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Wer sagt, Terror, Gewalt und die Unterdrückung von Frauen hätten auch mit dem Islam zu tun, gilt schnell als islamophob und fremdenfeindlich. Das schadet einer wichtigen Debatte.
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"Wer so tut, als ob Gewalt und Religion nichts miteinander zu tun hätten, der macht sich geradezu lächerlich", sagte etwa Autor Navid Kermani, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, in der Zeit. "Der europäische Faschismus hatte seine Ursachen auch in der europäischen Geistesgeschichte, und ebenso hat die islamische Spielart des Faschismus Ursachen auch in der islamischen Religion - was natürlich nicht heißt, dass beides identisch ist."
Für Maajid Nawaz, einen britischen Ex-Islamisten und prominenten Politiker der Liberaldemokraten, ist der Islam "keine Religion der Gewalt, aber auch keine Religion des Friedens".
Cem Özdemir, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Bundestag, "kann es nicht mehr hören", wenn Islamvertreter erklärten, das alles habe nichts mit dem Islam zu tun. Und der Deutschsyrer Bassam Tibi, ehemals Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen und gläubiger Muslim, beschreibt Gotteskrieger als "fromme Muslime". Er weiß, wovon er spricht. Für seine Studien hat er eigenen Angaben zufolge Islamisten in 20 Ländern interviewt.
Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, wie Extremisten ihr Handeln mit der Religion rechtfertigen, kann dies mittels der "Botschaften" von Osama bin Laden und anderen Terroristen tun. Oder er kann in die Schriften von Muslimbrüdern wie Sayyid Qubt oder in das Magazin des sogenannten Islamischen Staates, Dabiq, schauen: Für jede Gewalttat, für jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit berufen sie sich auf Koransuren und Auslegungen des Quellenmaterials.
Suren aus dem Kontext gerissen
Zwar reißen Islamisten immer wieder Suren aus dem Zusammenhang. Verteidiger des Islam tun dies jedoch ebenfalls häufig. Gerne wird etwa die Koransure 5,32 zitiert: "Wer immer einen Unschuldigen tötet, so ist es, als hätte er alle Menschen getötet." Doch dabei handelt es sich nicht etwa um ein allgemeines Tötungsverbot. Der erste, meist ignorierte Teil des Satzes lautet: "Aus diesen Gründen haben wir den Kindern Israels vorgeschrieben, dass ..." In der folgenden Sure 5,33 sehen Dschihadisten dann wieder eine Rechtfertigung für ihre Gräueltaten: "Der Lohn derjenigen, die Krieg führen gegen Allah und Seinen Gesandten und sich bemühen, auf der Erde Unheil zu stiften, ist indessen, dass sie allesamt getötet oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt, oder dass sie aus dem Land verbannt werden."
Eine weitere Sure (18, Vers 29), die den friedlichen Charakter des Islam belegen soll, lautet: "Wer will, der glaube; wer will, der bleibe ungläubig." Im nächsten Satz heißt es allerdings: "Für die Frevler halten wir (gemeint ist Gott) ein Feuer bereit, das sie ganz einschließt, und rufen sie um Hilfe, dann hilft man ihnen mit Wasser so heiß wie flüssiges Metall, das ihnen die Gesichter brät." Es gehe hier demnach nicht um Glaubensfreiheit, schreibt der Islamwissenschaftler Tilman Nagel von der Universität Göttingen. Es handele sich um eine der vielen Drohreden, die der Koran gegen Andersgläubige richtet. Wenn also Islamkritikern vorgeworfen werden kann, den Koran einseitig zu betrachten, müssen sich jene, die den Islam mit Suren verteidigen, sich diese Kritik genauso gefallen lassen - egal, wie viele dazu geeignete Textstellen zur Verfügung stehen.
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Das ist dem in Ägypten geborenen Ex-Muslimbruder und Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad allerdings zu einfach. "Man muss zwischen Muslimen und Islam unterscheiden, aber den Islam nicht reinwaschen wollen", sagte er in der Zeit. Wer - wie viele Muslime es tun - den Koran als direktes Wort Gottes betrachtet, könne ihn eigentlich nicht relativieren.
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"Was die 'Linken' übersehen", schreibt Namazie im Guardian, sei, dass in der muslimischen Welt "im Kern ein Kampf stattfindet zwischen Theokraten und der religiösen Rechten einerseits und Säkularisten und jenen, die für soziale Gerechtigkeit andererseits kämpfen." Anstatt die fortschrittlichen Kräfte in den muslimischen Gemeinden zu stärken, werfe ein Teil der Linken den "Schleier des Respekts vor der anderen Kultur" über die Missstände und die Ablehnung der Werte wie Freiheit und Gleichheit, die dort zum Teil herrschten.
Sie ist mit ihrem Frust darüber nicht allein. So fordert die offen lesbische kanadische Muslimin Irshad Manji, dass Nichtmuslime im Westen endlich ihr Schweigen und ihre Selbstzensur brechen sollten. "Multikulturalismus kann von Nichtmuslimen nicht länger wörtlich genommen werden."
Auch Samuel Schirmbeck, zehn Jahre in Nordafrika Korrespondent der ARD, kritisierte jüngst in der FAZ die "liebedienerische Haltung des hiesigen linken Spektrums gegenüber jedwedem Obskurantismus", sobald dieser nur das Etikett "muslimisch" trage. Anstatt den muslimischen Aufklärerinnen und Aufklärern zur Seite zu springen, dresche die deutsche Linke seit fünfzehn Jahren auf sie ein und beschuldige sie, Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten zu liefern.
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So halten nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2015 etwa 90 Prozent der sunnitischen Muslime in Deutschland die Demokratie zwar für eine gute Regierungsform. Eine Untersuchung der Hamburger Universität für die Bundesregierung hatte 2007 allerdings gezeigt, dass etwa 47 Prozent der befragten Muslime die Befolgung der religiösen Gebote für wichtiger hielten als die Demokratie. Liegt hier ein Widerspruch vor oder eine Priorisierung?
In einer Umfrage, die das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2013 veröffentlicht hat, stimmten sogar 65 Prozent der in Europa befragten Muslime türkischer und marokkanischer Herkunft der Aussage zu, dass religiöse Regeln wichtiger seien als die Gesetze des Landes, in dem sie leben. (Unter den Christen waren das immerhin auch 13 Prozent.)
In Gallup-Umfragen, die zwischen 2001 und 2007 in 35 Staaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung - von der Türkei über Saudi-Arabien bis Indonesien - durchgeführt wurden, gab in den meisten Ländern die Mehrheit an, eine Form der Scharia sollte eine oder sogar die einzige Quelle der Gesetzgebung sein. Zugleich sprachen sich jedoch mehr als 90 Prozent dafür aus, die Meinungsfreiheit in der Verfassung zu verankern, und viele wünschten sich Religions- und Versammlungsfreiheit sowie mehr Unabhängigkeit für Frauen.
In der Vorstellung, wie die Gesellschaft aussehen sollte, finden sich bei vielen Muslimen demnach jedenfalls auch wichtige Aspekte des Islamismus wieder.