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leben mit einem autisten - wer kann helfen?

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12.12.07, 01:57:04

drvaust

Zitat von Samantha:
du sprichst von der bevorzugung sachlicher grundsätze vor emotionen.
Da hast Du mich missverstanden. Ich meinte klare sachliche Aussagen, ohne Andeutungen und Hintergedanken. Wenn ich etwas sage, dann ist das grundsätzlich so gemeint, wie ich das sage. Wenn ich über Probleme spreche, meine ich nur die Probleme. Dann deute ich nicht an, daß der Gesprächspartner, oder ein anderer, diese Probleme verursacht hat. Wenn ich jemand lobe, dann meine ich nicht, daß dieser mir bitte mal einen Gefallen tun soll. Aber in der Gesellschaft wird eine Aussage meistens ausgelegt und gedeutet, was zu Missverständnissen führen kann. Das Leben ist schon kompliziert genug, da sollte nicht auch noch die Kommunikation kompliziert sein.
Andererseits sind Autisten in der Öffentlichkeit oft besonders sachlich, um Verwirrungen zu vermeiden.
Zitat von Samantha:
an anderer stelle dieses forums lese ich immer wieder, das NA's als die oberflächlichen bezeichnet werden.
oberflächlichkeit heißt für mich ohne tiefgreifende beziehung-emotion zum gegenüber und widerspricht sich von der seite aus.
Mal ein Beispiel von mir. In der Schulzeit hatte ich über die schnell wechselnden Beziehungen meiner Mitschüler gestaunt. Früh waren das die besten Freunde, in der ersten Pause haben die sich geprügelt, in der zweiten Pause gemeinsam andere verprügelt, dann ging es wieder gegeneinander usw.. Wenn ich Freundschaft schließe, dann muß ich den anderen gut kennen und habe mir das gut überlegt, dann meine ich das für lange Zeit, dann beende ich die Freundschaft nicht nach einer Stunde. Außerdem mache ich etwas, daß ich mache, richtig. Ich habe mich damals nicht geprügelt (wurde nur oft verprügelt), aber als ich mit 15 Jahren erstmals zurückschlug, gab es nicht nur blaue Flecke, da war der andere krankenhausreif, das war Haß und eine Mordswut.
Zitat von Samantha:
noch eine ehrliche frage: bist du schon immer so, dass du emotionen-berührungen meidest oder ist das eventuell ein reflektionsverhalten auf das unverständis deiner umwelt dir gegenüber?
die frage kommt von daher, da ich auch viele menschen kenne, die ohne autist zu sein aus entäuschung, angst - vor möglicher verletzung und/oder erneuter enttäuschung niemanden mehr an sich ranlassen und lieber selbst verletzen.
Ja und nein.
Ich war als kleines Kind sehr offen emotional, habe offen meine Gefühle gezeigt. Das habe ich mir, aus den Gründen, die Du nennst, abgewöhnt, ich habe mich verschlossen, aber nicht übermäßig.
Jedoch habe ich schon als kleines Kind niemand richtig an mich herangelassen, bin Menschen aus dem Weg gegangen. Das hatte zugenommen, bis ich ca. 14 Jahre alt war, aber dann habe ich bewußt versucht, mich den Menschen zu nähern (anders hätte ich nicht richtig leben können). Emotionen zeige ich jetzt wenig, abgesehen von Ausbrüchen und in sehr vertrauter Umgebung. Aber ich kann Menschen jetzt wieder näher an mich heranlassen und auf Menschen zugehen. Nur eine Mindestdistanz, die größer als bei anderen ist, muß bleiben, sonst könnte ich durchdrehen.
Berührungen und zu starke Nähe vertrage ich schon immer nicht. Emotional bin ich nicht übermäßig verschlossen, aber ich zeige wenig Emotionen, weil ich mit den Menschen um mich wenig interagiere. Manchmal zeige ich Emotionen und außer mir weiß niemand warum.
12.12.07, 08:01:46

Zweiblum

Zitat von Samantha:
ich weiß nicht, wie du das verstanden haben wolltest.
falls es eine ehrliche frage war und keine ironie

Geh mal davon aus, daß das immer zutrifft, solange du dich unter Autisten bewegst. Ironie ist eher selten und wird dann meistens deutlich als solche gekennzeichnet.
Fehlt ein siolcher Hinweis, ist die Frage ernst gemeint.

Zitat:
ich meine positives streiten,

Ja, das meinte ich auch - und das ist es was mir fehlt.


Zitat:
dann hab ich mich die nächsten 3 jahre hingesetzt und mich sozsagen um 180 grad gedreht.
wenn dus so siehst: ja, man kann es lernen.

Und genau das ist es was ichj nicht verstehe. So wie du es sagst, klingt es, als sei es ein Lehrstoff, den man büffeln kann. Wie Eine Fremdsprache.



Ich neige nämlich auch dazu, einem DStreit aus dem Weg zu gehen, indem ich mich in die Schmollecke zurückziehe. :(
12.12.07, 08:08:14

Zweiblum

Zitat von Samantha:
es ist ein schwingen seiner seele, die reinheit seines charakters, seine offenheit, auch wenn sie sich aufgrund verbaler hemmnisse anders ausdrückt.
dieser mensch ist nicht von der alltäglich oberflächlichen art. er ist echt. tief im innern.


Schön gesagt. :)
Das sollte man einrahmen und übers Sofa hängen.
12.12.07, 09:28:27

Samantha

Zitat von Zweiblum:


Zitat:
dann hab ich mich die nächsten 3 jahre hingesetzt und mich sozsagen um 180 grad gedreht.
wenn dus so siehst: ja, man kann es lernen.

Und genau das ist es was ichj nicht verstehe. So wie du es sagst, klingt es, als sei es ein Lehrstoff, den man büffeln kann. Wie Eine Fremdsprache.


genauso hab ichs auch gemeint. lernstoff ist schon richtig ausgedrückt.

meine eltern hatten nie meinungsverschiedenheiten, nicht mal in der art, dass einer nur gesagt hätte:" ich möchte dahin" und der andre: da waren wir doch erst, lass uns doch dorthin fahren".
kontakte-freundschaften zu anderen paaren gab es nicht.

so nahm ich dieses verhalten als normalität einer funktionierenden beziehung mit in die welt.

als ich merkte was ich da tat oder besser darauf gestoßen wurde, fing ich an gedichte zu schreiben. ich mußte mich selbst und meine wünsche ja erstmal für mich definieren, bevor ich sie versuchen konnte nach außen zu tragen.
wer nicht weiß, wer er ist und was er will, kann sich andern auch nicht mitteilen.

ich kenne diese gefühl von "einem klos im hals" wenn man eigentlich etwas sagen möchte, es auch dringend nötig ist und man es trotzdem nicht raus bekommt oder später zumindest nicht so, wie man es eigentlich sagen wollte.

letztendlich staut sich alles auf, bis die "bombe platzt" und der andre fällt dann logischerweise aus allen wolken, da er ja keine ahnung von dem schweelbrand hatte.

insgesamt hab ich ca. 3 jahre gebraucht bis ich in der lage war, in dem moment, wo mir etwas aufstößt mich hinzustellen und ohne gekreische und verletzenden untertönen ganz klar zu sagen: du, das hat mir jetzt nicht gefallen weil: ich das so und so verstehe, empfinde etc.

deshalb kann ich nur sagen, setz dich hin, mit zettel und stift, schreibs auf. lies es selber durch, frage dich ob das, was da steht, das ist was du sagen willst. und wenn du 3 tage zu brauchst. ich kann nun keine garantie geben, dass es bei dir genauso funktioniert wie bei mir. ich kann nur meine erfahrungen weiter geben.

gerne auch per pn oder mail, wenn dir das hilft.
12.12.07, 14:41:17

arlette

Zitat von Samantha:
und wie kann jemand eine firma führen, wo beratungen, auftragsbeschaffung etc. zum muß gehören und somit durchsetzungsvermögen, verbale reaktionsfähigeit etc. zwingend erforderlich ist und gleichzeitig privat auf gut deutsch gesagt die gusche nicht aufkriegen?

weil im ersten bereich klare aufträge, ziele und regeln ersichtlich sind. was für den zweiten bereich schlicht und einfach nicht gilt.

Zitat von Samantha:
wenn ich mich hier so durchlese, dann denke ich, dass es sich sicher schon um eine art autismus handeln kann, aber ebensogut ein (kindliches?) verdrängtes trauma die ursache sein könnte.

das muss eine fachperson entscheiden. ich halte es für gefährlich, aufgrund laiendiagnosen oder vermutungen zu agieren.
12.12.07, 18:42:26

Samantha

geändert von: Samantha - 12.12.07, 18:44:04

Zitat von arlette:

weil im ersten bereich klare aufträge, ziele und regeln ersichtlich sind. was für den zweiten bereich schlicht und einfach nicht gilt.


du meinst also, das könnte sich mit der zeit ändern, wenn er mehr sicherheit im umgang mit mir hat?

Zitat von arlette:

das muss eine fachperson entscheiden. ich halte es für gefährlich, aufgrund laiendiagnosen oder vermutungen zu agieren.


da hast du sicher recht, nur wäre kopf in den sand stecken und sicher auch die verkehrte lösung. ich suche ja auch nur nach möglichkeiten und verständnis und nicht nach einer privaten terapieform.
und solange der mann nicht willens-in der lage ist darüber zu reden, kann ich nur versuchen, auf anderm weg - hier - grundlagen zu erlernen, wie ich ihn am besten verstehe und vermeide dinge zu tun, die ihm weh tun könnten. indem ich aus unwissenheit zum beispiel gekrängt oder frustriert reagiere.
12.12.07, 19:02:46

Samantha

Zitat von drvaust:
Da hast Du mich missverstanden. Ich meinte klare sachliche Aussagen, ohne Andeutungen und Hintergedanken. Wenn ich etwas sage, dann ist das grundsätzlich so gemeint, wie ich das sage. Wenn ich über Probleme spreche, meine ich nur die Probleme. Dann deute ich nicht an, daß der Gesprächspartner, oder ein anderer, diese Probleme verursacht hat. Wenn ich jemand lobe, dann meine ich nicht, daß dieser mir bitte mal einen Gefallen tun soll. Aber in der Gesellschaft wird eine Aussage meistens ausgelegt und gedeutet, was zu Missverständnissen führen kann. Das Leben ist schon kompliziert genug, da sollte nicht auch noch die Kommunikation kompliziert sein.
Andererseits sind Autisten in der Öffentlichkeit oft besonders sachlich, um Verwirrungen zu vermeiden.


da hatte ich dich dann wirklich total mißverstanden.

Zitat von drvaust:
Mal ein Beispiel von mir. In der Schulzeit hatte ich über die schnell wechselnden Beziehungen meiner Mitschüler gestaunt. Früh waren das die besten Freunde, in der ersten Pause haben die sich geprügelt, in der zweiten Pause gemeinsam andere verprügelt, dann ging es wieder gegeneinander usw.. Wenn ich Freundschaft schließe, dann muß ich den anderen gut kennen und habe mir das gut überlegt, dann meine ich das für lange Zeit, dann beende ich die Freundschaft nicht nach einer Stunde.
Schulzeit..da probieren sich ja alle aus, die einen auf die eine und die andern auf die andre weise. das würde ich nicht überbewerten. wobei auch dort bereits die anfänge für das gesellschaftlich provozierte egiostische kosten-nutzen-verhalten gelegt wird. du bist nur solange interessant, wie der interessent nutzen aus deiner bekanntschaft zieht. das hat meines erachtens aber nichts mit autismus zu tun, sondern ist ein geschellschaftliches problem, dem sich die meisten anpassen und einige verweigern. ich bin mit sicherheit nicht autistisch. ich spiel das dumme spiel trotzdem nicht mit. nicht weil ich es nicht kann, sondern weil ich es nicht will. in einem alten singel-profil hatte ich mal folgendes motto:

wenn feigheit vor der ehrlichkeit als rücksichtnahme deklariert wird und der weg des geringsten widerstandes als toleranz bezeichnet wird, bevorzuge ich rücksichtslose egoisten...

uns ist die zwischenmenschliche innigkeit verloren gegangen. die fähigkeit, vertrauen zu können und vertrauen zu geben. das sehe ich als krankheit unserer zeit.


Zitat von drvaust:
Außerdem mache ich etwas, daß ich mache, richtig. Ich habe mich damals nicht geprügelt (wurde nur oft verprügelt), aber als ich mit 15 Jahren erstmals zurückschlug, gab es nicht nur blaue Flecke, da war der andere krankenhausreif, das war Haß und eine Mordswut.
diesen teil würde ich persönlich wieder eher in richtung unfähigkeit, zum richtigen zeitpunkt grenzen zu setzen sehen. mir ging es ähnlich, allerdings ohne dass ich jemanden prügelte (mädels sind wohl zahmer). wenn du die möglichkeit gehabt hättest, vor überschreiten der hassgrenze ein NEIN verbindlich festzulegen, wäre es nicht so weit gekommen.

Zitat von drvaust:
Nur eine Mindestdistanz, die größer als bei anderen ist, muß bleiben, sonst könnte ich durchdrehen.
Berührungen und zu starke Nähe vertrage ich schon immer nicht. Emotional bin ich nicht übermäßig verschlossen, aber ich zeige wenig Emotionen, weil ich mit den Menschen um mich wenig interagiere. Manchmal zeige ich Emotionen und außer mir weiß niemand warum.

das kann ich nicht nachvolziehen bzw. einordnen. warum brauchst du diesen abstand und könntest sonst durchdrehen? wie fühlen sich berührungen für dich an, dass sie dir unerträglich erscheinen? körperlich schmerzend, vereinnahmend...wie würdest du es bezeichnen? und wie durchdrehen? mit einem schrei "laßt mich alle in ruhe" oder was definierst du mit durchdrehen in dem zusammenhang?

12.12.07, 19:27:43

Linde

Hallo Samantha,
ehrlichgesagt habe ich das Gefühl, du solltest dich mehr mit dir beschäftigen. Vielleicht willst du ihm helfen, ihn "retten", ihn therapieren, aber das funktioniert nicht innerhalb einer Beziehung.

Zitat:
meine eltern hatten nie meinungsverschiedenheiten, nicht mal in der art, dass einer nur gesagt hätte:" ich möchte dahin" und der andre: da waren wir doch erst, lass uns doch dorthin fahren".

Es hört sich für mich so an, als ob du ihn jetzt bei ihm (noch schwieriger als mit deinen Eltern) streiten üben willst. Wahrscheinlich durftest du früher gar nicht streiten, es war eine nicht ausgesprochene Regel in eurem Haus.
Du bewegst dich extrem weg von dir, vielleicht um eigene Defizite zu verdecken oder aufzuarbeiten.
Ich hoffe, ich bin dir jetzt nicht zu nahe getreten.
VG Linde
12.12.07, 19:54:24

Samantha

geändert von: Samantha - 13.12.07, 01:20:32

[quote="Linde"]Hallo Samantha,
ehrlichgesagt habe ich das Gefühl, du solltest dich mehr mit dir beschäftigen. Vielleicht willst du ihm helfen, ihn "retten", ihn therapieren, aber das funktioniert nicht innerhalb einer Beziehung.
Zitat:

wie kommst du darauf? was hat verstehen wollen, um richtig zu reagieren mit "retten" und "therapieren" zu tun?
[quote="Linde"]
Zitat:
meine eltern hatten nie meinungsverschiedenheiten, nicht mal in der art, dass einer nur gesagt hätte:" ich möchte dahin" und der andre: da waren wir doch erst, lass uns doch dorthin fahren".

Es hört sich für mich so an, als ob du ihn jetzt bei ihm (noch schwieriger als mit deinen Eltern) streiten üben willst. Wahrscheinlich durftest du früher gar nicht streiten, es war eine nicht ausgesprochene Regel in eurem Haus.
Du bewegst dich extrem weg von dir, vielleicht um eigene Defizite zu verdecken oder aufzuarbeiten.
Ich hoffe, ich bin dir jetzt nicht zu nahe getreten.
VG Linde


diese passage gehörte zur erklärung, woher ich meine defizite der streitfähigkeit hatte. es war eine persönliche unterhaltung mit zweiblum und hat nichts mit meinem freund zu tun.
wo liest du die grundlage für deine schlußfolgerung?

ps: mir zu nahe zu treten ist ziemlich schwer.
mein manko wenn es denn ein solches ist, liegt eher darin, dass ich dinge schwer akzeptieren kann, wenn ich keine begründung dafür habe.

nach dem motto "lass mich in ruhe weil ich total gestresst bin" kann ich akzeptieren.

einfach "lass mich in ruhe" nicht. da kommt unwilkürlich die frage warum?!

12.12.07, 20:00:51

Linde

Hallo Samantha,
ich habe nichts herausgelesen, sondern es war mein Gefühl. Wenn es nicht so sein sollte, ist es ja auch okay. Ich glaube nur, wenn man mit einem Menschen eine Beziehung führen will, muss man gar nicht soviel vom anderen verstehen (so lehrbuchmäßig), sondern man sollte seinen Gefühlen trauen dürfen. Aber das ist meine persönliche Meinung.
VG Linde
12.12.07, 20:10:35

Samantha

und ich hab halt oft genug und schmerzhaft genug erlebt, dass genau das nicht funktioniert. auf liebe und nachgeben aus leibe läßt sich keine beziehung aufbauen. das mündest spätestens nach 5 jahren in der katastrophe. oder in einer wohngemeinschaft, wenn die bewuemlichkeit stärker ist.
12.12.07, 22:36:54

Shiva

Hallo Samantha. Ich bin selbst Aspie (noch selbstdiagnostiziert, aber deswegen nicht unbedingt weniger wert) und habe eine Beziehung zu einem Nicht-Aspie. Das erste Jahr war eine Katastrophe! Ich kämpfte um jeden Zentimeter Freiheit und Ruhe (obwohl ich natürlich auch Nähe mochte), er kämpfte dagegen an und versuchte, mich festzuhalten, weil er es missverstand. Im Grunde genommen hatten wir ständig mit Missverständnissen zu kämpfen. Einfach ist das alles nicht. Es hat auch lange gebraucht, bis ich endlich verstanden habe, warum alle Versuche, die verbissene Situation zu ändern, scheiterten.

Mein Freund hörte auf, Erwartungen an mich zu stellen. Ich hatte (so wie dein Freund) das Glück, dass er sich damit auseinander gesetzt hat und gemerkt hat, dass er immer mehr Druck auf mich ausgeübt hatte mit seinen Erwartungen. Wir sind immer noch in einer Art Aufbauphase und müssen unsere Grenzen neu auskundschaften, diesmal mit dem Verstehen und Wissen im Hinterkopf.

Einige wichtige Dinge haben sich dabei herauskristallisiert.
Wir haben oft Kommunikationsprobleme, weil ich häufig nicht reden kann. Da ist einfach eine Barriere. Du musst dir das bei mir vorstellen, dass ich in zwei Welten lebe. Die eine Welt ist meine autistische. Die andere Welt ist die, in der alle leben und sich äußern und zeigen. Nun soll ich meine autistische Welt jemandem mitteilen. Ich weiß in dem Moment nicht, wie ich das anstellen soll, meine Gedanken nach außen zu tragen. Es ist wirklich verzwickt. Oft hilft es mittlerweile, dann zu schreiben. Das ist manchmal sehr viel einfacher, als zu reden. Vielleicht hilft es euch, Briefe zu schreiben, oder euch am PC MSN oder ähnliches zuzulegen, wo man "spontaner" miteinander schreiben kann.

Dann verstehe ich zuviel wortwörtlich. Darüber kann schnell Unzufriedenheit entstehen, weil ich entweder etwas in meiner anders funktionierenden Logik anders verstehe, als er es gemeint hat, oder ich Dinge, die er sagt, ernster betrachte, als er es vielleicht tut. Früher wurmte ihn das, dass ich alles mit meiner Logik "zerpflückt" habe, z. B. auch seine romantische Art, mit der ich nicht soviel anfangen konnte. Das hat ihn wahnsinnig gemacht. Brachte er mir Blumen mit, die er unterwegs gepflückt hat, stellte ich fest, dass diese Blumen jetzt sterben müssen. Das war wohl nicht die Reaktion, die er sich erhofft hatte. Oder wenn er Dinge sagte: "Ich werde dich für immer und ewig lieben!" fragte ich verwundert, woher er das wisse. Das ist nicht einmal böse gemeint, ich mache mir eben über andere Dinge Gedanken als er. Hilfreich ist es da, wenn er jetzt klarere Äußerungen macht, die ich verstehe. Genauso hilfreich ist es, wenn ich ihm meine Logik erkläre. Manchmal versteht er mich dann sogar. Es ändert nichts an seiner oder meiner Sichtweise, aber wir können uns gegenseitig dolmetschen. Er erklärt mir manchmal, warum diese oder jene mir nicht verständliche Verhaltensregeln vorhanden sind und was sie bedeuten, ich erkläre ihm dann meine Sichtweise, die für mich sehr logisch aufgebaut ist. Er sagt zwar, ich denke oft zuviel nach, aber er akzeptiert das, dass ich andere Gedankengänge verfolge. Vielleicht kannst du mit deinem Freund auch so eine Ebene finden? Versuche, deutlicher zu werden in deinen Aussagen und nimm ihn ernst, wenn er vielleicht eine (für dich) verquere Logik hat.

Manchmal habe ich für mich gewisse "Ziele" oder "Pläne" vor Augen, die so dominant sind, dass alles andere in den Hintergrund rutscht. Wenn ich dann feststelle, ich habe gleich eine Verabredung, möchte aber jetzt eigentlich viel lieber das Buch weiterlesen, fühle ich mich sehr unruhig und genervt. Das kann mitunter auch dazu führen, dass ich spontan einer Verabredung absage, weil ich keine Lust habe. Das liegt jedoch nicht an der Person, mit der ich mich verabredet habe, sondern an mir selbst, ich habe einfach mehr Lust, zu lesen. Ich könnte mich natürlich trotzdem mit dieser Person treffen, dann aber würde ich mich vermutlich sehr ungehalten benehmen und unruhig bleiben und den Moment, an dem die Person geht, nicht mehr erwarten können. Natürlich kann ich nicht beurteilen, warum dein Partner Verabredungen absagt. Ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass sein Berufsleben für ihn sehr anstrengend ist. Er muss unter Menschen sein, Druck aushalten, Konversationen führen, kritisieren und Kritik einstecken, planen, mit Unvorhergesehenem rechnen usw. Viele autistisch veranlagte Menschen versuchen auch, sich zu "verbiegen", um in der für ihn nicht so ganz normalen Welt zurechtzukommen. Er hat schließlich auch Wünsche und Ziele vor Augen. Vielleicht ist er abends dann tatsächlich zu kaputt? Ich zum Beispiel muss nach der Arbeit Ruhe haben. Diese Ruhe findet man in dem Moment in sich selbst. Mich persönlich kann es da schon stören, wenn da nur eine Person anwesend ist.

Naja, und gut wäre, wenn du keine Erwartungshaltung ihm gegenüber hast, denn die wird er vermutlich eh nicht erfüllen können. Ihr solltet einfach einen Weg finden, wir ihr gut miteinander kommunizieren könnt. Wenn er im Moment nicht reden kann, sondern dich lieber in den Arm nimmt, dann ist es gut so, denke ich, denn er versucht ja, mit dir zu kommunizieren. Das "in den Arm nehmen" symbolisiert ja auch etwas. Setz ihn nicht unter Druck, aber du kannst ja zum Beispiel äußern, dass wenn ihm das Reden so schwer fällt, er dir auch einen Brief oder eine E-Mail schreiben kann.

Reizüberflutung ist auch bei mir ein Problem. Die kann jederzeit und jeden Tag auftreten, und ja, so ein Besuch auf dem Rummel ist wirklich nicht entspannend (zumindest für mich). Stell dir vor, du hättest Kopfschmerzen, und sollst dir dann all diesen Trouble antun, all die hellen bunten vielen Lichter, die Gerüche, der vielschichtige Lärm, all die Menschen um einen herum, die einen vielleicht noch beim Vorbeigehen aus Versehen berühren. Und du kannst das alles gar nicht filtern, weil es alles mit gleicher Intensität auf dich einstürmt. Da willst du mit Sicherheit auch nur noch weg. Mein Freund hat mittlerweile ein Verständnis für meine Symbole, wenn mir etwas zuviel ist. Meist reicht es, wenn ich mir die Ohren zuhalte und die Augen zukneife. Das sagt ihm dann einfach "Hilfe, es ist mir zuviel, zu laut, ich ertrage das gerade gar nicht!" Auf viele Dinge muss er mich auch seelisch vorbereiten. Ich kann zwar sehr spontan sein, kommt jedoch Spontanität von einer anderen Person, kann ich damit sehr schwer umgehen. Auch sind gewisse "Änderungen" nicht leicht zu ertragen.

Mehr kann ich im Moment auch nicht an Tips geben, eine Patentlösung gibt es ja leider nicht für eine Beziehung.
 
 
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