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Westermann veränderte sich. Sie war leicht reizbar, und "an manchen Tagen hasste ich mich selbst". Schlau sei sie zwar gewesen, erzählt ihr Mann, aber ihr "gesunder Menschenverstand" war verlorengegangen: "Das war nicht mehr die Frau, die ich geheiratet hatte."
Das vollgestopfte Gehirn von Maria Westermann geriet immer öfter in Konflikt mit den Anforderungen des Alltags. Aus jeder Bemerkung ihres Mannes leitete sie eine Verschwörung ab. Erzählte er von einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin, so vermutete sie eine Liebschaft dahinter. Berichtete er von Problemen der Kinder, so vermutete sie, ihr Mann wolle ihr die Söhne entziehen. "Alles, was ich mir ausdachte, ergab einen Sinn", sagt sie. Die Ehe wurde zur Hölle.
Erst im Mai 2008, über drei Jahr nach der Einnahme der ersten Tablette Ritalin, sah Westermann ein, dass sie Hilfe brauchte. Sie ließ sich in einer Klinik für Suchtkranke aufnehmen. Alkoholiker, Tablettenabhängige, Kokainsüchtige, Ausgebrannte. "Das war wie eine Hinrichtung", sagt sie, "ich war auf dem Abstellgleis angekommen."
Für Götz Mundle, Chefarzt der Oberberg-Klinik im Schwarzwald, war Maria Westermann der erste Fall einer Gehirngedopten. Gewundert hat er sich dennoch nicht über das spezielle Drama seiner Patientin. "Je mehr Gas der Mensch gibt, desto mehr innere Verankerung braucht er auch", sagt der Psychiater.