Fundevogel
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Lumpi: Ich bin auf dem Dorf in einer Zeit erwachsen geworden, in der jeder so anders sein konnte, wie er war. Man war damit beschäftigt, mühsam sein täglich Brot zu erarbeiten. Es gab in der armen Zeit Leute ohne Zähne, ohne Brillen, Schweiger, Schwätzer, Menschen mit Verstümmelungen, weil kein Geld für OP's vorhanden war, Taubstumme, Kriegsversehrte. Jeder trug in seinem Anderssein im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten dazu bei, dass die Gemeinschaft überleben konnte.
Erst als das Geld in die Haushalte kam, kamen auch die Eitelkeiten, etwas Besseres zu sein...und "plötzlich" galt der Zahnlose als hässlich, der Brillenlose und Taubstumme als dumm, der Schwätzer bekam eine tragende Rolle, weil er formulieren konnte, was schön und schäbig, gesund und krank war, dem Schweiger wurde argwöhnisch begegnet, der Verstümmelte wurde vom Held zum Behinderten.
Und weil die erstbeste Lösung, den Menschen zu nehmen wie er ist, nun nicht mehr greifen konnte, weil sonst derjenige, der sich über die anderen erhoben hatte, nicht glänzen konnte, wurde die zweitbeste Lösung gewählt.
Der Reichtum hängte sich den Mantel des St. Martin um und bot Lösungen für die armen Behinderten an...man sprach nicht mehr auf Augenhöhe miteinander, sondern zahlte in eine Kasse ein, aus der ein Therapeut bezahlt wurde, der dann mit "dem Behinderten" reden sollte.
Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein Freund oder Nachbar aus Selbstverständnis und Anteilnahme mit mir spricht oder ob mich ein bezahlter Berufszuhörer zu fest vereinbarten Zeiten in von ihm vorgeschriebene Räumen kommen lässt, wo ich mich in eine Schlange einreihen und andienen muss.
Nächstenliebe ist nun institualisiert...man zahlt und kann sich abwenden...aber in dem Maße, wie wir das Anderssein weit umrunden werden auch wir von anderen nicht mehr wahr genommen.
Ja, es gibt Therapien und Therapeuten die helfen können, aber das, was aufmerksame Mitmenschen erledigen könnten (Respekt, Anerkennung, Beistand), sollte man die Menschen selbst tun lassen, damit wir zu einer Gesellschaft liebenswerter und geachteter Gesellen zurückfinden.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
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