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Autor Nachricht
Lebensblume
(Autistenbereich (neu))

Zitat von 55555:
Wenn jemand dazu neigt mündlich "die Kontrolle zu verlieren", "sich gehen zu lassen" dann ist er auf diese Weise vermutlich schon besonders intensiv ansprechbar, zumindest auf eine bestimmte dann doch recht vorherrschende Weise? Dann würde Schriftlichkeit da eher dazu dienen die eigene eher mündliche Neigung unter einer Art Kontrolle zu halten?

Ich denke, dass in diesem Falle schon sehr differenziert werden sollte, was genau denn unter Kontrolle gehalten würde. Es könnte ja etwas sein, das einen behindert, sich selbst in seiner ganzen Fülle auszudrücken. Ebenso könnte es etwas sein, das gegenteilig wirkt, nämlich etwas, das noch "raus" aus der Seele soll/will, weil es nicht gänzlich zu einem gehört, vielleicht einer Konditionierung entspricht - und in einer mündlichen Konversation seinen Ausdruck findet, wodurch es bewusst wird und freigelassen werden kann.

Ich finde es recht heikel, einen Menschen zu verurteilen, nur weil er sich "mal gehen lässt". Genau dieses "Gehenlassen" kann Befreiung pur sein - es kann aber auch - und dies entscheidet das Individuum wohl selbst, eine weitere Gelegenheit dafür sein, sich zu verleugnen, indem es sich "des Friedens willen" oder um "gefällig zu sein" anpasst. Massgeblich ist also immer, wie das Individuum damit umgeht, wenn es "Schwäche" gezeigt hat. Gerät es deswegen in eine Selbstanklage, zerfleischt es sich - oder bevorzugt es eine offene Haltung, indem es weiterhin kommunikationsbereit bleibt, jedoch niemanden dazu drängt, wenn es nicht aus tiefstem Herzen gewollt wird.

Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen
17.10.21, 15:15:12
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feder
(Autistenbereich)

Ich kann in diesem Thread keine Verurteilung erkennen.
17.10.21, 16:53:30
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Lebensblume
(Autistenbereich (neu))

Zitat von feder:
Ich kann in diesem Thread keine Verurteilung erkennen.

Ja. Aber vielleicht könntest Du es, wenn jemand Dir etwas absprechen würde, das Du zutiefst magst, das Dir entspricht und wozu Du auch stehst. Nur aufgrund dessen, weil Du einmal "Schwäche" gezeigt hast.

Es könnte ja sein, dass meine Worte einem anderen Leser weiterhelfen, dem es ähnlich erginge. Ich denke, dass ein Forum auch dazu dient, nicht alles, was geschrieben steht, nur aus seinem eigenen Horizont heraus verstehen zu wollen. Ich habe hier etwas geteilt - aber niemanden dazu gezwungen, dieses als das Seine zu betrachten.

Ich bin ein Mensch der Schriftlichkeit, der in einem Umfeld gross wurde, das mich mit seinen Wortsalven oft beinahe erdrückte, sodass ich sehr wortkarg, und deshalb "verurteilt" wurde. Man schämte sich meiner, weil ich in Menschengesellschaften kaum etwas sagte, warf es mir ständig vor und diskriminierte mich dadurch.

Im Verlauf der Jahre lernte ich zu sprechen, auch in Gesellschaften, wenn es sein musste - aber nie gerne und nie von Herzen.

Und nun? Heute bin ich im Frieden damit, dass ich zwar sprechen kann, jedoch auch meine grosse Liebe zum Schreiben entdeckt habe. Weshalb sollte ich mir einreden lassen, dass ich damit etwas kontrollieren will? Wer kann denn schon beurteilen, was es für mich bedeutet, mündlich mit einer fremden Person um einer Sache willen zu kommunizieren, weil es anders nicht geht? Es braucht Mut, seine diesbezügliche Hemmschwelle zu überwinden und etwas zu tun, das einen fast überfordert, weil man einerseits zuhören und sich merken muss, was der andere am Telefon spricht - und andererseits gewisse "Formen" zu wahren hat - sich also kontrollieren sollte.

Da kann es durchaus geschehen, dass mal etwas "rausrutscht", was nicht unbedingt als günstig einzustufen ist - mit der momentanen Überforderungssituation jedoch durchaus erklärbar wäre. Also wenn dann schon von Kontrolle gesprochen wird, ist es viel eher das Mündliche, das hier einer Kontrolle bedarf - und nicht das Schriftliche.

Zusammenfassend möchte ich mit meinen Ausführungen hier betonen, dass Verallgemeinerung nicht in jedem Falle zielführend ist.




Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen
17.10.21, 17:55:01
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feder
(Autistenbereich)

Ich habe mir erlaubt, dir in einem geschützteren Bereich zu antworten: Link.
17.10.21, 22:15:03
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mor
(Autistenbereich)

geändert von: mor - 18.10.21, 06:32:10

Zitat von 55555:
Vielleicht läßt sich das bei vielen Leuten auch gar nicht so pauschal sagen?

Ja. Eventuell bei mir auch nicht so genau.

In Forum kann ich ja eigentlich nur schriftlich mich mitteilen. Mir ist zumindest kein Autistenforum bekannt, wo telefonisch kommuniziert wird.

Im Leben "draußen" in meiner Umgebung( von meinem Wohnort) mit Freunden und anderen Leuten ist meine Sprache eher mündlich. Da gibt es eher nicht so oft schriftlichen Verkehr. Außer, wenn meine Freunde/Bekannte außerhalb meiner Umgebung wohnen (Ausland, und auch sehr weit weg entfernt von mir).

Mit Familienangehörigen ist es unterschiedlich mündlich aber auch schriftlich.
Daher kann ich bei mir nicht so genau deuten, was ich genau bevorzuge. Und es kommt auch auf die Situationen an. Manche kann ich eher schriftlich besser lösen, manche wohl eher mündlich?

Zitat von Lebensblume:
Kommunikation ist eine Begegnung zwischen zwei oder mehreren Menschen.

Es gibt auch Menschen, die kommunizieren ( mündliches Sprechen) auch mit sich selber. Ich rede manchmal auch mündlich in meiner Wohnung, auch wenn keiner außer mir drinnen ist.

Zitat von feder:
verbringe ich einen Grossteil meines Arbeitstages mit Menschen mündlich zu reden und habe auch kein Problem damit.
Auf meiner Arbeit ist es mal schriftlich, mal mündlich. Auf der Arbeit kann bzw sollte ich nicht viel Zeit verschwenden, meine Antwort schriftlich zu formulieren. Daher wird auch viel mündlich ausgetauscht.

Zitat von Lebensblume:
Da kann es durchaus geschehen, dass mal etwas "rausrutscht", was nicht unbedingt als günstig einzustufen ist - mit der momentanen Überforderungssituation jedoch durchaus erklärbar wäre.

Anscheinend gibt es auch Menschen, die in schriftlicher Kommunikation besser sind als in mündlicher. Sie reden dann wohl anders, als sie in schritlicher Form tun.

In schriftlicher Form der Kommunkation hat man mehr Zeit, seine Antwort besser durchzudenken. In mündlicher Form wohl eher nicht. In mündlicher Form der Sprache erwartet der Gegenüber schneller eine Antwort als in schriftlicher Form?

Wenn man in mündlicher Sprache kommuniziert, kann man Worte nicht mehr zurücknehmen. Die sind dann ausgesprochen.
In schriftlicher Form der Sprache, kann beim Erstellen der Antwort manche Wörter oder Sätze überdacht und gelöscht oder anders formuliert werden. In schriftlicher Form sieht man normalerweise nicht die Mimik des Gegenübers. Und, bei schriftlicher Sprache kann man solange man Internet hat, den Schriftverkehr immer wieder nachlesen, solange man nichts davon löscht. Und, man kann Antworten vom Gegenüber immer wieder neu rausholen und auf entsprechende Antworten/Fragen des Gegenübers eingehen, die man vorher nicht in der Lage war zu beantworten oder noch keine Antwort darauf hatte, zu der Zeit.
18.10.21, 06:30:28
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Ich habe ja vor allem irritierend oft das Gefühl, daß anderen mündliche Kommunikation dann doch eigentlich irgendwie viel bedeutet und das auch ganz praktisch schriftliche Kommunikation so überschattet, daß sie im Empfinden der anderen Personen schon deutlicher in den Hintergrund gerückt wird und deswegen dann auch nicht so wirklich sicher funktioniert.

Ein Faktor dabei mag unter anderem auch schon sein, daß jemand schriftlich zeitweise überhaupt als aufnahmefähig erlebt wird, ob man den Eindruck hat die selbst geäußerten Worte würden "recht ungefiltert" oder überhaupt zu ausreichenden Anteilen beim anderen ankommen. Und das ist wohl schon auch öfters der Fall bei Leuten, die in stimmlichem oder körperlichem Kontakt irgendwie "mehr erleben" nach ihrem Empfinden. Da bricht sich solche Veranlagung dann einfach gnadenlos Bahn, immer und immer wieder und nicht nur was dieses Detail angeht.

Viele Autisten empfinden dann eigentlich schon auch mehr in soeiner Richtung, auch wenn sie in Autistenforen vieleicht schnell mal schreiben, sie würden lieber schriftlich kommunizieren?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
18.10.21, 14:42:48
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Lebensblume
(Autistenbereich (neu))

Zitat von 55555:

Viele Autisten empfinden dann eigentlich schon auch mehr in soeiner Richtung, auch wenn sie in Autistenforen vieleicht schnell mal schreiben, sie würden lieber schriftlich kommunizieren?

Aber kann es sein, dass jemand sehr gerne schriftlich kommuniziert und gar nicht weiss, dass er auch gerne (oder allenfalls noch lieber) mündliche Gespräche führt?
Woran könnte dies bei sich selbst besser erkannt werden? Welche konkreten Nachteile würde die Unwissenheit über die tatsächliche Vorliebe mit sich bringen?

Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen
18.10.21, 15:11:38
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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Es ist wohl oft so, daß sich eine andere "Empfindungsweite" auftut für die Leute? Also hier eher meist für die, die körperliche oder stimmliche Erlebnisse letztlich so erfahren? Wohingegen es für Leute, denen Schrift mehr liegt, darin mehr Weite im Kontakt erfahren?

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
18.10.21, 16:15:09
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Lebensblume
(Autistenbereich (neu))

geändert von: Lebensblume - 18.10.21, 17:55:07

Könnte ganz grob definiert mündlicher Kontakt eher die körperlich-seelische, schriftlicher Kontakt eher die seelisch-geistige Ebene stimulieren?

Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen
18.10.21, 17:31:14
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feder
(Autistenbereich)

Zitat:
Aber kann es sein, dass jemand sehr gerne schriftlich kommuniziert und gar nicht weiss, dass er auch gerne (oder allenfalls noch lieber) mündliche Gespräche führt?
Wenn für jemanden Sprechen aufgrund schlechter Erfahrungen gewissermassen verheizt ist, dann bedeutet das nicht, dass diese Person ohne diese Erfahrungen nicht doch gerne sprechen würde. Veranlagung liegt für mich deutlich tiefer als solche banalen Vorlieben, die sich auch einfach aufgrund von Erfahrungen ergeben können.

Zitat:
Könnte ganz grob definiert mündlicher Kontakt eher die körperlich-seelische, schriftlicher Kontakt eher die seelisch-geistige Ebene stimulieren?
Ich setze jetzt mal voraus, dass du diese seelisch-geistige Ebene für dich als erstrebenswerter betrachtest. Ich finde es spannend, wie schnell solche Veranlagungsdinge moralisch aufgeladen wirken. Viele Menschen betrachten bestimmte Dinge als erstrebenswert, manchen Menschen fliegen diese Dinge scheinbar zu oder sie sind einfach so. Dass diese Eigenschaften/Fähigkeiten/... immer auch Nachteile mit sich bringen, wird dann oft nicht gesehen. Diese Nachteile werden i.d.R. auch nicht gewollt von denjenigen, die diese Eigenschaften/Fähigkeiten/... anstreben. Ich würde da nicht zu viel moralisches Gewicht reingeben, Menschen sind nunmal verschieden in ihrer Veranlagung.

Ich denke, es lässt sich sagen, dass mündliche Kommunikation ein deutlich grösseres Bewusstsein für den eigenen Körper und auch für denjenigen des Gegenübers voraussetzt. Das mag für eine grössere körperliche Ebene sprechen. Dass jemand der weniger körperlich ist, es geistig unbedingt einfacher hat, würde ich nicht sagen – er kann in anderer Hinsicht irgendeine falsche Abzweigung nehmen und in andere Verstrickungen hineingeraten.
18.10.21, 20:35:17
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Lebensblume
(Autistenbereich (neu))

Zitat von feder:
Ich setze jetzt mal voraus, dass du diese seelisch-geistige Ebene für dich als erstrebenswerter betrachtest.

Diese Nachteile werden i.d.R. auch nicht gewollt von denjenigen, die diese Eigenschaften/Fähigkeiten/... anstreben.

Ich habe keine Wahl, da diese Ebene mein Zuhause ist. Dort wo das Zuhause ist, gibt es vielleicht Nachteile, jedoch sieht man diese nicht so, wie andere sie sehen würden, die sich auf dieser Ebene fremd fühlen.

Zitat von feder:
Ich denke, es lässt sich sagen, dass mündliche Kommunikation ein deutlich grösseres Bewusstsein für den eigenen Körper und auch für denjenigen des Gegenübers voraussetzt.

Das denke ich auch und deshalb fehlte mir schon als kleines Kind das Gefühl für meinen Körper. Vieles, was andere automatisch durch Nachahmung lernen, war mir verschlossen. Ich habe Bezug zur Musik und zum Tanzen, jedoch nur, wenn ich für mich alleine bin und meinen Körper "bewegen" lasse. Sobald ich eine bewusste Bewegung machen will, geht nichts mehr. Der Kopf muss völlig ausgeschaltet sein und meine Aufmerksamkeit in mein Inneres gerichtet. Dann ist mein Körper vergessen und er bewegt sich von alleine - genau im Rhythmus der Musik. Aber ich weiss nicht, was er tut.

Zitat von feder:
Dass jemand der weniger körperlich ist, es geistig unbedingt einfacher hat, würde ich nicht sagen

Muss man es denn "einfacher" haben?



Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen
18.10.21, 22:24:00
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feder
(Autistenbereich)

Zitat:
Sobald ich eine bewusste Bewegung machen will, geht nichts mehr. Der Kopf muss völlig ausgeschaltet sein und meine Aufmerksamkeit in mein Inneres gerichtet. Dann ist mein Körper vergessen und er bewegt sich von alleine - genau im Rhythmus der Musik. Aber ich weiss nicht, was er tut.
Ich habe durchaus ein Gefühl für Rhythmus, aber mein Körper bewegt sich nicht, wenn ich Musik höre, auch nicht, wenn ich "mich gehen lasse". Mein Körper ist für mich bestenfalls eine Hülle, die mich von A nach B bringen kann.

Zitat:
Muss man es denn "einfacher" haben?
Nein, das schrieb ich auch nicht.
18.10.21, 22:40:56
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