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Thema: fragen eines interessierten zeitgenossen an autisten (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=2969)


Geschrieben von: haggard am: 24.05.09, 21:38:04
den nerv aller autisten wird wohl niemand treffen.


Geschrieben von: zoccoly am: 24.05.09, 22:33:04
Zitat von hallo.:

Ich hätte aber noch eine Frage:
Ich hab mir einen Bericht auf youtube über Autismus angesehen mit Nicole Schuster. Dabei sagt sie sinngemäß dass es eine Zeit gab wo sie ständig das Gefühl hatte ihre Mutter würde irgendetwas von ihr erwarten, und Jahre später ist ihr dann aufgefallen dass es wohl Liebe gewesen ist was die Mutter erwartet hat. Dabei sagt sie auch : Meine Mutter war damals für mich nicht existent.


Für mich war meine Mutter existent. Sie war meine Bezugsperson, anders sah es mit meinem Vater aus. Er taucht in meinen Erinnerungen viel später auf.
Zum Glück wurde bei uns zu Hause nicht erwartet, dass man seine Liebe mit Umarmungen oder Küsschen bekundet. Wäre das der Fall gewesen, hätte man zu dem Schluss kommen können, ich liebe meine Eltern nicht.

Zitat:
Ich kann das sehr schwer nachvollziehen. Ist es so dass wenn ihr einen Verlust erleidet Traurigkeit empfindet oder nicht?


Leere, Verzweiflung habe ich bis zu einem Jahr durchlitten, Trauer ca. 3 Jahre.

Das was azrael über das Brett schrieb, erinnert mich an meine Kindheit.
Wir besuchten häufig den " Blutbaum ". Ich stand vor jeder " Wunde" fassungslos, dachte an die Schmerzen des Baumes und war davon überzeugt, dass er bald sterben müsse.


Zitat von zoccoly:
Es gibt immer Sachen worüber sich die Kollegen aufregen und meiner Meinung auch zu recht. Lautstark wird dann debattiert. Ich habe den Eindruck sie sind wirklich wütend. Kommt dann aber zwei Minuten später der Vorgesetzte rein, scheint es kein Problem mehr zu geben. ..


Hier muss ich nachfragen, da deine Antwort mich verwirrt und ich immer die Logik erfassen muss.

Zitat:
Mir kommt das so vor als würden sich deine Kollegen "einmal Luft machen" bzw. "Dampf ablassen". Eine Nicht-Redewendung für dieses Verhalten fällt mir gerade nicht ein.
Man kommuniziert dabei kurz mal etwas was einen aufregt, für NA's hat dies eine befreiende Wirkung da nicht kommunizierte Gefühle NA's belasten können.


Bedeutet das also, sie haben eigentlich kein Problem, wollen zB. Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen hinnehmen, obwohl sie beim "Luft ablassen" was ganz anderes geäußert haben? Empfinden die von dir beschriebene befreiende Wirkung und die "Welt ist wieder in Ordnung".
Habe ich dich richtig verstanden?
Wenn das wirklich so ist,ist es auch klar, dass sie zum Vorgesetzten wieder äußerst freundlich sein können.
Allerdings habe ich bei dieser Interpretation ein ungutes Gefühl, da mir das Verhalten der meisten NA zu Vorgesetzten doch sehr seltsam vorkommt.



Geschrieben von: anne1 am: 24.05.09, 23:15:11
Hallo, Zoccoly,
die Dinge, über die Deine Kollegen motzen,
sind das Dinge, die nicht oder nur sehr schwer geändert werden können?

Falls ja, habt ihr ja wohl nur die Möglichkeit, Euch entweder damit abzufinden, oder zu kündigen.

Anderenfalls verstehe ich nicht, warum ihr nicht wenigstens mal mit dem Betriebsrat redet.
viele Grüße,
anne


Geschrieben von: zoccoly am: 24.05.09, 23:37:51
@ anne1

Bei uns können Veränderungen sehr leicht erreicht werden und zwar durch Antrag und Beschluss.
Es geht mir hier aber nicht darum Probleme zu lösen, sondern ich möchte hinter die Logik der NA kommen.


Geschrieben von: anne1 am: 24.05.09, 23:43:11
Vielleicht sind es dann erste, informelle Diskussionen,
um einen Konsens herzustellen,
um dann später desto leichter einen Antrag stellen zu können,
bei dem schon vorher klar ist, daß er auch einstimmig angenommen wird.
viele Grüße,
anne


Geschrieben von: zoccoly am: 25.05.09, 00:10:12
leider nicht oder ich habe 21 Jahre was verpasst


Geschrieben von: anne1 am: 25.05.09, 00:27:20
hmm, sind es Dinge, die, wenn sie geändert würden, zu anderen Nachteilen führten?
So wie "Jammer, jammer, zu viele Überstunden"-"Feier sie ab, mach keine mehr"-"Jammer, jammer, dann hätte ich viiiel weniger Geld"?


Geschrieben von: drvaust am: 25.05.09, 03:57:02
Zitat von hallo.:
Dabei sagt sie auch : Meine Mutter war damals für mich nicht existent.
Ich vermute, daß sie damit meint, daß ihre Mutter für sie damals nicht als Mutter existierte, nur als eine Person in ihrer Umgebung. Daß sie ihrer Mutter nicht emotional nahe war, keine Liebe, keine Vertrautheit, die Mutter gehörte zur Umwelt, wie ein Haushaltsgerät.
Zitat von hallo.:
Ich kann das sehr schwer nachvollziehen. Ist es so dass wenn ihr einen Verlust erleidet Traurigkeit empfindet oder nicht?
Kannst Du Deine Frage genauer erklären? Meinst Du allgemein einen Verlust oder ein Unglück? Oder einen 'richtigen' Trauerfall (toter Angehöriger)?
Ich empfinde Traurigkeit, aber vielleicht etwas anders. Traurigkeit wegen eines Verlustes ist für mich ein entsetzliches Gefühl, eine schmerzhafte Leere, Verzweiflung. Ich trauere jetzt noch wegen Verlusten vor Jahrzehnten.
Diese extrovertierte Trauerbekundung, lautstark mit Tränen und gegenseitigen Trauerbekundungen, ist mir fremd. Wenn ich trauere, kann ich mich schlecht äußern, dann erstarre ich, dann kann ich keine Gefühle zeigen, weil ich keine habe (außer Trauer).

Zitat von zoccoly:
Es gibt immer Sachen worüber sich die Kollegen aufregen und meiner Meinung auch zu recht. Lautstark wird dann debattiert. Ich habe den Eindruck sie sind wirklich wütend. Kommt dann aber zwei Minuten später der Vorgesetzte rein, scheint es kein Problem mehr zu geben.
Dieser schnelle Stimmungsumschwung ist mir schon oft aufgefallen. In der Schule wechselten heftige Feindschaften und Freundschaften manchmal von Pause zu Pause. Kollegen hatten sich heftig angebrüllt, eine Stunde später gingen sie zusammen friedlich essen. Bevor ich mich im Streit so heftig aufrege, muß schon sehr viel geschehen sein, dann streite ich mich aber ernsthaft, dann gibt es nicht so schnell eine Versöhnung, eher Blut.
Irgendwie scheinen die meisten Menschen in ihren Beziehungen sehr leichtfertig zu sein, wankelmütig. Heftige Aufregungen, aber nicht ernst gemeint.


Geschrieben von: Bluna am: 25.05.09, 09:32:55
An Azrael:
Ich verstehe deine Bemerkung unter meinem Beitrag nicht.
Ich hatte mich auf die Aussagen von Nicole Schuster bezogen.
Was meinst du in diesem Zusammenhang damit,es würde wohl niemand den Nerv aller Autisten treffen Können?
Allgemein:
Wenn ich mir die Aussagen von Nicole Schuster ansehe ,drängt sich mir der Vergleich mit Michael Jackson, auf dem Weg ein "Weißer" zu werden, auf.Das Resultat ist eine Fratze.
Meines Wissens hat er aber seinen Weg nicht als allgemeingültige Methode ,für Farbige in Amerika propagiert,der ihnen die Einfügung ,in die dortige weiße Gesellschaft,ermöglichen soll.
Mit einer Gabe ausgestattet,die es ihm ermöglicht durch seine Musik Massen zu begeistern,trotzdem die Wurzeln verleugnend,die der Ursprung dieser Gabe gewesen sein mögen.Traurig.


Geschrieben von: zoccoly am: 25.05.09, 10:49:40
Zitat von Bluna:

Wenn ich mir die Aussagen von Nicole Schuster ansehe ,drängt sich mir der Vergleich mit Michael Jackson, auf dem Weg ein "Weißer" zu werden, auf.

Ich sehe es auch so.

In der letzten Sendung mit N.Schuster zeigte man, wie sie einen smalltalk Kurs belegte.
Ich fand es traurig und sie tat mir leid, weil ich es als würdelos empfand, man ihre Schwierigkeiten erkannte und ich der Meinung war, sie hat es nicht nötig, wozu?
Für mich wäre das nichts und ich würde auch keinen Sinn darin sehen, weil mich diese Art von Unterhaltung nervt.
Wenn N.Schuster das aber anders sieht,ist das ihre Sache, egal ob ich das verstehe oder nicht.
In den Sendungen die ich sah, habe ich aber auch nie den Eindruck gehabt, sie spräche für alle Autisten. Sie sprach von ihrem eigenen Leben, dass es dann in der Gesellschaft anders ankommt, ist eine andere Sache. Vielleicht sollte sie das beachten und deutlicher machen, dass es nur ihre Meinung ist.


Geschrieben von: Hans am: 25.05.09, 11:48:34
Der Vergleich ist schon krass, aber was dran.
Ich sehe das nicht so schlimm, sie hat sich die Haare gefärbt,
das machen Frauen manchmal -
Aber
seit sie diesen "Schauspielunterricht" nimmt, wirkt sie nicht mehr so natürlich auf mich,
wie in früheren Sendungen unter uns oder 37grad.
Dafür ist sie halt jetzt "voll medientauglich",
da muß man halt bestimmte Spielregeln einhalten, das ist bestimmt nicht leicht.
Bestimmt auch nicht leicht ist es,
wenn von Einem im Zusammenhang mit "Einschränkungen" öffentlich gesprochen wird,
da tut sie mir immer wieder ein Bißchen leid.

Sie geht ihren Weg.


Geschrieben von: hallo. am: 25.05.09, 15:39:32
Zitat von drvaust:

Irgendwie scheinen die meisten Menschen in ihren Beziehungen sehr leichtfertig zu sein, wankelmütig.

Von einem logischen Standpunkt aus gesehen ist Wankelmütigkeit eventuell leichtfertig, aber NA's können durchaus wankelmütig sein und es dabei ernst meinen.
Meine Eltern z.B. streiten sich ca. 1mal in der Woche relativ heftig (zwar gewaltlos aber lauter), lieben sich aber trotzdem seit fast 40Jahren und könnten nicht ohne einander. So etwas ist für NA's kein Widerspruch.

Zitat von drvaust:

Heftige Aufregungen, aber nicht ernst gemeint.


Ich denke wenn ein NA sich heftig aufregt dann meint er es schon ernst, jedenfalls in dem Moment. Je nach NA kann es aber gut sein dass sowas nach ein bißchen Zeit vergessen wird oder verdrängt.Ich zum Beispiel kann innerhalb von wenigen Sekunden sehr wütend gemacht werden, mich aber dann auch nach ein paar Minuten fast vollständig beruhigen.








@azrael
Zitat von hallo.:

Zitat von azrael:

wenn eine person, während sie lacht, mitteilt, dass sie traurig ist - ist sie dann traurig? insbesondere dann, wenn sie in der art lacht, wie sie es tut, wenn sie "dumme witze reißt"?

Das ist eine sehr paradoxe Art sich mitzuteilen.
Mir ist sowas noch nicht begegnet.
Die einzigen Erklärungen die ich mir da selbst geben kann ist dass die Person eine tieferliegende Traurigkeit hat (z.b. Tod eines geliebten Menschen- manche trauern da sehr heftig über Monate und länger) und das Lachen nur einen kürzeren Moment von Erleichterung signalisiert oder die Person ist neurotisch/psychotisch.
So ein Verhalten wirkt auf jeden Fall auch für NA's rätselhaft. Ich würde da und in ähnlichen Situationen nachfragen (warum traurig?),


Ich möchte da noch eine Möglichkeit hinzufügen an die ich nicht gedacht hatte. Und zwar könnte es auch sein dass du eventuell ihre Mimik falsch intepretiert hast. Ich weiss ja nicht wie gut du Gesichter lesen kannst aber habe gerade mitgekriegt dass Autisten sich da desöfteren schwer tun.
Bei richtiger Interpretation ist aber das von dir beschriebene Verhalten auf jeden Fall sehr ungewöhnlich.








Zitat von zoccoly:

Bedeutet das also, sie haben eigentlich kein Problem, wollen zB. Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen hinnehmen, obwohl sie beim "Luft ablassen" was ganz anderes geäußert haben? Empfinden die von dir beschriebene befreiende Wirkung und die "Welt ist wieder in Ordnung".
Habe ich dich richtig verstanden?


Ja so habe ich das gemeint, mit einer Einschränkung.
Z.B. werden die Verschlechterungen der Arbeitsbedingung wohl tatsächlich als belastend empfunden aber die daraus zu ziehenden Konsequenzen (Arbeitsstellenwechsel, Gespräche mit dem Chef etc.) sind dabei wohl zu problematisch oder stehen aus der Sicht der Unmutsäußerer in keinem guten GewinnVerhältnis vs. der einzubringenden Energie um etwas zu verändern so dass man die Situation halt hinnimmt ohne dass diese einem wirklich gefällt.
Mit dem darüber lamentieren befreit man sich dann etwas von der empfundenen Schwere dieser negativen Gefühle.
Insofern gibt es schon ein Problem.








Zitat von drvaust:
Meinst Du allgemein einen Verlust oder ein Unglück? Oder einen 'richtigen' Trauerfall (toter Angehöriger)?

Ich meinte allgemein. Insofern haben die Antworten bisher meine Frage beantwortet.









zu Nicole Schuster:
Mir kommt das Small-Talk-Lernen nicht entwürdigend vor.
Ich verstehe dass sie da nicht in ihrem Element ist, es eventuell sogar gar nicht braucht (auch manch NA kann schlecht small-talken und macht sich nichts daraus)
aber ich sehe nicht inwieweit sie bei solch einer Übung etwas zu verlieren hätte.
Für mich ist es vergleichbar mit einem in Mallorca lebenden Deutschen der in einer deutschen Siedlung lebt und der die Landessprache Spanisch lernt (obwohl alle in seiner näheren Umgebung Deutsch sprechen).







Ansonsten find ich es überraschend dass bei den 3 Reportagen über Autismus die ich in den letzten Tagen angeschaut habe und in denen insgesamt neun Autisten vorgestellt wurden ich nur bei zwei von ihnen bemerkt hätte
dass eine andere Art von Wahrnehmung vorliegt.









Desweiteren möchte ich noch kurz was über loben schreiben, da mir scheint dass man hier Lob im allgemeinen kritisch gegenübersteht.
Ich persönlich lobe sehr viel bzw. äußere oft relativ nichtssagende Werturteile (wie der Film ist cool, das Lied ist geil, find ich gut dass du das machst etc.).
Was NA's grundsätzlich meinen wenn sie so etwas wie "Der Film ist toll" sagen ist dass sie den Film toll finden(ob der Film tatsächlich toll ist ist damit erstmal gar nicht gesagt, auch wenn manch NA seine Meinung als Fakt bzw. Wahrheit ansieht).
Das Warum wird dabei nicht erwähnt und kann vielerlei Gründe haben ( eventuell mag man das Thema, oder die Umsetzung, eventuell die Dialoge oder die Kameraführung, die Symbolik oder weil bestimmte Dinge als wahr empfunden wurden, weil der Film vielleicht lustig gemacht ist oder clever etc.).
So etwas detaillierteres würden NA aber auch preisgeben auf Nachfrage.
Oft sind NA aber gar nicht so sehr interessiert nach dem Warum, sie geben sich oft mit der Information zufrieden dass der Gesprächspartner den Film (aus welchem Grund auch immer) gut findet. Bei Lob verhält es sich ähnlich. Anstatt positiv oder negativ zu kritisieren wird nur das emotionale Resultat vermittelt. Eventuell erscheint Lob deshalb
so nichtssagend für manche A's da hier wiederum nicht so direkt der Kern des Gemeinten kommuniziert wird sondern eben nur das emotionale Resultat.
Imo bei Interesse, sollte mal wieder ein Lob fallen, einfach nachfragen was als positiv empfunden wurde.