Zitat:
Das Wort “Kulturkreis” macht den Unterschied. Es unterstellt, dass es eben einen Kulturkreis gäbe, in dem Übergriffe zu tolerieren sind, und dem man sie auch hier nachzusehen hat. Daran hängt die ganze bislang massiv unterdrüc vermiedene Debatte, ob wir wirklich nur “Geflüchtete” aufgenommen haben, die Schutz vor Verfolgung und Integration in unsere Gesellschaft suchen, oder nicht auch Migranten aus “Kulturkreisen”, die mit unseren Wertvorstellungen nur schwer in Einklang zu bringen sind, und die es auch überhaupt nicht einsehen, wenn unser Kulturkreis ihren Kulturkreis zur Rechenschaft zieht. Es ist völlig klar, dass die zweite Überlegung hierzulande vielen als rassistisch gilt, ihre Träger als Rassisten, und die Aussage an sich als “Hatespeech” und “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit”.
Aber. Kennen Sie Grassau am Chiemsee? Ein wunderschöner Ort zwischen dem See und den Bergen, wohlhabend und freundlich, sehr touristisch, aber auch sehr lebenswert, wie die ganze Region. Grassau hat sich, wie viele Gemeinden bei uns im Oberland, schon dem Ansturm gestellt, als er vor allem über die Brennerroute in Rosenheim angekommen ist: Seit Januar 2015 gibt es in der Bücherei eine Asylothek, und schon lange vor den Hochzeiten der Migrationskrise trug der Ort seinen Teil zur Bewältigung der steigenden Zahlen bei – bereits 2012 lag der Anteil der Asylbewerber im Ort bei gut 2%. Es gab natürlich Zweifel, aber auch einen funktionierenden und eingespielten Helferkreis. Ein reicher, schöner Landkreis mit Vollbeschäftigung und Landfrauen, die zu den Asylbewerbern gehen, wenn es der Pfarrer sagt – wie so oft könnte man bei uns sagen, wir bieten ideale Bedingungen. Trotzdem geriet der Landkreis Traunstein in die Schlagzeilen, weil sich nach sexuellen Übergriffen in Übersee am Chiemsee eine Helferin bemüßigt sah, den Eltern der deutschen Mädchen Handlungsanweisungen zu geben, um so etwas zu vermeiden. Nebenbei sorgte auch noch dieser Satz für Aufsehen:
Die Asylbewerber hätten gar nicht verstanden, warum die Polizei den Mann abgeholt hätte: „Dass unser Recht hier greift, dass man sofort ins Gefängnis kommt, dass es eben keine Lappalie ist, das hat sie sehr nachdenklich gemacht. Das haben sie sich einfacher vorgestellt.“
Aber, wie gesagt, die Eltern sollten nach Meinung der Helferin mit ihren Töchtern sprechen, um solche Probleme zu vermeiden. Da war die Stimmung im Landkreis schon schlecht, vor allem, weil es eben kein Einzelfall war. Im Juni kam es im schönen Grassau nämlich auch zu einem Übergriff. Ein 25-jähriger Eritreer hatte auf einem Weg am Fluss Kontakt zu einer 15-Jährigen aufgenommen, die mit ihrem Hund spazieren ging. Laut dem Eritreer hätte man nur Belanglosigkeiten ausgetauscht. Das Mädchen dagegen berichtete, er habe versucht, sie gegen ihren erklärten Willen festzuhalten, zu begrabschen und zu küssen. Erst nach zwei Minuten gelang ihr die Flucht, der Täter wurde festgenommen, und jetzt kam es zum Prozess. Das Gericht folgte dabei weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Eritreer zu 14 Monaten Haft auf Bewährung. Davor hatte der Mann berichtet, er hätte das Mädchen für deutlich älter gehalten, hätte 9 Geschwister und wäre 2013 vor dem Armeedienst in seiner Heimat geflohen – über Italien, wo er laut Schengenabkommen Asyl beantragen müsste, statt in die Asylunterkunft Grassau weiter zu reisen. Sein Anwalt – und jetzt kommt es – sah es anders als das Opfer und das Gericht:
Wenn es um die Schuldfrage gehe, müsse auch der andere Kulturkreis des Angeklagten berücksichtigt werden, argumentierte der Verteidiger und plädierte auf Freispruch.
Sie ahnen vielleicht, was momentan bei uns in der Region so gesprochen wird. Es hat nur wenig Ähnlichkeit mit dem, was man so in den überregionalen Medien an Beschwichtigung hört. Einerseits stösst die Frechheit auf, den “anderen Kulturkreis” als Anlass für eine Straflosigkeit zu betrachten. Das macht die Leute fuchsteufelswild. Der andere Punkt ist aber: Hier wird nun ganz offen über einen Zusammenhang des ostafrikanischen Kulturkreises und sexueller Nötigung gesprochen. Das, was laut vielen deutschen Medien immer als Einzelfall zu werten ist, wird hier klar bestritten und als entlastend eingestuft. Der Mann will keine Strafe, weil er zwar etwas getan hat, aber eben aus einem anderen Kulturkreis kommt, in dem das anders bewertet wird. Das Gericht muss sich mit der Forderung des Verteidigers auseinander setzen und überlegen, ob es den Kulturkreis und seine Haltung zum sexuellen Übergriff als strafmildernd berücksichtigen will. Würde ich hier behaupten, die Angehörigen des ostafrikanische Kulturkreis nähmen im Gegensatz zu wohlgeformten Integrationsstudien das, was wir für sexuelle Übergriffe halten, eher locker, und würden nicht einsehen, dafür juristische Konsequenzen zu tragen, weil der Kulturkreis so sei – es gäbe waschkörbeweise Protestschreiben an die Herausgeber.
Die spannende Frage ist nun: Warum ist ein und dieselbe Aussage vor dem öffentlichen Gericht in Grassau für einen Eritreer ein Grund für einen Freispruch, und in der öffentlichen Debatte Grund für die Verurteilung als Rassist und Rechtsextremist. Warum gilt ein und dieselbe Aussage dem Beklagten als entlastend und im Netz als Hatespeech, zu deren Verfolgung Heiko Maas und Manuela Schwesig Task Forces und angebliche NGOs gründen und fördern. Es ist für diese Politiker ein sog. “Einzelfall” in einer von Berlin weit entfernten Region. Aber an der Frage des Kulturkreises hängt eben auch die Frage, ob die Migranten wirklich so sind, wie Politik und Medien das mit Idealbeispielen belegen wollen, oder ob der Kulturkreis, speziell bei solchen Taten, etwas ist, das man hier eher nicht einladen, über offene Grenzen holen, umsorgen, finanzieren, unterbringen, fördern und als normalen Mitbürger akzeptieren möchte. Eine Abschiebung nach Ostafrka ist in im Fall des Eritreers so gut wie ausgesachlossen. Die Leute haben Angst. Es gibt staatlich finanzierte und von Ministerien empfohlene Broschüren, die das Gefühl der Fremdheit im eigenen Land und die Bezugnahme auf negative Aspekte der Kulturkreise von Migranten als Zeichen rechtsextremer Einstellung deuten. Man hat versucht, das alles mit dem Begriff “Hatespeech” in einen Graubereich der Legalität zu schieben. Das ging eine Weile, es führte zu mehr Anzeigen und Löschungen im Internet, ohne dass man auf die Bedenken der Menschen hätte genauer eingehen müssen. Warum auch, “Háss ist keine Meinung”, sagt man in Berlin. Die eigenen Studien zeigen ein anderes Bild als das, was vor Ort erlebt wird.
Die Debatte über Kulturkreise und ihre Wirkung ist eröffnet. Vom Eritreer und seinem Versuch, den Gerichtssaal mit einem Freispruch zu verlassen, aber sie setzt sich bei den Menschen fort. Mit der bisherigen Strategie, einfach alles Unerwünschte als Hatespeech darzustellen, wird man da 2017 nicht mehr weit kommen.