen, während er arbeiten mußte.
danach bringt er es doch fertig, mich nachmittag gegen zwei ins auto zu packen und wieder schnurstracks nach hause zu fahren. ich war so baff, dass ich nicht wußte, was ich dazu sagensollte. für mich war klar, dass man so ne gemeinsame fahrt wenn schon mit arbeit verbunden dazu nutzt, um hinterher noch ein paar stunden mit weihnachtsmarktbummel oder im cafe zu verbringen.
darauf angesprochen kam dann nur die reaktion "war halt nur so ne spontane idee". aber keinerlei erklärung für diesn für mich abslolut undenkbaren stil eines "ausflugs".
11.12.07, 12:20:31
Zweiblum
Irgendwie kann ich das so richtig nachempfinden.
diesn für mich abslolut undenkbaren stil eines "ausflugs".
Er wollte nach einem vermtlich für ihn anstrengenden Arbeitstag wenigstens die Fahrt mit dir gemeinsam genießen.
und du wolltest...
Zitat:
noch ein paar stunden mit weihnachtsmarktbummel oder im cafe verbringen.
... also dich mit ihm zusammen
unter andere Menschen mischen. Was für ihn wohl wieder eine Überlastung bedeutet hätte.
Er wollte also "traute Zweisamkeit", du wolltest
action.
Ich könnte mir vorstellen, daß er das auch mitgemacht hätte - sobald die Heimfahrt reibungslos verlaufen ist und er etwas Zeit zur Entspannung hatte.
Entscheidend dabei sollte sein, daß er selbst den Druck regeln kann, dem er sich auszusetzen bereit ist.
Dies ist natürlich nur mein persönlicher Eindruck dazu.
11.12.07, 14:14:18
Samantha
also bedeudet für einen autisten bereits das, was ich als feierabendentspannung sehe, stress. überlastung. ähnlich als würde man mich nach einem 14 stunden umzugsmarathon vom 4. in den viertenstock ohne fahrstuhl zum dauertanzen in die disko hetzen wollen.
woher kommt dieses phänomen-krankheitsbild der wie immer man es bezeichnet eigentlich?
genetisch bedingt-defekt?
trauma?
beides?
ist die hier oft angesprochene agressionsbereitschaft (die ich persönlich aber nicht erlebt habe) als unbehagen über die eigene "unfähigkeit" des "nicht mit halten könnens" oder eben so, wie ich auf 5x höheren stress auch reagiere. wenn ich was wichtiges mache, wo ich mich konzentrieren muß und es babbert mich wer sinnlos zu, dann geh ich ja auch an die decke?
ist eine behutsame öffnung und angstabbau möglich und würde es dem autisten selbst gut tun, ein "normales" leben zu führen oder nicht?
ich würde instinktiv so anfangen, dass ich sage, schreiben wir doch mails. weitergehend dann: "wenn du was zu sagen hast und bekommst es nicht hin, schreibs auf. dann setz dich zu mir auf die couch und lies es vor." ich könnte dann ja ebenso darauf antworten.
ich weiß nicht, ob ich falsche dinge miteinander verknüpfe. ich habe das kundtun meines willens so gelernt, "eigentherapie" sozusagen. hatte bei mir aber "nur" den grund, dass ich von haus aus nicht streitfähig war, weil ich es nie lernte und anfangs (vor 20 jahren) mal dachte, man müsse sich blind verstehen.
ich hoffe mal dieses forum ist wirklich fettnäpfchenfrei und ich trete keinem auf den schlips mit meinen unwissenden äußerungen.
ich möchte lernen, verstehen und niemanden beleidigen.
11.12.07, 14:47:28
Zweiblum
überlastung. ähnlich als würde man mich nach einem 14 stunden umzugsmarathon vom 4. in den viertenstock ohne fahrstuhl zum dauertanzen in die disko hetzen wollen.
Volltreffer, würde ich mal sagen. :o
Zitat:
woher kommt dieses phänomen-krankheitsbild der wie immer man es bezeichnet eigentlich?
Gute Frage. Das wollen wohl alle hier wissen. ;)
Zitat:
würde es dem autisten selbst gut tun, ein "normales" leben zu führen oder nicht?
Das ist ein problem. Die Ansicht, was ein "normales" Leben ist, gehen zwischen Auisten und NTs ziemlich auseinander.
Zitat:
" schreibs auf. dann setz dich zu mir auf die couch und lies es vor." ich könnte dann ja ebenso darauf antworten.
Die Idee gefällt mir. :)
Zitat:
hatte bei mir aber "nur" den grund, dass ich von haus aus nicht streitfähig war
wie jetzt - kann man das erlernen, streiten zu können? :?