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Vier Tage zuvor war Reichskanzler Kurt von Schleicher nur wenige Wochen nach seiner Ernennung wieder aus dem Amt entfernt worden. Hitler war nun an der Macht. "Man kann aber annehmen", vermutete Messersmith, "dass das Hitler-Regime, ob es ein paar Monate oder länger währt, nur eine Phase in der Entwicklung zu stabileren politischen Verhältnissen ist und dass auf diese Regierung eine folgen wird, die größere Stabilität zeigen wird als diejenigen, die Deutschland in den letzten Jahren hatte. Die Menschen sind politisch erschöpft."
Ebenso wie viele übrige Beobachter empfanden auch die Diplomaten in Berlin den erneuten Regierungswechsel keineswegs sogleich als welthistorischen Einschnitt. Niemand sah in den ersten Tagen voraus, dass das NS-Regime zwölf Jahre überdauern und in einer Katastrophe wie dem Zweiten Weltkrieg enden werde. Stattdessen schien das Kabinett Hitlers zunächst nur eine weitere in der Reihe mehr oder weniger kurzlebiger Regierungen zu sein.
So ergänzte US-Botschafter Frederic M. Sackett einen Tag nach Messersmith, dass die politische Spannung spürbar ansteige, und dass "das gegenwärtige Kabinett mit seinen normalerweise disharmonischen Elementen" ein "fruchtbares Feld für Ärger” biete. Sackett traute den Nationalsozialisten die Regierung schlicht nicht zu. Anzahl und Art der Ministerien, die sie nun besetzten - Wilhelm Frick wurde Innenminister, Hermann Göring Minister ohne Geschäftsbereich - schien dies zu bestätigen.
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Erst als die Nachfrage nach Auswanderungsvisa in den Konsulaten anstieg und Fluchtbewegungen in die Nachbarländer einsetzten, wurde den diplomatischen Beobachtern langsam die Bedeutung des 30. Januar klar.