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Autor Nachricht
Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Unter Heilung verstehe ich persönlich aber etwas anderes, auch wenn diese Förderung viel bringt.


Mir ist dieses Wort egal - ich finde ohnehin, dass zu viel über die korrekte Verwendung diffuser Begriffe diskutiert wird und man sich besser mit der Aussage selbst befassen sollte. In diesem Fall mit dem Punkt, in welchem Ausmaß die Betroffenen sich nicht mehr durch Autismus eingeschränkt fühlen (und auch nicht so wahrgenommen werden) und in welchem Ausmaß sie es mal waren.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
11.09.06, 13:14:59
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aberich
(Standard)

geändert von: aberich - 11.09.06, 13:22:26

OK, das nenne ich aber nicht "Heilung", sondern "Lernen".
Zitat:
wesentlich ist, dass es die Erfahrung gibt, dass Frühförderung bei Autisten was bringt!
Ja, ich meine, Frühförderung bringt was bei jedem Kind, und wichtig ist, dass Autisten hier nicht zur Ausnahme gemacht werden. Die Diagnose ist kein Todesurteil, sondern ein Wegweiser. Wie alle anderen Kinder lernen Autisten auch, nur eben anders. Diese Andersartigkeit gilt es zu berücksichtigen, um mit ihr statt gegen sie zu arbeiten.

P.S. Lisa, deinen Beitrag hab ich erst nach dem Absenden gelesen
11.09.06, 13:15:04
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Cadfael
(Autistenbereich)

Hallöli,

Ist Autismus "heilbar"? NEIN
Wäre es wünschenswert? NEIN

Autismus ist alleine schon deswegen nicht heilbar, weil die Welt der NTs für uns immer eine "Fremssprache" bleiben wird. Egal wie gut wir sie erlernen.
Ich kann 50 Jahre in England leben. Trotzdem fehlen mir die Kinderlieder der Engländer.

Sieht man ganz toll bei "Wer wird Millionär?".
Wer nicht in Deutschland aufgewachsen ist wird die Fragen ab 1000 Euro schaffen. Bei den Fragen unter 1000 Euro wird er Schwierigkeiten bekommen. Die einfachen Fragen haben wir alle wie die Muttersprache erlernt.

Wenn, dann müsste die "Heilung" schon or der Geburt anfangen!!!
Studien haben ergeben, dass bereits 24 Stunden alte Babies die Muttersprache (nicht die der Mutter!!!) von Fremdsprachen unterscheiden können (gemessen mit Schnuller-lutsch-Frequenz in über 10 Ländern mit verschiedenen Sprachen). Das Kind lernt bereits im Mutterleib den Rhythmus der Muttersprache. Es mag noch keine Wörter unterscheiden können, aber es weiß schon vor der Geburt was die Muttersprache und was eine Fremssprache ist.

Und das NT-Verhalten wird für uns nie "Muttersprache" werden.

Ich will es auch garnicht ... Zunge rechts

Gruß
Andreas
11.09.06, 20:53:29
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aberich
(Standard)

Dieses Meckern über Begriffe halte ich hier nicht für müßige Haarspaltereien. Heilung vom Zustand A nach Zustand B impliziert, dass Zustand A unzulänglich ist. Wie sich solche Charakterisierungen auf das Selbstbewusstsein von Autisten auswirken, beschreibt Jim Sinclair in diesem sehr empfehlenswerten Text.

Zitat:
Autisten mit ungeordneter Wahrnehmung

ich halte es für nicht beurteilbar, ob jemand eine ungeordnete Wahrnehmung hat. Vielleicht ordnet jemand seine Wahrnehmungen nach einem anderen Prinzip. Was wir für Wahrnehmung Anderer halten, ist doch eigentlich unsere Interpretation unserer Wahrnehmung dessen, was uns jemand aus seiner Wahrnehmung kommuniziert. Wenn ich kein System darin erkenne, kann es vielerlei Ursachen haben, es kann zum Beispiel an der Kommunikation liegen. Leichtfertig wird einem, der nicht wie üblich – verbal – kommuniziert, jegliches Denkvermögen abgesprochen. Bücher nonverbaler Autisten (einige habe ich in einem anderen Thread erwähnt) werden dafür wie ein Wunder gefeiert. Man dachte, die hätten nichts im Kopf und dann so was! Es kann auch am Fantasie-Mangel liegen: wer sich kein anderes als sein eigenes System vorstellen kann, unterstellt dem Gegenüber Matsch im Kopf.
Das finde ich übrígens wie Cadfael mit Fremdsprachen sehr gut vergleichbar. Mit polnischem Begriff „Niemcy“ würdigte man früher pauschal alle Nichtslawen (heute nur die Deutschen), und der bedeutet soviel wie „die Stummen“, das tschechische "Němec" heisst nebenbei auch "Dummkopf". Die Barbaren der Antike sind Leute gewesen, die Griechen nicht verstanden und sie darum Stammler nannten. Heute sind wir so schlau und wissen, dass Leute aus anderen Ländern manchmal andere Sprachen sprechen, und das überhaupt nicht krank ist. lachen
12.09.06, 02:13:54
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Warhead
(Standard)

Wozu??
Um endlich so eine glanzlose Schattengestalt zu sein wie all die anderen NT´s,die schon beim blossen Anschauen der Headlines der Bildzeitung die Krise kriegen??Der Zusammenbruch folgt spätestens wenn der Gerichtsvollzieher vor der Türe steht*meingottwiepeinlichwassollendieanderennurdenken*
Der samstagnachmittägliche Autowaschzwang.
Nö,mein Syndrom ist alles was ich habe,alles was mir Glanz und eine exentrische Strahlkraft verleiht.So kann ich weiterhin ungestraft notorischen Irrsinn um mich verbreiten
12.09.06, 05:28:42
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Lisa M.
(Standard)

Es kommt mir ein wenig so vor, als ob ihr besorgt seid, dass euch jemand was wegnehmen möchte... Keine Sorge, so lange ich nicht in der Lage bin, bei mir selbst was wegzunehmen, kann ich das auch anderen Erwachsenen nicht guten Gewissens androhen! lachen

Insgesamt sehe ich das aber gar nicht so, dass mir so viel weggenommen würde, wenn die Ursache für all das lästige Scheitern im Leben abhanden käme. Wer weiß, vielleicht könnte ich mein Potential dann mal so richtig entfalten? Das einzige, dass ich gern sorgsam behüten würde, wäre die Fähigkeit, sich für ein Thema so richtig zu begeistern.

Aber ich würde auch die Frage, in welchem Ausmaß Entwicklungsmöglichkeiten bei Autismus "drin" sind, gern davon trennen, ob ich für mich persönlich Entwicklungsmöglichkeiten möchte und wenn ja, welche. Nicht ohne Grund hatte ich explizit auf die frühkindliche Entwicklung verwiesen.

Dass wir es schwer einschätzen können, was im Kopf von Leuten vorgeht, die sich nicht äußern können, ist richtig. Das trifft ebenso auf Menschen im Koma zu, auf Bienen und Bäume. Mal ganz polemisch: Wenn jemand sagt, seine Zimmerpflanze teile ihm telepathisch oder durch ein leichtes Hängenlassen der Blätter mit, dass sie auf Bach steht, auf Mozart aber nicht so, dann wird ganz selbstverständlich allgemein davon ausgegangen, dass dieser Mensch die Mitteilungen in die Pflanze hineinprojiziert. Wenn jemand in Bezug auf gestütztes Schreiben angibt, ein Autist würde durch winzige Signale, die er bei anderen nicht gibt oder die die nicht bemerken, zeigen, auf welchen Buchstaben er gern tippen möchte, ist es ein Sakrileg, daran zu zweifeln. Ich persönlich gehe in beiden Fällen nach der Devise "Im Zweifel für den Angeklagten" vor...

Was sich von außen einigermaßen messen lässt, sind jedoch die Handlungs- und Interaktionsmöglichkeiten im Leben. M.E. ist es besser, mehr davon zu haben, und schlechter, in dieser Hinsicht irgendwie eingeschränkt zu sein. Birger Sellin, ein nicht sprechfähiger Autist, der sich durch gestütztes Schreiben verständlich macht, hat eine klare Haltung dazu ausgedrückt. Er schreibt (einer seiner Buchtitel): "Ich will kein Inmich mehr sein!"

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
12.09.06, 08:54:24
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Zapfsäule
(stillgelegt)

Ich würde nicht sagen, dass Geheilt und NT ein und das Selbe sind. Ich habe das auch nicht aus Frau Fachmanns Definition von Geheilt gelesen. Heilung bedeutet imho, dass man seine Persönlichkeit bewahrt, aber dass man sein Leben selbstbestimmt führt, ohne Spielball von Ämtern, Behörden, Krankenkassen, Ärzten, Psychologen zu werden.
12.09.06, 10:15:12
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Lisa M.
(Standard)

Yepp! Dem stimme ich voll zu. Und ich finde, wenn jemand z.B. Sprechen lernt, dann verliert er seine Persönlichkeit dadurch genauso wenig, wie wenn jemand Schreiben lernt. Wenn sowas einen unzulässigen Eingriff in Persönlichkeitsrechte bedeutet, dann fordere ich die Abschaffung der Schulen. Manche Kinder lernen ja auch von selbst lesen und schreiben, ohne irgendwelchen Drill dafür zu brauchen... Für die anderen liegt das Alphabetentum eben nicht in ihrer Natur.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
12.09.06, 10:29:44
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Zapfsäule
(stillgelegt)

Sie sagen es, meine Teuerste! Nachdem ich Saufen gelernt hatte, kam das Kotzen unmittelbar hinzu. Man macht dann langsam so seine Fortschritte!
12.09.06, 10:34:02
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Wursthans
(stillgelegt)

Zitat von aberich:
Dieses Meckern über Begriffe halte ich hier nicht für müßige Haarspaltereien. Heilung vom Zustand A nach Zustand B impliziert, dass Zustand A unzulänglich ist.

Hier stimme ich dir zu.
Zitat:
ich halte es für nicht beurteilbar, ob jemand eine ungeordnete Wahrnehmung hat. Vielleicht ordnet jemand seine Wahrnehmungen nach einem anderen Prinzip.

Hier ist meine Haltung gespalten. Was ist Ordnung? Man kann das hinterfragen und die Motivation die ich in deinem Einwurf erkenne finde ich berechtigt. Wenn jemand schwer erkennen kann wie weit ein Auto von ihm entfernt ist kann das lästig und sogar sehr gefährlich sein. Hier kommt die Philosophie an ihre Grenzen finde ich und die normative Kraft des Faktischen in Form eines Kühlergrills könnte eine andere Art von Argumenten in die Debatte bringen.
Aber eine solche Wahrnehmung macht auch Persönlichkeit aus. Man ist z.B. vorsichtiger. Findest du es erbaulich wenn du nach einem zehnminütigen Spatziergang stehen bleibst um einen öffentlichen Aushang zu lesen und dabei das Gefühl hast dieser Aushang würde dir permanent entgegenkommen, so daß du Lust hättest beiseitezuspringen um dich zu schützen? Was wenn es Übungen gäbe die die Wahrehmung dieser Person stabilisieren könnten, so daß sie mehr dem entspricht was einem dann tatsächlich an die Pelle karrt oder eben nicht? Sicher hat diese Wahrnehmung auch ihren Charme. Ich will nicht beurteilen ob ich hier nun weiter von Ordnung schreiben will. Vielleicht diskutieren wir mal um das was unterschiedliche Wahrnehmung ausmacht?

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
12.09.06, 11:24:46
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Lisa M.
(Standard)

Zitat:
Heilung vom Zustand A nach Zustand B impliziert, dass Zustand A unzulänglich ist.


Die Frage nach Zielen und Werten finde ich berechtigt. Von der Überlegung, dass ein bestimmter Zustand nicht so erstrebenswert ist und ein anderer erstrebenswerter, kommt man logisch leicht dahin, Menschen, die sich im "nicht so erstrebenswerten Zustand" befinden, als "lebensunwertes Leben" abzuqualifizieren. Die Betroffenen selbst werden dabei um so weniger gefragt, je weniger sie sich äußern können.

Die andere Extremposition - dass Autisten möglichst im "Naturzustand" belassen werden sollten, weil sie so vermutlich ganz zufrieden seien und überhaupt jegliche Entwicklung einer Zerstörung der Persönlichkeit bedeute, lässt sich gegen jegliches gezielte Lernen anwenden, insbesondere, wenn andere die Lernziele bestimmen.

Aber ich glaube, so uneinig sind wir uns gar nicht, wenn das oberste Lernziel die Möglichkeit eines weitgehend selbstbestimmten Lebens ist.

Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
12.09.06, 11:47:16
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Wursthans
(stillgelegt)

Zitat von Lisa M.:
das oberste Lernziel die Möglichkeit eines weitgehend selbstbestimmten Lebens

Hier stellt sich mir doch die Frage was das sein soll. In der Praxis erkenne ich das massive Problem von Brechstangentherapien, die nicht genügend Acht geben was mit der Person dabei passiert um die es geht. Viele Personen, die sich selbst als normal definieren sind oft sehr unreflektiert und kommen offenbar nicht darauf, daß manches was sie tun nicht gewollt wird. Ein selbstbestimmtes Leben ist für viele von denen ein Zustand in dem jemand ökonomisch überlebensfähig ist. Eben das ist aber Selbstbestimmung oft nicht. Man kann wieder sagen, daß jeder schauen muß wo er bleibt. Aber ist das gerechtfertigt so auch an Personen heranzugehen die dabei zerbrechen statt sich zu entwickeln? Es ist alles in allem ein sehr heikles Thema, besonders wenn Personen nicht fähig sind den Willen eines Menschen zu erkennen über den sie bestimmen können.

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
12.09.06, 11:56:48
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