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An diesem Wochenende soll vor dem Kanzleramt in Berlin wieder demonstriert werden. Es geht gegen den deutschen Kriegseinsatz in Syrien, gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und gegen irgendwas mit Amerika. Interessant ist, welch breites Bündnis von ganz rot bis sehr braun zur Teilnahme aufruft. Selbsternannte Abendland-Patrioten schreiten Seit an Seit mit Putin-Fans, Neonazis mit Anhängern der Linkspartei, Israel-Gegner mit Islam-Hassern.
"manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern", dichtete vor 50 Jahren Ernst Jandl: "werch ein illtum!" Das war schon damals nicht als Witz gemeint. Jandl hatte nicht vergessen, wie leicht es den Nazis wenige Jahre zuvor gefallen war, nationalistische und sozialistische Kräfte zu vereinen.
Nun ist es zum Glück noch nicht so weit wie in der Spätphase der Weimarer Republik. Doch es ist bedrohlich, wie schnell die Bewegung an Unterstützung gewinnt, wie sich große Teile der bürgerlichen Mitte radikalisieren, wie die Demokratieverachtung wächst und die Sitten verrohen. Bei einer Anti-Flüchtlingsdemo mit etwa 10.000 Teilnehmern in Dresden wurde für Angela Merkel ein Holzgalgen herumgetragen, bei einer Anti-TTIP-Demo mit etwa 200.000 Leuten in Berlin war es eine Papp-Guillotine. In beiden Fällen schien sich vor Ort niemand darüber aufzuregen.
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Wenn die neuen Populisten auf unsere Milieus zielen, kommt es jetzt darauf an, sie dort zu stellen. Die Anständigen müssen den Verängstigten entgegentreten, am Arbeitsplatz, im Sportverein, im Freundeskreis. Sie sollten es den anderen nicht durchgehen lassen, wenn Facebook-Freunde Hetzartikel aus "Compact" oder ähnlichen Blättern empfehlen, wenn Bekannte Brandanschläge verharmlosen, wenn auf öffentlichen Veranstaltungen über Flüchtlinge gelogen wird.