Ich gestehe, daß es mir teils sehr schwer fällt deine Argumente zu erfassen.
Wegen der Formulierung oder weil du eine andere Sichtweise hast?
Da die Gefahren aus meiner Sicht aber sehr bedeutend sind, ist ein Verbot die einzig sinnvolle Reaktion.
Was getan werden soll und was nicht, lässt sich nicht objektiv feststellen. Gegen ein Verbot spricht z.B., dass
- das Verbot selektiver Abtreibung schwer bis gar nicht umsetzbar ist
- das Verbot von Abtreibung das Ungeborene höher bewertet als die Schwangere (mit welcher Legitimation?) und das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren einschränkt
- damit den Menschen unterstellt wird, sie würden nicht mit Blick auf dieses Ziel (Genom / Diversität erhalten) verantwortlich handeln (ist das wirklich so?)
- damit Freiheiten eingeschränkt und Handlungsmöglichkeiten genommen werden, auch dort, wo sie nicht "zielwidrig" eingesetzt werden
Paracelsus soll gesagt haben: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei". Nach deiner / eurer Logik müsste man dann "alle Dinge" verbieten, weil prinzipiell alles missbraucht werden könnte und oft irgendwann wird (d.h. es wird zu „Gift“). Außerdem gibt es den Spruch "Verbote sind dazu da, umgangen zu werden." Schon deshalb sehe ich Verbote grundsätzlich skeptisch. Ihre Einhaltung kann nicht 100%ig kontrolliert werden, und oft wäre es auch nicht sinnvoll.
Verbote helfen bestenfalls die Zahl der Abtreibungen zu senken. Die Bewältigung der Ursachen (d.h. der Probleme, die Anlass zu Abtreibungen geben) wird damit vom Staat auf die Eltern / Mütter abgewälzt. Das ist schön bequem und unfair. Mein Ansatz wäre immer noch, die Bedingungen zu verbessern. Wenn die Bedingungen besser wären, würde überhaupt niemand mehr auf die Idee kommen, ein Kind mit welchen Genen auch immer abzutreiben.
Ansonsten frage ich mich, ob es euch wirklich um die Erhaltung des Genoms und der Diversität geht oder eigentlich eher um die eigene Aufwertung? Das ist nicht böse gemeint, sondern als Anregung zum Nachdenken. Ich hoffe, ihr fasst das auch so auf.
Das ist für mich ein Grund, eine Veränderung zu vermeiden. Nicht daß man irgendwann feststellt, daß etwas wichtiges verloren ging.
Das stimmt zwar, aber rechtfertigt die nur vage begründete Befürchtung, dass etwas Verlorenes fehlen könnte die Einschränkung verschiedener Rechte?
Nach dem Prinzip richtet diese Gesellschaft ja schon auch anderweitig so einiges zugrunde.
Es hat vieles gut funktioniert. Ich finde es unmenschlich, auch nur einen einzigen Menschen zu opfern, um ein Ziel zu erreichen. Auch wenn das dadurch Erreichte möglicherweise irgendwann irgendwem (oder von mir aus auch sicher in naher Zukunft vielen Menschen) helfen würde, könnte ich es nicht tun.
Es ist doch naheliegend, daß diese Problematik sehr effektiv auf nationaler Ebene gelöst werden kann, wenn ein Verbot auch in der Praxis durchgesetzt werden kann? Die grenzübergreifenden Bevölkerungsströme sind ja nicht so riesig.
Aus deiner Sicht, ja, kann ich auch akzeptieren, weil viele Leute in vielen Ländern so denken. Nachdem du danach fragst, schreib ich dir, welche Gedanken mir zu dem Thema durch den Kopf gingen:
Das Forum ist aus verschiedenen Ländern und von Menschen unterschiedlicher Ethnizität erreichbar. Es ist wahrscheinlich, dass sich neben deutschen Deutschen z.B. auch Österreicher, Schweizer, Italiener und Menschen aus anderen deutschen Nachbarländern, in diese Länder eingereiste Menschen und deren Nachkommen, Deutsche, die sich nicht in Deutschland aufhalten und viele weitere "Mischformen" verirren. Die werden teilweise ausgeschlossen, wenn es nur um deutsche Deutsche geht. Außerdem könnte es auch für Deutsche interessant sein, wie etwas in anderen Ländern geregelt ist, z.B. um dortige Erfahrungen als Grundlage für eigene Gesetzes-Wünsche verwenden zu können, Anregungen zu erhalten oder schlicht Information über Regelungen in anderen Ländern zu bekommen.
Ein anderer Punkt: Wenn in einem Land etwas Bestimmtes verboten ist, das man unbedingt braucht oder möchte und das Benötigte in einem anderen Land, in das man problemlos einreisen kann unkompliziert erhältlich ist (was praktisch in der EU zum Teil noch eine Illusion ist, aber zumindest theoretisch so vorgesehen ist) - was macht man dann? Manche Leute verzichten dann darauf. Andere "Bevölkerungsströme" begeben sich ohne schlechtes Gewissen über die Grenze bzw. bemühen sich um eine grenzübergreifende Lösung. Das Szenario ist keine Ausnahme, sondern wird mehr und mehr Standard. Das gilt auch für Abtreibungen. Es ist eine Illusion etwas "effektiv auf nationaler Ebene" lösen zu wollen. Auch eine EU-weite Regelung wäre in ihrer Wirkung begrenzt. Und so wie es momentan aussieht, wird sich das auch nicht so bald ändern, eher im Gegenteil.
Vielleicht hab ich da einen anderen Blickwinkel als du, weil ich nahe am "Ausland" (aus deutscher Sicht) wohne und das natürlich nutze. Meiner Beobachtung nach machen das immer mehr Leute, auch die, die nicht an der Grenze wohnen. Interessant finde ich, dass auch andere Inländer (= nicht in Deutschland wohnende) ihr Land als das Universum (leicht übertrieben ausgedrückt) betrachten. Grenzüberschreitend berichtende Radiosender und Zeitungen können sich leider nie (oder noch nicht?) lange halten. Deswegen halte ich deine Einstellung für normal und kann damit leben. Wenn es dich nicht interessiert…
Du hast nicht viel Ahnung von Genetik, oder?
Was meinst du, dass ich nicht weiß?
Im übrigen scheint mir, daß du noch nicht verstanden hast was Behinderung eigentlich ist, nämlich ein gesellschaftliches Konstrukt.
Das hab ich auch nicht behauptet.
Was meinst du damit? Dass Behinderung kein objektives Merkmal ist (wie mehr oder weniger z.B. die Körpergröße)? Dass es verschiedene Vorstellungen gibt, wie die Gruppe der "behinderten" Menschen aussieht, diese Vorstellungen aber genauso gut anders sein könnten? Dass Behinderung keine Personeneigenschaft ist, sondern ein Merkmal der Gesellschaft, die Menschen mit bestimmten Eigenschaften behindert, sodass Behinderte behindert werden und nicht sind? Oder ganz was anderes?
Ansonsten, ja, mit dem Thema Behinderung kenne ich mich für meine Bedürfnisse zu wenig aus. Ich habe zwar praktisch in verschiedenen Zusammenhängen damit zu tun, hab theoretisches Grundwissen und geb' mir Mühe dazuzulernen, aber bin meilenweit von "Allwissenheit" entfernt. Und es gibt - ähnlich wie beim Thema "nationale Problemlösungen" - verschiedene Perspektiven, je nach Situation und Hintergrund.
Außerdem stehe ich mit Sprache schon immer auf Kriegsfuß. Reden ist schwierig für mich und beim Schreiben bekomme ich es gerade so noch irgendwie hin, aber meistens nicht so, wie ich es gern hätte. Ich kann mich nicht gut verständlich ausdrücken, werde immer wieder ausgelacht und für unwissend oder dumm gehalten. Manches kann ich auch tatsächlich nicht. Aber es passiert regelmäßig, dass mir gesagt wird, dass ich dies oder jenes nicht weiß, aber eigentlich weiß ich es, nur kann ich es nicht annähernd so wie ich will zu Computer oder zu Papier bringen oder sogar sagen. Glaubt niemand und ist mir dann auch egal, weil nicht zu ändern. Ich weiß, dass meine Forumsbeiträge keine sprachlichen Meisterwerke sind und bin froh, wenn irgendwer ungefähr versteht, was schreiben wollte.
So, das war mein letzter Beitrag für heute. Jetzt könnt ihr ihn zerreißen oder auch nicht. Ich nehme nicht an, dass ich euch auch nur ansatzweise überzeugen konnte, weil ihr prinzipiell anderer Ansicht seid. Das ist auch okay. Es ist nicht so, dass ich kein Verständnis für euer Anliegen habe und es komplett anders sehe, aber es gibt mehrere Perspektiven und mehr zu bedenken. Ab Mitte der Woche bin ich für das nächste halbe Jahr über das Internet kaum zu erreichen, kann also auch höchstens sporadisch ins Forum kommen, falls sich irgendwer wundern sollte.
Viel Spaß!