Zitat:
Sebastian Urbanski findet klare Worte: «Wir sind alle verdammt noch mal Menschen», sagt der 34-jährige Schauspieler mit Down-Syndrom vor Journalisten in Berlin. Er fürchtet, dass ein neuer, einfacher Bluttest bei der Mutter bald dazu beiträgt, dass noch weniger Menschen wie er überhaupt zur Welt kommen. Ein Gutachten zum «PraenaTest», der in wenigen Tagen auf den deutschen Markt kommen soll, erklärte das Produkt am Donnerstag für illegal. Ob das Folgen hat, ist offen.
Zwar darf in Deutschland kein Kind nach der zwölften Schwangerschaftswoche wegen einer zu erwartenden Behinderung abgetrieben werden. In der Praxis geschieht dies aber doch: Wenn ein Arzt einer Schwangeren eine Gefahr für den körperlichen oder seelischen Gesundheitszustand bescheinigt, kann sie auch später abtreiben. Schätzungen - die allerdings schwer nachprüfbar sind - gehen davon aus, dass neun von zehn Kindern mit Down-Syndrom gar nicht erst geboren werden.
Der Bonner Rechtswissenschaftler Klaus Ferdinand Gärditz ist sich daher sicher: Beim «PraenaTest» des Konstanzer Unternehmens «LifeCodexx» handele es sich um ein «nicht verkehrsfähiges Medizinprodukt», da es die Sicherheit und Gesundheit des Ungeborenen gezielt gefährde. Zugleich verstoße der Test gegen das Gendiagnostikgesetz, das vorgeburtliche genetische Untersuchungen nur zulasse, wenn sie rein medizinischen Zwecken dienen.
Gärditz hat das Gutachten im Auftrag des Bundesbehindertenbeauftragten Hubert Hüppe (CDU) erstellt. Der Rechtswissenschaftler erklärte, aus juristischer Sicht falle auch der ungeborene Mensch unter das Diskriminierungsverbot. Behinderten werde mit dem «PraenaTest» das Lebensrecht abgesprochen, indem sie von vornherein aussortiert würden.
Die zuständigen Landesbehörden sind aus Sicht von Gärditz gehalten zu unterbinden, dass der Bluttest in Verkehr gebracht wird. Ausgeschlossen ist aus seiner Sicht auch eine künftige Förderung des Tests durch die gesetzlichen Krankenkassen.
[...]
Auch für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, geht es in der Debatte weniger um den Bluttest, als um Pränataldiagnostik und ihre Konsequenzen insgesamt. «Unsere Gesellschaft hat sich für Pränatal-Diagnostik entschieden. Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen», sagte er der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post» (Donnerstagsausgabe).
Zitat:
Der evangelische Sozialethiker Wolfgang Huber hält nichts von einem Verbot der Pränataldiagnostik oder des Down-Syndrom-Bluttestes. "Mit Verboten hat man in diesem Bereich keine Chance, und es ist auch nicht der ethisch angemessene Weg", sagte der Berliner Altbischof am Freitag im mittelfränkischen Heilsbronn beim 6. Berufsschultag der bayerischen evangelischen Landeskirche. Es gehe vielmehr um die Stärkung "des verantwortlichen Entscheidens". Der Bildungsabschluss eines Menschen sei hierbei völlig egal. Jeder müsse fähig sein, in solchen Fragen eigene Entscheidungen zu treffen. "Niemand soll sich vorgeben lassen, was die Gesellschaft oder der Arzt von ihm erwartet."
Huber warnte auch vor einer Art Gen- oder Chromosomengläubigkeit in der Medizin: "Die wenigsten Menschen sind aus genetischen oder aus chromosomalen Gründen behindert." Die Mehrzahl der Behinderungen entstehe im Leben. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland kritisierte, dass die UN-Behindertenrechtskonvention zur Inklusion in allen Lebensbereichen umgesetzt und zugleich alles getan werde, um zu verhindern, dass auch künftig
Menschen mit Behinderung [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] zur Welt kommen. "Was senden wir für Signale aus, wenn wir sagen: Solche wie ihr sollen künftig nicht mehr auf die Welt kommen", stellte Huber diese Logik in Frage.