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Thema: Studie zu Psychotherapie: Methode und Erfahrung unwichtig, persönliche Beziehung entscheidend (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=5831)


Geschrieben von: 55555 am: 13.12.12, 13:12:06
Damit bewegt sich die Psychotherapie wohl irgendwo zwischen Freundersatz und Placebo.
Zitat:
In einer Befragung von mehr als 670 ehemaligen Patienten aus ambulanter und stationärer Psychotherapie machte es keinen Unterschied, wie lange die Therapie dauerte, ob die Behandlung verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch war. Bedeutsam für das Therapieergebnis hingegen war, wie gut die Beziehung zwischen Therapeut und Patient war, wie schwer die Erkrankung war und ob der Patient bereits schlechte Therapieerfahrungen gemacht hatte. Ebenso scheint es unerheblich zu sein, ob der Therapeut noch in Ausbildung ist oder bereits langjährige Erfahrung mit Patienten hat, wie eine Untersuchung an der Technischen Universität Dresden mit mehr als 1700 Patienten zeigte.

Quelle


Geschrieben von: Mama am: 13.12.12, 16:28:52
der patient hat drei versuche (erstgespräche) sich den passenden therapeuten zu suchen. wie kann man in einem einzigen gespräch erkennen ob der mensch gegenüber sympathisch ist und man ihm sein leben anvertrauen will.


Geschrieben von: drvaust am: 14.12.12, 11:35:38
Zitat:
Depression und Traumabewältigung: Die dunkle Seite der Psychotherapie
In diesem Artikel geht es vor allem um die Teilbereiche 'Depression und Traumabewältigung'. Die Einsatzgebiete der Psychotherapie sind aber viel breiter.
Zitat:
... Dass sie wirkt, zeigen Studien seit vielen Jahren. ...
Die Psychotherapie wirkt also (grundsätzlich gut).
Zitat:
... "Insgesamt hat die Psychotherapie ähnlich viele Nebenwirkungen wie eine Psychopharmakatherapie",
Abgesehen von den umstrittenen Psychopharmaka, die Psychotherapie hat positive Hauptwirkungen und auch Nebenwirkungen.

Ich habe positive Erfahrungen mit Psychotherapie. Ohne Psychotherapie hätte ich vermutlich nicht überlebt.
Bei mir ging es aber nie um Depression und Traumabewältigung, sondern um Lebensbewältigung.
Ich hatte aber auch Psychotherapie erlebt, die mir nicht viel brachte, sondern nur lästige Zeitvergeudung.


Geschrieben von: 55555 am: 14.12.12, 12:07:10
Ja, sie wirkt, so wie Freunde mit denen man vertrauensvoll über Probleme reden kann eine positive Wirkung haben und so wie Placebos tatsächlich wirken. Das Ergebnis weist für mich daraufhin, daß aber weniger die gelehrten Methoden wirken als das was an menschlicher Beziehung nebenbei abläuft. Das würde dann bedeuten, daß nicht die gelehnte Therapie wirkt, sondern der menschliche Kontakt zum Therapeuten.


Geschrieben von: Löwenmama am: 14.12.12, 12:41:21
Ich weiss z.B. dass depressive Menschen oftmals mit ihren Freunden nicht mehr über ihre Probleme reden wollen, weil sie sich zum einen nicht wirklich verstanden fühlen ("Du musst dich nur zusammenreissen" "Stell dich nicht so an") und sie zum anderen ihre Umwelt nicht ständig "nerven" wollen. Ein Therapeut ist dann einfach eine neutrale Person, die das Erleben des Depressiven annimmt und der fürs Zuhören "bezahlt" wird, also braucht man kein schlechtes Gewissen haben, wenn man ihn "zutextet". Das empfinden einige Menschen schon als Erleichterung. Darum ist wohl die therapeutische Beziehung / das Zwischenmenschliche wirklich sehr wichtig.


Geschrieben von: Lenz2011 am: 14.12.12, 13:42:46
Zitat von 55555:
Ja, sie wirkt, so wie Freunde mit denen man vertrauensvoll über Probleme reden kann eine positive Wirkung haben.


Ja und nein. Freunde können einem auch mal wohlmeinend das völlig Falsche raten.

Das Wort "Beziehung" finde ich im Bezug auf das Verhältnis zum Therapeuten zu unspezifisch.

Aus meiner Erfahrung ist wichtig:

- man muss unbedingtes Vertrauen zum Therapeuten haben
- der Therapeut muss das Problem des Patienten wirklich verstehen
- speziell Autisten müssen darauf achten einen Therapeuten zu wählen der Autismus versteht

Eine persönliche "Beziehung" zum Therapeuten ist aber völlig irrelevant.


Geschrieben von: Mama am: 14.12.12, 13:55:27
@Lenz2011
Was für ein Wort würdest du hier einsetzen um das Miteinander zu beschreiben?


Geschrieben von: 55555 am: 14.12.12, 14:00:34
Zitat von Lenz2011:
Freunde können einem auch mal wohlmeinend das völlig Falsche raten.

Therapeuten nicht?


Geschrieben von: Lenz2011 am: 14.12.12, 14:16:35
Zitat von 55555:
Therapeuten nicht?


Die Frage ist gut. Ich hab aber schon den Eindruck dass gute Therapeuten manche Dinge besser erkennen und reflektieren können als ein "normaler" Mensch. Zum anderen sind sie nicht persönlich involviert und haben daher eine neutralere Sicht.


Geschrieben von: 55555 am: 14.12.12, 14:46:34
Wer sich mit Psychologie befasst hat, der könnte schon in mancherlei Hinsicht Einsichten haben, die förderlich sind. Allerdings muß das nicht so sein. Daher könnte man schon die Frage stellen: Hat Otto Normalbürger hier eventuell brauchbarere Ansichten als ein durchschnittlicher studierter Psychloge? Das müßte man natürlich an Ergebnissen ermitteln, nicht am derzeitigen Stand der psychologischen Wissenschaften.

Ich kann mir vorstellen, daß es heute ein Problem ist Mitmenschen zu finden, die zuhören. Früher lief sowas wohl neben körperlicher Arbeit, heute sind die Menschen jedoch geistig oft sehr "zu". Dennoch kann man sich auch fragen, inwieweit diese Rolle früher lediglich anders genannt wurde: Beichtvater oder Schamane z.B.


Geschrieben von: drvaust am: 15.12.12, 04:24:26
Zitat von 55555:
... sondern der menschliche Kontakt zum Therapeuten.
Gerade das halte ich für schädlich bei Psychotherapie. Der Psychotherapeut muß eine neutrale Person sein, mit der man keine persönliche Beziehung hat, mit der man (freundlich) rücksichtslos sprechen kann. Ich wurde schon von Psychotherapeuten bis zum Zusammenbruch gebracht (und wieder aufgebaut). Das geht mit einem Freund nicht. Mein Hausarzt ist ein Freund von mir und Nervenarzt, er arbeitet manchmal auch als Psychotherapeut. Aber er macht keine Psychotherapie bei mir, weil wir befreundet sind, und ich könnte mit ihm nicht entsprechend sprechen. Freunde sind teilweise 'betriebsblind', da ist eine neutrale Person wichtig.
Ich vermute, ein persönliches Verhältnis würde mich hemmen, dann könnte ich nicht mehr richtig sprechen. Ein Psychotherapeut muß für mich neutral sein, nicht menschlich. Vielleicht ist das bei anderen Menschen (NA?) anders.
Psychotherapie ist nicht nur zuhören, dann könnte ich auch zu meinem Teddy reden. Wichtiger sind richtige Fragen und das Erkennen von Problemen, sowie Reflektionen, so daß der Patient zu richtigen Erkenntnissen kommt.


Geschrieben von: 55555 am: 15.12.12, 13:12:22
Um auf meine Untergruppen zurückzukommen: Bezogen auf Graphit mag das oft so sein, aber es kommt ja darauf an wie man Freundschaft praktiziert. Ich habe auch Bekannte, bei denen ich es wenig sinnvoll fände gleichzeitig als "Therapeut" aufzutreten, aber es gibt halt auch Menschen bei denen das durchaus gut funktioniert.