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Thema: Sich einsam fühlen (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=4603)


Geschrieben von: 55555 am: 01.03.11, 16:46:21
Negativ, positiv, kann man das in der Hinsicht so klar zuordnen? So wie ich Einsamkeit verstehe ist es zumindest etwas, nach dem man sich sehnt.

Es kann schon sein, daß es damit zusamenhängt, was man bereits erlebt hat. So könnte man sich Verschiedenheiten erklären.


Geschrieben von: Sarmet am: 01.03.11, 18:28:21
Aber wenn man sich nach etwas sehnt, dann ist der aktuelle Zustand ja nicht so befriedigend wie der, welchen man gerne anstreben würde. Somit ist doch der ersehnte Zustand ein weitaus positiverer als der, den man gerade inne hat. Somit ist für mich die Einsamkeit negativ zu betrachten.


Geschrieben von: Antika am: 01.03.11, 19:24:20
Also wenn man sich nach etwas sehnt, dann sehe ich das auch so wie Sarmet, ist der aktuelle Zustand nicht zufriedenstellend. Es gibt bestimmt einige Menschen die bewusst die Einsamkeit suchen, weil sie sich nach Ruhe sehnen. Dennoch glaube ich dass die meisten Menschen so einen Zustand nicht wirklich lange aushalten. Wahrscheinlich sind sie auf der Suche nach dem Gleichgewicht. Daher betrachte ich die Einsamkeit nicht als negativ, wohl aber die Suche selbst.

Bei mir ist es einfach so, dass wenn ich im Gleichgewicht bin, ich nicht suche. Ich bin da wo ich sein möchte.


Geschrieben von: 55555 am: 01.03.11, 19:28:16
Es kann aber auch von Vorteil sein empfindlich für Störungen des Gleichgewichts zu sein. Andere die es nicht sind, könnten sich vielleicht überhaupt schlechter im Gleichgewicht halten. Das (begründete) Gefühl hinzufallen sehe ich nicht nur als negativ an, Hunger auch nicht.


Geschrieben von: Antika am: 01.03.11, 20:08:25
Ich finde es so gar wichtig empfindlich für Störungen des Gleichgewichts zu sein. Der Seiltänzer auf dem Seil muss es ja auch sein, denn dadurch dass er sich mal nach links und mal nach rechts neigt, hält er sich ja im Gleichgewicht.




Geschrieben von: mockingbird am: 01.03.11, 20:24:09
Zudem habe ich den Eindruck, daß viele Leute der Meinung sind, so, wie ihr
Leben ausgerichtet ist, sei es stabil und daß es so bleiben würde. Was ich
total unnatürlich finde. Das Leben befindet sich im Fließgleichgewicht und ist daher
ständiger Veränderung unterworfen. Wenn ich bemerke, daß das Gleichgewicht
gestört ist, bewege ich mich und suche die Balance an neuer Stelle, während
diejenigen, die diese "Störungen" (bzw. Ausgleichungen) nicht bemerken,
irgendwann aus allen Wolken fallen, wenn scheinbar alles auf einmal zu
passieren scheint.


Geschrieben von: drvaust am: 02.03.11, 03:23:00
Für mich ist Einsamkeit weniger eine Angelegenheit des Gefühls. Wenn ich zu Hause alleine bin, bin ich nicht einsam (Ich habe jetzt seit 47 h keinen Menschen gesehen, und werde auch in den nächsten Stunden keinen sehen.). Ich habe da kein Bedürfnis nach Kontakt zu Menschen.
Aber manchmal brauche ich Menschen, dann bin ich oft hilflos verlassen, besonders unter Menschen. Wenn ich meine Arbeit nicht schaffe, oder Probleme habe, bekomme ich keine Hilfe, weil ich das schlecht mitteilen und schlecht zusammenarbeiten kann. Dann muß ich das alleine schaffen. Die allgemeine Kommunikation macht einen Bogen um mich, viele Sachen, die die Leute nebenbei erfahren, muß ich gezielt recherchieren.
Ich kenne auch ein Gefühl der Einsamkeit. Das ist eine Mischung aus Angst vor den komischen Menschen und Neid, weil die Menschen zusammen glücklich und vergnügt sind und ich gehöre nicht dazu, kann nicht mit glücklich sein.


Geschrieben von: mockingbird am: 02.03.11, 03:33:18
Würdest Du denn auf die Art und Weise glücklich sein wollen, auf die die
"komischen Menschen" glücklich sind?


Geschrieben von: drvaust am: 02.03.11, 03:43:56
Ich wäre gerne auch glücklich, aber so kann ich weniger glücklich sein.
Z.B. alle feiern fröhlich, sind vergnügt, beste Stimmung, denen scheint es zu gefallen. Ich sitze daneben und kann das nicht nachempfinden, langweile mich. Manchmal ist mir das unheimlich, die Menschen scheinen verrückt geworden. Deshalb meide ich vergnügte Feiern.


Geschrieben von: mockingbird am: 02.03.11, 03:52:48
Heißt das, Du weißt, daß Deine Freude so nicht aussieht, aber wie sie aussieht, weißt Du (noch) nicht?


Geschrieben von: drvaust am: 02.03.11, 04:11:47
Diese Frage verstehe ich nicht.
Ich empfinde etwas anders. Deshalb erfreuen mich viele Sachen, die die Menschen erfreuen, nicht.
Z.B. wenn alle glücklich bei der Weihnachtsfeier sind, langweile ich mich und verstehe nicht, warum alle glücklich sind. Dann fühle ich mich ausgegrenzt (einsam) und werde wütend. Ich würde lieber ein spannendes Buch lesen, durch die Nacht spazieren o.ä..
Ich empfinde Freude, habe oft Freude, aber etwas anders.
Ich kann mich auch mit Menschen freuen. Eine interessante Diskussion kann mich erfreuen. Ich war vor wenigen Tagen zu einer Aufführung eines Kinderzirkus, die glücklichen Kinder haben mich erfreut.


Geschrieben von: Fundevogel am: 02.03.11, 11:16:42
drvaust: Wenn glückliche Kinder dich erfreuen können: Nimmst du ihre Freude anders wahr als die Freude von Erwachsenen?

Wenn ja, kommt der Mangel an Freude bei Erwachsenen durch die Überlagerung erfahrener Diskriminierung oder mangelnden Verstehens oder wirkt die Freude Erwachsener auf dich als nicht mehr so rein wie bei Kindern, eher verstellt, überspielt, gekünstelt?

Kann Einsamkeit dadurch ausgelöst werden, dass ein Gegenüber oder eine Gruppe nicht als "echt" empfunden wird?