Lisa M.
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Ein weiteres Fundstück aus dem Buch, das ich grade lese (Stefan Klein: Alles Zufall. Die Kraft, die unser Leben bestimmt.).
August Strindberg wurde nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe ein wenig wunderlich. Er sah Zusammenhänge überall. "Als er während eines Gewitters einen Donnerschlag hörte, eine Bibel an einer zufälligen Stelle aufschlug und den Vers 'Und kannst du donnern mit gleicher Stimme wie Er?' las, notierte er: 'Ich zweifelte nicht länger. Der Ewige hatte gesprochen.'" (S.192)
HA, das kenn' ich!!! Stefan Klein schreibt, es sei Paranoia.
"Psychiater und Literaturwissenschaftler streiten sich bis heute, ob der Dramatiker geisteskrank war oder nur reichlich überspannt. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen: Strindberg hatte paranoide Schübe, war aber anders als viele psychisch Kranke sehr wohl Herr seines Handelns." (ebd.)
Fein, kenn' ich auch! Schön ist, dass Klein schreibt, die Paranoia sei zuweilen sehr nützlich. "Grundsätzlich tut unser Gehirn gut daran, sich nicht zu schnell mit der Erklärung 'Zufall' abspeisen zu lassen. Denn in manch scheinbarer Belanglosigkeit verbirgt sich wertvolle Information." (S. 193)
Beispiele dafür sind das Entwickeln einer Theorie des Tathergangs aus Indizien und das Entdecken einer Ordnung in scheinbar zufälligen Daten in der Wissenschaft. "Tatsächlich war der Übergang von ernsthafter Wissenschaft zum Obskurantismus von jeher fließend." (S. 194)
Nicht nur Pythagoras, nein, sogar Newton war ein Eso!!! "In Newtons Privatbibliothek stapelten sich Werke über Alchimie, Kabbalistik und Zauberei. Er hoffte, nicht nur die Gesetze der Physik, sondern auch den Willen Gottes zu begreifen - in Newtons Welt war für den Zufall keinen Platz." (ebd.)
Kein Zufall scheint zu sein, dass Paranoia und Erkenntnis nah beieinander liegen. Beides beruht auf der Fähigkeit des Gehirns, Muster zu erkennen. Das spielt z.B. auch eine Rolle, wenn Babies die Muttersprache erlernen. Sie sitzen ja nicht da und pauken Vokabeln... Nein, sie erkennen sprachliche Muster, die sich häufig wiederholen, und bringen sie mit Situationen in Zusammenhang.
"Was sich bei diesem Lernvorgängen im Gehirn abspielt, hat der amerikanische Hirnforscher Gregory Berns an Erwachsenen untersucht. Seine Versuchspersonen betrachteten einen Bildschirm, auf dem in scheinbar zufälliger Reihenfolge gelbe, blaue und rote Quadrate aufleuchteten. Tatsächlich aber folgten die Farben nicht völlig wahllos aufeinander, sondern mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten - so wie nach dem Wort 'ich' sehr oft 'bin' steht, niemals 'bist'. Berns durchleuchtete währenddessen die Hirne der Teilnehmer mit einem Computertomographen und stellte fest, dass beim Beobachten der Farbfolgen das so genannte Wernicke-Areal besonders aktiv war. (...)
Die Ergebnisse des Neurobiologen Berns könnten erklären, wie diese Hirnregion funktioniert: (...) Besonders scheint es sich für logische Ordnungen zu interessieren - und damit für die Regeln, nach denen wir aus Lauten Wörter und aus Wörtern Sätze bilden. Sobald dem Wernicke-Areal etwas Außergewöhnliches auffällt, zum Beispiel sich regelmäßig wiederholende Silben und Symbole, befiehlt es dem Gehirn, sich näher mit der Sache zu befassen." (S. 195-196)
Es scheint also mächtig was dran zu sein an dem Gerücht, dass Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen. Ein hochaktives Wernicke-Areal kann zu beidem führen, je nachdem, ob man den Zweifel als ausgleichende Kraft einsetzt oder nicht.
Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
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