Es ist immer noch ein großer Unterschied zwischen gesellschaftlicher und privater Inklusion.
Naja. Die Gesellschaft ist in gewisser Weise aber auch nur die kollektive Summe des individuellen "Sozialdenkens". Auch in der Politik gilt: Nach außen hin gibt man sich interessiert und aufgeschlossen, aber die reale Umsetzung hat nur geringe Priorität. Es ist eher eine Art von Corporate Social Responsibility - also Teil der Marketingstrategie, dass man sich sozial gibt.
Ich habe die Erfahrung gemacht dass gut laufende Projekte eingestellt wurden bzw. andere Projekte nicht expandieren durften obwohl es viel Nachfrage und eine lange Warteliste gab. Obwohl es rechtlich festgelegt ist, dass man Recht auf Arbeit und Wohnen hat, muss man - je nach "Behinderung" - 5 Jahre oder mehr warten bis ein Platz frei wird. Viele Menschen sitzen in diesen klassischen Werkstätten oder Wohnhäusern fest weil Alternativen nicht finanziert werden. Es ist eine Art feudales Verteilungssystem bei dem die Regierenden frei bestimmen wer das Geld bekommt und wer nicht. Die alteingesessenen bleiben mit ihren Strukturen bestehen, es herrscht kein freier Markt und neue innovative Ideen bleiben auf der Strecke. Auch kein Zufall wenn in der Branche jene Dienstleister die besten Chancen haben, welche gute Verbindungen zur Politik haben. Es traut sich auch kein Unternehmen gegen diese Art der Politik aufzubegehren bzw wird es auch nicht gern gesehen wenn sich MitarbeiterInnen privat gegen diese Verhältnisse einsetzen.
Es ist also bei der Gesellschaft gleich wie beim Individuum. Nach außen hin sagt man ja, aber real gemacht wird nur ein Minimum.
Vor 30-40 Jahren war Inklusion mancherorts in so fern "weiter", dass sie geboren wurden und auch "etwas" gearbeitet haben, wie alle anderen auch,[...]
Das es in so junger Vergangenheit noch so war wusste ich nicht. Bei uns in der Gegend war es damals üblich dass man als Knecht oder Magd auf einen Bauernhof kam. Das konnte gut gehen, aber es gab auch Fälle von Sklaverei. [Wobei das Konzept an sich schon ein wenig an Sklaverei erinnerte...] Sonst eines der großen Heime oder gleich in die Psychiatrie. Letzteres hat sich erst in den 90er Jahren geändert!
Aber ich stimme dir zu, dass es damals (bzw je weiter man zurück geht) eher zu einer realen Inklusion kam als heute. Die "Behinderung" entsteht heute ja oft nur deswegen, weil wir die Menschen Anhand der erfundenen Kriterien unserer Leistungsgesellschaft bemessen. Irgendwann braucht man einen IQ von 150 und muss mit 3 Jahren Mozart spielen damit man nicht als "Behindert" gilt.
Es müsste sich an der Arbeitswelt generell etwas ändern um die natürliche Inklusion wieder zu ermöglichen. Selbst wenn die momentanen Ansätze (Arbeitsplatz mit Assistenz) ausreichend finanziert wären, so liefen diese letztlich immer noch darauf hinaus, dass man beim Staat zum Bittsteller wird, Formulare ausfüllen muss, seinen Grad des "Behindert seins" testen lassen muss (usw.) damit man am Ende diese Unterstützung bekommt.
So lange es in unserem Wirtschaftssystem weiterhin nur darum geht schneller, effizienter und mehr zu produzieren wird es keine befriedigende Lösung geben. Die Wirtschaft will nur die Besten und Einige können nur mitmachen wenn der Staat dazuzahlt.
Gäbe es ein funktionierendes System mit bedingungsloser Grundversorgung, könnten sich nicht gewinnorientierte Unternehmen entwickeln (da ja alle Mitarbeiter bereits ihre GV haben) bei denen es egal ist wie produktiv die einzelnen Mitarbeiter sind.
Rein theoretisch müsste, wenn real ein Universelles Design geschaffen würde auch das Diskriminieren der Kinder mit Down Syndrom aufhören [...]
Der Begriff "Universelles Design" hat mich angesprochen. An was denkst du da?
Ich habe diesbezüglich auch Gedanken, oder besser gesagt Vorstellungen, die auf eine "universelle" Lösung abzielen. Ich habe bei meinen Recherchen schon so viele Gebiete umstreift [zuletzt Konstruktivismus, Kybernetik, Systemtheorie], dass ich aus den vielen Teilen kein ganzes mehr "spinnen" kann; mit mehr Energie und Zeit wäre es aber vielleicht möglich einige interessante Ansätze zu entwickeln.