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Chesterton war der einzige Schriftsteller von Rang, die einzige öffentliche Stimme, die sich gegen die von Francis Galton, dem Cousin von Darwin, begründete Eugenik erhob (sein Essay »Eugenik und andere Übel« erschien übrigens erst vor wenigen Jahren zum ersten Mal auf Deutsch). Winston Churchill war Eugeniker. Er befürwortete die Sterilisation von geistig Behinderten. Auch Chestertons Debattengegner wie Georg Bernard Shaw und H.G. Wells waren Eugeniker, die New York Times – so viel zur zeitgebundenen Weisheit von Redakteuren dieser Zeitung – unterstützte Eugenik genauso wie die Rockefellers und die Carnegies, es gab eine Gesetzgebung in England und den USA, nach der »minderwertige Menschen« (solche mit besonders niedrigem IQ) sterilisiert und in speziellen Heimen untergebracht werden durften.
Heute ist die Eugenik nicht mehr von oben angeordneter Züchtungsirrsinn, wie noch bis vor Kurzem die Geburtenkontrollen in Singapur und in China, sondern sie ist im individuellen Selbstoptimierungsbereich angekommen: Sie ist über Geburtenkontrolle, Pränataldiagnostik, Abtreibungen des Geschlechtes wegen, durch Erbgutvergleiche, aber auch durch die erneute Sterbehilfediskussion längst nicht erledigt. Chesterton müsste Kultlektüre sein, gerade heute. Und ich bin bereit, mitzumischen, mitzudenken, mitzubeten, denn ich bin Chesterton-gläubig – Chesterton: auf alle Fälle eine Epochenfigur. Geboren wurde er 1886, als das wissenschaftliche Zeitalter Triumphe einfuhr und der Atheismus als philosophische Frage wirkte. Gestorben ist er 1936, als der Atheismus politisch ernst machte und Massengräber vorbereitete.
Und Chesterton heute? Wahrscheinlich würde er als Reaktionär aussortiert! Heute würde man, statt ihn zu lesen, zunächst überprüfen, ob er Facebook-Freunde hat, die in der AfD sind oder Ähnliches. Und selbstverständlich würde man sich über seine von einigen behaupteten »antisemitischen« Ausrutscher beugen, dabei war er der Erste, der seine Stimme erhob, als in Deutschland die Hetzjagd begann und das Morden vorbereitet wurde. Nun, er war ein Liberaler und ein Star. Dass ihn heute kaum einer kennt, jenseits der Autorenschaft der Father-Brown-Krimis, ist eine Schande.