Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] haben Schwierigkeiten, soziale Informationen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Sie vermeiden häufig den Blickkontakt, nehmen von sich aus keinen Kontakt mit anderen Menschen auf und haben Schwierigkeiten, die Absichten und Gefühle anderer zu erkennen. Autismus kann in verschiedenen Schweregraden vorliegen, wobei Patienten mit sogenanntem hochfunktionalem Autismus eine normale Intelligenz und gute Sprachfähigkeiten besitzen. Sirigu und ihre Kollegen schreiben, dass bereits in früheren Studien ein Zusammenhang zwischen Oxytocin und Autismus gefunden worden war. So beobachteten Forscher bei autistischen Kindern verminderte Oxytocin-Blutwerte und erhöhte Hormon-Vorstufen - was darauf schließen lässt, dass das Hormon nicht korrekt im Körper der autistischen Kinder hergestellt wird.
Sirigu und ihr Team wiederholten in ihrer Studie ein Experiment, das in ähnlicher Art an gesunden Menschen durchgeführt worden war. Nach Oxytocin-Gabe per Nasenspray hatten gesunde Erwachsene in simulierten Spielen gesteigertes Vertrauen zu Fremden gezeigt. Auch das Gesichtergedächtnis und die Sensibilität für soziale Reize war erhöht, auch Augenpartien in Gesichtern wurden länger fixiert.
Für Sirigu und ihre Kollegen lag es daher nahe, die beiden Hinweise - Oxytocin-Mangel als möglicher Auslöser und die bereits beobachteten Effekte an gesunden Menschen - kombiniert zu untersuchten. Sie gaben also per Nasenspray einmalig 13 Erwachsenen mit hochfunktionalem Autismus das Hormon Oxytocin und ließen sie danach ähnliche Tests absolvieren wie die gesunden Probanden in den früheren Experimenten. Die Ergebnisse verglichen sie mit einem Placebo-Durchlauf, gaben den Probanden also einmal nur ein wirkungsloses Nasenspray ohne Oxytocin. Und sie verglichen die Ergebnisse aller Tests mit denen gesunder Erwachsener. Zudem maßen sie bei den Probanden die Oxytocin-Level vor und nach der Nasenspray-Applikation.
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Nach der Hormon-Gabe betrachteten sie die gezeigten Gesichter länger und fixierten die Augenregion signifikant intensiver. Allerdings unterschied sich ihr Blickverhalten immer noch von dem gesunder Teilnehmer, die Augen und Gesichter deutlich länger anschauten.
Die zweite Aufgabe war ein virtuelles Ballspiel, in dem es drei Mitspieler gab: einen kooperativen Spieler, der den Ball häufig zum Probanden warf, einen unkooperativen, der den Ball nur selten an ihn weitergab, und einen neutralen, der eine Mittelstellung einnahm. Die Autisten behandelten im Placebo-Durchlauf alle drei Mitspieler gleich. Nach Oxytocin-Gabe aber warfen sie dem kooperativen Spieler häufiger Bälle zu und vertrauten ihm eher. Die gesunden Probanden aber waren noch besser in ihren Entscheidungen.
Diese Ergebnisse deute darauf hin, dass das Hormon die sozialen Fähigkeiten von Autismus-Patienten verbessern kann, so Sirigu. Möglicherweise verringere es die Angst vor sozialen Kontakten und ermögliche es den Betroffenen, Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen, schreiben die Forscher. Gleichzeitig räumen sie jedoch ein, die Veränderungen im Sozialverhalten seien insgesamt sehr unterschiedlich gewesen. Weitere Studien, auch über eine regelmäßige Gabe von Oxytocin seien notwendig, um den Einsatz des Hormons genau zu überprüfen.