Zitat:
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN EINE DELEGATION DER INTERNATIONALEN
STRAFRECHTSGESELLSCHAFT (AIDP)
Saal der Päpste
Donnerstag, 23. Oktober 2014
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c) Über die Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Maßnahmen und Strafen
Das Adjektiv »grausam«; dem von mir Erwähnten liegt stets diese Wurzel zugrunde: die menschliche Fähigkeit zur Grausamkeit. Das ist ein Leiden, ein wahres Leiden! Eine Form der Folter ist jene, die zuweilen durch die Inhaftierung in Hochsicherheitsgefängnissen angewandt wird. Mit der Begründung, der Gesellschaft größere Sicherheit oder gewissen Kategorien von Häftlingen eine besondere Behandlung zu bieten, besteht ihr Hauptmerkmal in nichts anderem als der Isolierung von der Außenwelt. Wie die von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen durchgeführten Studien belegen, rufen fehlende Sinnesreize, die völlige Unmöglichkeit der Kommunikation und das Fehlen von Kontakten zu anderen Menschen psychische und physische Leiden hervor, wie Paranoia, Angstzustände, Depression und Gewichtsverlust, und lassen die Neigung zum Selbstmord spürbar steigen.
Dieses Phänomen, das für die Hochsicherheitsgefängnisse kennzeichnend ist, tritt auch in anderen Arten von Justizvollzugsanstalten auf, zusammen mit anderen Formen physischer und psychischer Folter, deren Anwendung verbreitet ist. Die Folter wird nicht mehr nur als Mittel angewandt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wie ein Geständnis oder die Denunziation – Praktiken, die für die Doktrin der nationalen Sicherheit kennzeichnend sind –, sondern sie stellen einen echten zusätzlichen Schmerz dar, der zu den Übeln, die die Inhaftierung mit sich bringt, noch hinzukommt. Auf diese Weise wird nicht nur in geheimen Internierungs- oder modernen Konzentrationslagern gefoltert, sondern auch in Gefängnissen, Jugendstrafanstalten, psychiatrischen Kliniken, Kommissariaten und anderen Strafanstalten.
Die Strafrechtslehre trägt in diesem Rahmen eine wichtige Verantwortung, da sie die Legitimierung der Folter in bestimmten Fällen unter bestimmten Voraussetzungen gestattet und so den Weg zu weiterem und noch größerem Missbrauch geöffnet hat. Viele Staaten sind auch dafür verantwortlich, die Entführung von Menschen im eigenen Staatsgebiet – auch ihrer eigenen Staatsbürger – durchgeführt oder toleriert zu haben oder die Nutzung ihres Luftraums für einen illegalen Transport zu Gefangenenzentren, in denen die Folter angewandt wird, gestattet zu haben.
Diesem Missbrauch kann nur durch die entschlossene Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft auf Anerkennung des Primats des Prinzips »pro homine«, das heißt der alles übersteigenden Würde des Menschen, Einhalt geboten werden.