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Für sozial erwünschtes Verhalten gibt es Punkte. Bei 350 Punkten geht es los, maximal zu erreichen sind 950. Von sechshundert Punkten an gibt es günstige Kredite, man kommt aber nicht nur an Geld, sondern auch leichter an ein Visum. Von 700 Punkten an darf man nach Singapur, eine Reise nach Europa steht dem Nutzer von 750 Punkten an offen. So funktioniert der „Citizen Score“.
Die Frage ist selbstverständlich, wofür Punkte vergeben und warum sie einem Bürger womöglich abgezogen werden. Und da könnte das chinesische Bürgerbewertungsportal alle Vorgaben eines Regimes erfüllen, das mittels totaler Datentransparenz das perfekte Überwachungssystem errichten und auf jeden Einzelnen so lange einwirken will, bis er sich der herrschenden Lehre vollständig angepasst hat. So gebe es Punktabzüge für Kritik an der Kommunistischen Partei oder an sozialen und gesellschaftlichen Missständen, ein Punkteplus wiederum stehe für Jubeläußerungen ins Haus, erwünschte soziale Aktivitäten und das richtige Einkaufsverhalten.
Die Daten kann jeder einsehen, in die Wertung fließt nicht nur das eigenen Verhalten ein, sondern auch das von Freunden und Bekannten, mit denen man über soziale Medien verbunden ist. Noch ist das System freiwillig, von 2020 an soll es für alle, die einen chinesischen Pass besitzen, obligatorisch sein. Gibt es das wirklich? Der „Citizen Score“ ist unbestritten, wie weit er reicht, ist aufgrund der Quellenlage aber unklar. Ist es eine chinesische Schufa, also eine Auskunftei, die sich auf pekuniäre Angaben zur Kreditwürdigkeit beschränkt, oder lassen die Dokumente, die der belgische China-Experte Rogier Creemers, der an der Universität Oxford arbeitet, schon vor einigen Monaten aufgetan hat, vermuten, dass es tatsächlich um die vollständige Vermessung des Menschen geht?
Naheliegend ist es und den Überlegungen des Schriftstellers und Google-Stipendiaten Douglas Coupland sehr ähnlich, der Punkte verteilen will, mit denen Menschen sich Freiheitsrechte verdienen können.