Zitat:
Mit Wirkung vom 8. November 2000 – vor nunmehr über
zwei Jahren – änderte der Gesetzgeber das Familienrecht
und formulierte in § 1631 Abs. 2 BGB: »Kinder haben ein
Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestra-
fungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende
Maßnahmen sind unzulässig.« Zuvor lautete die Vor-
schrift lediglich allgemeiner: »Entwürdigende Erziehungs-
maßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Miß-
handlungen, sind unzulässig.«.
Diese geringfügige sprachliche Änderung sollte jedoch
große Auswirkungen haben. Mit der Neufassung war beab-
sichtigt, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
Misshandlungen zu verbessern, denn mangels Legaldefinition
der »entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen« waren in juri-
stischen Kreisen unterschiedliche Auffassungen darüber an-
zutreffen, wo die Grenze zwischen Erziehung und Körper-
verletzung zu ziehen sei: Eine im Vordringen befindliche
Meinung sah in der körperlichen Züchtigung per se eine ent-
würdigende Erziehungsmaßnahme und einen Verstoß gegen
Art. 1 Abs. 1 GG. Die herrschende Meinung – einschließlich
der Rechtsprechung – hielt demgegenüber eine »maßvolle
Züchtigung« gemessen am Elternrecht aus Art. 6 GG bis zu-
letzt noch für gewohnheitsrechtlich anerkannt und zulässig.
Durch die Gesetzesänderung wurde dieser Meinungsstreit,
der aus verständlichen Gründen nicht frei von Ideologisie-
rungen bleiben konnte, entschieden: Körperliche Züchtigung
ist fortan gesetzlich als entwürdigende Erziehungsmaßnahme
ohne Ausnahme verboten.