Zitat:
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ Diese fordernde Beobachtung der Journalisten-Legende Hajo Friedrich ist ebenso klug wie richtig – nur wird sie immer häufiger missachtet.
Im zu Ende gehenden Jahr 2015 haben deutsche Medien sich geradezu lustvoll mit vermeintlich guten Sachen gemein gemacht. Ob Klimapolitik oder Euro-Rettung oder Pegida-Beschimpfung oder Ukrainepolitik oder Migranten-Willkommenskultur – zu viele Medien waren zu sehr damit befasst, der jeweils offiziellen Regierungspolitik nicht nur die Mikrofone zu halten, sondern die eigenen Verstärker voll aufzudrehen.
Nicht dass die Regierung bei diesen Themen grundsätzlich falsch liegen würde, aber wenn die Medien ihre kritische Kontrollfunktion nicht mehr wahrnehmen, sondern sich gemein machen mit der Macht und ihrer vorgeblichen Tugend, dann verkleinern sie sich zu gefühlten Propagandisten, dann deformieren sie die politische Kultur, dann verlieren sie Glaubwürdigkeit und Legitimation. Am Ende schadet der Konformismus des Guten der Demokratie.
Denn wenn alle nur das vermeintliche Gute der Obrigkeit wiedergeben, dann entsteht eine autoritäre Form der politischen Korrektheit. Ein Zuviel des Guten wird selber schlecht. Denn in einer Demokratie, in der Medien zu Besserungsanstalten der Nation mutieren, wird plötzlich „das Ungesagte zum Eigentlichen“ (Martin Walser). Und so kommt es, dass nach einer Allensbach-Feldforschung unglaubliche 45 Prozent der deutschen Bevölkerung behaupten, man müsse in Deutschland vorsichtig sein, seine Meinung zur Flüchtlingsfrage zu äußern.
Fast die Hälfte der Bevölkerung hält also die Meinungsfreiheit derzeit für nicht gewährleistet – ein katastrophaler Befund für Medien, die vielfältige Meinungen eigentlich sichtbar machen sollten, und auch für den Zustand unserer Demokratie.