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Als Gotteslästerung beschimpft die Frau mit dem Kopftuch die Kunstwerke, die im Frühjahr 2007 nur ein paar Kilometer von hier im Sacharow-Zentrum gezeigt wurden. "Verbotene Kunst 2006" hieß die Ausstellung der Bilder, die dabei jedoch von hohen Stellwänden verdeckt wurden. Nur wer durch die kleinen Gucklöcher linste, konnte zum Beispiel eine Ikone erkennen, in deren goldenen Rahmen keine Gottesmutter gemalt war, sondern schwarzer Kaviar. Besonders weh hat den russisch-orthodoxen Zeugen jedoch das Kunstwerk von Wagritsch Bachtschanjan getan: Der Erlöser am Kreuz - mit einem Lenin-Orden als Kopf. Das Bild hat Bachtschanjan Anfang der achtziger Jahre gemalt.
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"Im zaristischen Russland stand auf Gotteslästerung die Todesstrafe", ruft Priester Pawel Burow den Angeklagten in Erinnerung und erntet dafür Applaus der vielen älteren Frauen mit Kopftüchern, die in den hinteren Reihen sitzen und ihre Bibeln und Ikonen festhalten. "Die russische Seele ist vom orthodoxen Glauben erzogen", fährt der Mann im schwarzen Priestermantel mit seiner Predigt fort, streicht sich dabei immer wieder durch seinen langen grauen Bart.
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Die einen glauben an die in der russischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechte, an die Freiheit der Meinungsäußerung und die Trennung von Staat und Kirche. Die anderen würden das alles am liebsten ändern. "Ich bedauere, dass unsere Konstitution weltlich ist. Ein weltlicher Staat ohne Ideologie kann das Volk nicht sittlich erziehen", sagt Priester Pawel.