Zitat:
Du richtest dich nach der Diagnose aus Freiburg, welche aber gleichzeitig aussagt, dass du keine Autistin bist?
Das würde heißen, dass du dich auch selbst nicht als Autistin siehst.
Korrekt.
Zitat:
Da schreibst du also wieder, als wenn du dich selbst auch als Autistin sehen würdest.
Nein, dass interpretierst du da hinein. Ich spiele einfach mit, da ich mich nicht gegen die Meinung meiner Mutter wehren kann, die mittlerweile meine ganze Umwelt davon überzeugt hat.
Ich weiß auch nicht, was daran schwer zu verstehen ist, aber um es noch einfacher auszudrücken, stell dir vor, deine Mutter würde behaupten, du hättest das Tourette-Syndrom, weil du einmal fluchen würdest, weil dir ein Glas runter gefallen wäre.
Jetzt behauptet sie das aber nicht nur für sich, sondern überzeugt auch alle deine Mitmenschen davon, schleift dich zu einem Arzt und redet dem Sachen ein, die gar nicht stimmen, woraufhin dieser dir dann eine Diagnose gibt.
So ähnlich ist es mir ergangen. Da ich mich nicht gegen das wehren kann, was sie angestellt hat, versuche ich mich dementsprechend anzupassen und führe die gewünschte Rolle aus.
Ganz banal gesagt: Sie sagt, ich sei eine Katze und schafft es auch noch, dass allen Leuten glaubwürdig zu machen. Da ich als Katze dastehe, muss ich mich auch dementsprechend verhalten.
Ist hier natürlich ein blödes Beispiel, aber noch besser kann ichs glaub ich nicht erklären.
Zitat:
Siehst du dich selbst als Autistin? Oder bist du dir noch nicht sicher?
Da ich Mimik und Gestik deuten kann und eine Quasselstrippe manchmal bin eher weniger. Ich habe zwar einen Fimmel für Medizin, aber der hält sich in Grenzen.
Zitat:
Warum erkennst du die Diagnose aus Frankfurt nicht an und die aus Freiburg schon?
In Freiburg war es 1. ein Spezialist, der mich untersucht hat und der sich mit dem Syndrom auskannte. Zudem war er für Erwachsene zuständig.
2. Haben die umfangreiche Tests gemacht. Angefangen vom IQ-Test mit den typischen Aufgaben, bis zu einem Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest, Uhrentest, EQ-Test etc.
Die Testergebnisse waren ohne Befund.
3. Hat er mich und meine Mutter zusammen interviewt.
Die Diagnose aus Frankfurt dagegen erkenne ich aus folgenden Gründen nicht an:
1. Die Ärztin war nicht auf das Syndrom spezialisiert und pauschalisierte es mir zu sehr. Zugleich ist sie nur für Kinder- und Jugendliche zuständig und laut Krankenkasse falle ich nicht mehr in ihr Spektrum, was mich schon oft in Kostenschwierigkeiten gebracht hat, da die Kasse ihre Leistungen nicht zahlen will.
2. Es wurden 2 Tests für Kinder gemacht, die ich kurz schildere:
- Der 1. bestand aus einer Landkarte für Kinder. Darauf war spielerisch Amerika abgebildet. Ich sollte einfach nur sagen, was ich auf der Karte sehe. Ich sagte Berge, Menschen etc., aber nicht direkt Amerika. (Hier stellte die Ärztin die 1. Behauptung, dass ich eher auf Einzelheiten achten würde. Ich finde das aber übertrieben, zumal die Karte ja für Kinder war und die Berge hätten ja auch die Pyräneen sein können. Das stand da nicht drauf, dass es Amerika war. Ich habe also als Erwachsene zu weit gedacht. Während ein Kind nicht überlegt hätte, welche Berge es sein könnten, habe ich gedacht, es könnte jeder Berg sein, daher kann ich nicht sagen, wo sie stehen. Daraus folgt natürlich auch, das ich nicht auf Amerika schloss.)
- Beim 2. Test sollte ich eine Geschichte mit 3 Gegenständen erzählen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich keine Lust auf so einen Kinderkram hatte, da ich bereits vorher auf die Ärztin sauer war, weil sie mich während des Gesprächs mit meiner Mutter raus geschickt hatte, was ich nicht als eine Kommunikation unter Erwachsenenverhältnissen anerkenne, aber dazu später.
Auf jeden Fall erzählte ich eine banale Geschichte und wollte den Test einfach nur hinter mich bringen. Die Geschichte kann ich hier kurz beschreiben:
Anna geht mit ihrer Freund zur Eisdiele, isst ein Eis und geht dann nach Hause.
Das war auch schon die Geschichte. Eine andere hatte ich damals auch nicht erzählt.
(Daraus schloss die Ärztin, dass ich nicht kreativ sei. Was das mit Asperger zu tun hat, weiß ich auch nicht und aus so einer Geschichte, wo ich von Anfang an sage, dass ich keine Lust habe, heraus zu interpretieren, dass ich keine Kreativität hätte ist ja wohl Schwachsinn. Ich finde, da sollte sich die Ärztin erstmal Sachen anschauen, die eines Erwachsenen würdig sind, den für so einen Kinderkram bin ich zu alt und ich lasse mich auch nicht wie eine 6-jährige behandeln.)
Desweiteren hatte die Ärztin nur meine Mutter interwievt. Mir hatte sie einfach nur das Ergebnis mitgeteilt.
Im Bericht erlaubte sie sich dann die dreistesten Sachen. Sie schrieb, ich würde langsam arbeiten, was sie nicht beurteilen kann. Desweiteren schrieb sie, die Aussagen meiner Mutter seien meine gewesen. (Sowas nennt man auch Betrug.) Dann kamen so Sachen wie, dass ich nicht alleine Amtsformulare ausfüllen könnte und im Alltag angeblich nicht zurecht käme. (Hallo?! Nur weil man sich mit Hartz 4 nicht so auskennt, heißt das nicht, das man keine Amtsformulare ausfüllen kann und im Alltag habe ich ja wohl mal Null Probleme. Es kann mal sein, dass ich nicht weiß, wie ein Gerät funktioniert, aber dann erklärt man mir das und dann kann ich das auch. Ich bin ja nicht geistig behindert, was sie mir beinahe auch noch unterstellen wollte, was natürlich Quatsch ist, sonst hätte ich keine Ausbildung gemacht, die Abitur fordert.)
Zitat:
Und woran legst du das für dich fest, welche Diagnose "richtiger" ist?
Anhand dessen, wie man mit mir umgegangen ist und wie ich diagnostiziert wurde.
Ich war mit Freiburg völlig zufrieden. Als ich meine Ausbildung verlor, forderte meine Mutter den Bericht aus Freiburg. Als da drinnen stand, dass ich keinen Autismus habe, ließ sie mithilfe der Schulleitung (ich habe vorher an der Klinik gelernt) gleich einen Termin in der nächsten Kinder- und Jugendpsychiatrie machen, damit ich endlich den Stempel aufgedrückt bekäme und sie etwas hatte, womit sie ihre Aufmerksamkeit stärken konnte.
Deshalb sehe ich die Diagnostik in Frankfurt eher so, dass die Ärztin das Verlangen meiner Mutter befriedigt hat aus mir ein krankes Kind zu machen mit dem sie eine fürsorgliche Identität bekommt.
Ich muss hier was anmerken:
Ich vermute bei meiner Mutter schon lange eine Art Münchhausen-Stellvertreter bzw. Münchhausen-Syndrom.
Seit meine Oma 1992 an Krebs gestorben ist, lässt sie sich immer wieder auf alle möglichen Krebsarten überprüfen. Das ist zwar nichts schlechtes, aber sie übertreibt es einfach. Für sie ist jeder Pickel Krebs, auch bei Angehörigen. Es dürfen keine Witze über Krebs gemacht werden, nicht darüber gesprochen werden (weil sie sonst wieder sinnlos Zusammenhänge stellt und das dann in Streit ausartet.) und wenn es heißt, jemand sei schwer krank, dann hat er für sie automatisch Krebs.
Aber nicht nur Krebs, auch andere Krankheiten versucht sie mittlerweile zu diagnostizieren. Bei mir waren es schon die Bluterkrankheit, Gebärmutterhaltkrebs im Alter von 11, Epilepsie. Sie ließ mir 2 Zähne ziehen, damit meine Zahnreihen gerader wurden, was eigentlich hätte meine Entscheidung bleiben sollen, da dies immerhin auch eine Art von Verstümmelung ist.
Desweiteren musste ich früher bereits zu so vielen Psychologen, dass ich sie nicht mehr zählen kann, aber keiner fand etwas.
An allem möglichen Tagen redet sie solche Sachen wie, wenn meine Oma jetzt kommen würde, dann würde sie...
Sie redet so, als ob meine Oma noch existieren würde bzw. einfach nur weit weg in einem fernen Land wäre. Jedes Wochenende stellt sie Blumen vor ein Bild von ihr, aber das alles hilft meiner Meinung ja nichts, weil sie sich einfach nicht damit abfindet, dass meine Oma nicht mehr existiert. (Das ist leider Fakt. Wer tot ist, existiert nicht mehr, höchstens noch in Erinnerungen.)
Auch ich habe bereits Menschen verloren, aber nach einigen Wochen bzw. Monaten ging es mit der Trauer. Ich kann mir nicht vorstellen jahrelang für jemanden zu leben, den es nachweislich nicht mehr gibt. Wer tot ist, ist tot. Daran ist nichts zu ändern. Man muss sich einfach damit abfinden. Wenn man zu sehr trauert, macht man alles nur noch schlimmer. Klar kann man trauern, aber irgendwo ist doch auch eine Grenze.
Gestern war ja Muttertag und da fing das ganze schon wieder an. Wenn meine Oma noch da wäre, dann hätten wir jetzt Kaffee getrunken. Ich musste wieder frische Blumen vor ihr Bild stellen. An sich hätte ich nichts dagegen, wenn sei es nicht so dramaturgisch darstellen würde, dass meine Oma tot ist. Dieser neutrale Gesichtsausdruck, mit dem trauernden Lächeln und der bedauernden Stimme.
Ich will es nicht mehr hören und sehen.
Nicht umsonst sammele ich, seit ich 13 bin Todesdaten (von Friedhöfen, Zeitungen, aus dem Netz, es beruhigt mich) und habe mich schon als Kleinkind mit dem Tod beschäftigt. Ich habe Gräber als Schokoladentafeln gemalt und mir vorgestellt, dass meine Oma da unten wohnen würde und jedes mal wenn wir die Blumen gießen, sie das Wasser trinkt als Skelett.
Sowas ist doch definitiv nicht normal?
Die einzige Erklärung für meinen Knacks wäre mir, dass meine Mutter nie über den Tod hinweggekommen ist.
Sorry für den langen Beitrag. Mir gehts momentan nicht so gut und das eben war so, als ob man jemanden dem übel ist noch in den Magen schlägt.