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Thema: Ex-BGH-Richter zur Eignung von Postboten als psychiatrische Gutachter (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=6106)


Geschrieben von: 55555 am: 13.06.13, 12:58:15
Armin Nack, 65, bis vor einem Monat Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, hält viel von der gutachterlichen Tätigkeit des verurteilten Hochstaplers Gert Postel. Der gelernte Postbote hatte sich seit Ende 1982 in Flensburg als „Dr. Dr. Clemens Bartholdy“ ausgegeben und erstellte später in der sächsischen Klinik Zschadraß zahlreiche psychiatrische Gutachten. Die Maskerade flog 1997 auf. Postel sei als Obergutachter mit einem Fall betraut gewesen, den er als Richter zu verantworten hatte, erzählte Nack 2012 bei einem Vortrag an der Universität Passau, von dem erst jetzt ein Video im Internet auftauchte: „Und ich sage Ihnen eines: Der Postel war der beste Gutachter - besser als die beiden gelernten Psychiater.“

Quelle


Geschrieben von: PvdL am: 14.06.13, 13:31:40
Der Postbote mußte sich ja auch anstrengen, um nicht negativ aufzufallen. Das nennt man Überkompensation.


Geschrieben von: Fundevogel am: 14.06.13, 15:02:26
Naturtalent?


Geschrieben von: frontdoor am: 15.06.13, 03:30:35
Jedenfalls kein psychiatrisches Naturtalent.Vor längerer Zeit habe ich mal ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen.Sein Talent bestand darin diesen arroganten Halbgott-in-weiß-Habitus perfekt nachzuahmen.
Herr Postel ist damals nur aufgeflogen weil er zuletzt unter seinem richtigen Namen "praktizierte" und eine Krankenschwester(!) sich daran erinnerte den Namen schon mal im Zusammenhang mit Hochstapelei gehört zu haben.


Geschrieben von: Alan am: 18.06.13, 21:02:08
Ich habe auch mal einen Bericht über diesen Postboten gesehen. Es ist ein Witz, wie einfach er die Leute, die ihn eingestellt haben, täuschen konnte. Aber der war eben nicht nur komplett ahnungslos sondern auch komplett skrupellos.

Der Richter kann ein Gutachten sicherlich hinsichtlich der Klarheit der Aussage einschätzen, jedoch nicht dessen Fundiertheit.


Geschrieben von: drvaust am: 23.06.13, 06:25:02
Zitat von Alan:
... Aber der war eben nicht nur komplett ahnungslos sondern auch komplett skrupellos.
Da muß ich widersprechen.
Postel ist sehr intelligent und hat viel Ahnung, aber keine entsprechende anerkannte Ausbildung. Es wurde schon mehrfach erwähnt, daß er besser war, als offizielle Fachleute. Bei speziellen Problemen kannte er sich nicht richtig aus, das konnte er aber durch sehr gute Menschenkenntnis kompensieren.
Skrupellos war er auch nicht. Wenn er sich nicht auskannte, fragte er Experten, was gelobt wurde (kein arroganter Halbgott in weiß). Ich las mal, sinngemäß, daß er sich sehr bemühte, und dadurch besser beurteilte, als die meisten routinierten 'Experten'.


Geschrieben von: Alan am: 24.06.13, 22:53:38
@drvaust
Wie du ganz richtig schreibst, hatte er keine entsprechende Ausbildung und bereits der Titel seiner Dissertation ist eine reine Veralberung all jener, die das lesen.
Wer sich vollkommen ruhig und selbstsicher mit gefälschten Unterlagen einem aufwändigen Bewerbungsprozess stellen kann, ist für mich skruplellos.
Zu den Alltagssituationen, die du schilderst, denke ich mir, dass es ziemlich häufig vorkam, "dass er sich nicht auskannte", weil er ganz schlicht keine Ahnung hatte. Dementsprechend sind vermutlich die Einschätzungen, die ihm auf die Fahnen geschrieben werden, gar nicht seinem Urteilsvermögen entsprungen sonderm den fachkundigen Leuten, die er gefragt hat und die vermutlich einem Kollegen aus der Klemme helfen wollten.


Geschrieben von: drvaust am: 25.06.13, 03:13:12
Meines Wissens hatte er mehr Ahnung, als die Experten, die zwar mehr Wissen hatten, aber routiniert leichtfertig urteilten.
Ich glaube, auch unter Medizinern ist es nicht üblich, dem Chef ständig aus der Klemme zu helfen. Postel war der fachliche Chef, über ihm war das Ministerium. Vermutlich hätten ihn die Mitarbeiter abgesägt, wenn er offensichtlich unsicher gewesen wäre.
Postel hat ein enormes Talent, mit Menschen umzugehen, ein Naturtalent von Psychologe (Im Gegensatz zu mir.). Und er hat sich bemüht, gute Leistungen zu bringen, nicht nur einfach seinen Job gemacht.


Geschrieben von: Alan am: 27.06.13, 22:35:59
Seit wann haben Mitarbeiter die Möglichkeit ihren Chef abzusägen? Es ist doch wohl vielmehr so, dass NA dazu neigen sich opportunitisch zu geben, in der Hoffnung auf Aufstieg? Sprich, wenn er nach Zuarbeit gefragt hat, dann waren die Mitarbeiter bereitwillig da.

Die Motivation Postels war, die Psychologen bloßzustellen, nicht gute Leistungen zu bringen. Er wollte die Psychologen dadurch bloßstellen, dass er sie Glauben machen konnte, er würde gute Leistung bringen. Tatsache war aber, dass er von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte.

Worauf er sich verstand, das entnehme ich zumindest der Doku, die ich mal über ihn gesehen habe, war das "Sichere Auftreten bei völliger Unkenntnis". Der Mann wirkt bei allem was er sagt absolut ruhig, abgeklärt und routiniert, so dass er glaubwürdig wirkt. Das kann er auch dann, wenn er völligen Unsinn redet, so dass ihm die Leute auf den Leim gegangen sind. Das könnte dadurch zu erklären sein, dass er wohl seine Mutter durch schlechte psychologische Betreuung verloren hat und somit sein Vorgehen für legitim hält. Das ist es jedoch nicht, da er diese Scharade auch über den Bewerbungsprozess hinaus gespielt hat und damit das Wohl von Patienten gefährdet hat.

Die Eigenschaft durch seine Art Leute von jedem Mist überzeugen zu können, würde ich nicht als Talent ansehen, sondern eher als eine denkbar miese Charaktereigenschaft. Denn eine Voraussetzung dafür ist, dass einem seine Mitmenschen in hinreichendem Maße gleichgültig sind.


Geschrieben von: Fundevogel am: 28.06.13, 00:57:02
Werden ihm ärztliche Fehler vorgeworfen?

Wenn nicht: Würde es dann reichen, einen miesen Charakter zu haben, um von Psychologen/Fachleuten nicht unterschieden werden zu können?


Geschrieben von: schuschu am: 28.06.13, 13:30:17
hehe fundevogel deine gedanke gefällt mir, hatte es ähnlich überlegt, fehlten nur die passenden worte.


Geschrieben von: Alan am: 29.06.13, 17:35:45
Zitat von Fundevogel:
[...]Würde es dann reichen, einen miesen Charakter zu haben, um von Psychologen/Fachleuten nicht unterschieden werden zu können?


Genau das ist die entscheidende Frage. Und wenn Herr Postel nach Abschluß des Bewerbungsverfahrens und erfolgter Zusage die Bombe (auch medienwirksam) hätte platzen lassen, dann wäre man ihm für die Aktion zu großem Dank verpflichtet gewesen. Dass er jedoch praktiziert hat, ist durch nichts zu rechtfertigen, es waren schließlich keine Patienten, die den Tod seiner Mutter verursacht haben. Möglicherweise haben an der Stelle weniger edle Absichten eine Rolle gespielt, wie z.B. der mögliche Wunsch, die durchaus üppige Bezahlung einer solchen Stelle zu kassieren.