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"Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Oskar Gröning hat sich schuldig gemacht der Beihilfe zum Mord in 300.000 zusammenhängenden Fällen." Es ist Viertel vor 10 Uhr, als Richter Franz Kompisch diese Worte spricht, auf die die Überlebenden und Hinterbliebenen der Opfer von Auschwitz so lange gewartet haben.
Der Vorsitzende Richter der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg sagt es in aller Deutlichkeit: "Auschwitz war schlicht und ergreifend eine auf die Tötung von Menschen ausgerichtete Maschinerie." Und jeder, der daran mitgewirkt hat, hat sich der Beihilfe zum Mord strafbar gemacht. "Das, was dort geschehen ist, war damals wie heute verbrecherisch."
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Muss das nach 70 Jahren noch sein? Kann man eine juristische Aufarbeitung heute noch schaffen? Er sagt: "Die Antwort ist: Man kann auch nach 70 Jahren Gerechtigkeit schaffen und ein Urteil finden. Man muss es machen."
Gröning war ein Rädchen im Getriebe der Tötungsmaschinerie Auschwitz-Birkenau, so hatte der Angeklagte es selbst dargestellt. "Was Sie, Herr Gröning, als moralische Schuld ansehen und als Rad im Getriebe, ist genau das, was der Gesetzgeber als Beihilfe zum Mord bezeichnet", sagt der Richter. Es ist die Förderung der Ermordung der europäischen Juden, "ausgeführt von Personen wie Ihnen, Herr Gröning". Kompisch: "Sie wurden gebraucht. Man kann den Vernichtungsapparat nicht nur mit Menschen betreiben, die ihren Sadismus ausleben wollen."
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Im Konzentrationslager Auschwitz sei es zur "Zerstückelung des Tötungsvorgangs in viele kleine Teile" gekommen, "mit dem Ziel, dass sich niemand allein für all das verantwortlich fühlen sollte". Dabei trug jeder Blut an seinen Händen. "In Auschwitz durfte man nicht mitmachen." Kompisch betont jede Silbe und wiederholt es: "In Auschwitz durfte man nicht mitmachen." Gröning aber machte mit.
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"Sie waren ein ganz normaler Mensch, Herr Gröning", sagt er. "Sie hatten eine Sparkassenausbildung, trieben Sport, trafen Menschen. Sie hatten auch ein eigenes Denken. Natürlich gab es Indoktrination, aber das Denken hat bei den Menschen doch nicht aufgehört. Sie haben sich entschieden, Sie wollten dabei sein. Sie wollten zu der schneidigen, zackigen Truppe der SS gehören. Das ist eine Entscheidung." Eine Entscheidung, für die er Verantwortung trägt.