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Thema: Autist oder nicht? (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=2807)


Geschrieben von: Janaxxx am: 09.04.09, 21:39:44
Hallo zusammen,

ich habe mit einem verhaltensauffälligen Menschen in meiner Umgebung zu tun, der meiner Meinung nach (ich bin völliger Laie in diesem Gebiet) ein Autist sein könnte. Damit ich mein Verhalten anpassen kann (ich möchte ihm nicht "auf die Füße treten") würde mich interessieren, ob es sich wirklich um einen Autisten handelt und ich mich darauf einstellen sollte. Die von mir geschilderten Eindrücke sind nicht ausschließlich subjektiv, andere teilen sie mit mir.

Falls eine Fern-"Diagnose" möglich ist, würde ich mich freuen, wenn ihr mir/ ihm helfen würdet. Hier Beispiele für das Verhalten (falls es wichtig ist: er ist 30 Jahre alt, hat erfolgreich studiert):

merkt nicht, daß die Umgebung keinen näheren Kontakt möchte (wegen seiner auffälligen Art); d.h. Einmischung in Gespräche und Versuche, ein Gespräch zu beginnen durch abrupte, völlig unpassende Sätze/ Bemerkungen; trotzdem (unbeholfene) Kontaktsuche zu bestimmten Menschen

hat ein hervorragendes Zahlen- und Koordination-Gedächtnis, ist aber völlig überfordert, wenn neue Aspekte ins Gespräch kommen (kann keinen small talk führen)

unpassende, laute Bemerkungen auf dem Niveau eines Teenagers (vermutlich Versuch, Anerkennung durch "coole" Sprüche zu bekommen)

Dauerndes heimliches Starren in meine Richtung (ich empfinde dies als belästigend, da wirklich konstant), dabei extreme Vermeidung des direkten Augenkontakts; bei harschen Bemerkungen diesbezüglich durch mich: kurzfristige (max. 1/2 Tag) Besserung; bei direkter und höflicher Ansprache: nach Rechtfertigungen suchend, Aussage, daß dies "unabsichtlich" geschieht, wirklicher Versuch, das Verhalten zu ändern

Auffälligkeiten in der Motorik, Bewegungen erscheinen z.T. "abgehackt" (keine Ahnung, wie ich es besser formulieren soll)

ständige unbegründete Angst, etwas zu verpassen/ zu spät zu kommen (z.B. Zug)

keine Überquerung roter Ampeln, obwohl kein Verkehr und alle es tun

häufiges Aufsuchen menschenleerer Orte (Toilette, um den Block gehen), tritt häufiger nach Ansprechen auf das o.g. Starren auf

Ich würde mich sehr über Antworten freuen


Geschrieben von: drvaust am: 09.04.09, 22:10:05
Das ist schwer zu sagen. Es könnte auch andere Ursachen haben. Es könnte ein Autist sein, der gesellschaftlich sehr unsicher ist.
Zitat von Janaxxx:
daß die Umgebung keinen näheren Kontakt möchte (wegen seiner auffälligen Art)
Schlimm.
Zitat von Janaxxx:
merkt nicht, daß die Umgebung keinen näheren Kontakt möchte (wegen seiner auffälligen Art); d.h. Einmischung in Gespräche und Versuche, ein Gespräch zu beginnen durch abrupte, völlig unpassende Sätze/ Bemerkungen; trotzdem (unbeholfene) Kontaktsuche zu bestimmten Menschen
unpassende, laute Bemerkungen auf dem Niveau eines Teenagers (vermutlich Versuch, Anerkennung durch "coole" Sprüche zu bekommen)
Das erinnert mich an mein früheres Verhalten, als ich noch nicht so viel über die 'normalen' Menschen gelernt hatte.
Vermutlich merkt er es, aber er kann nicht anders und nicht alleine leben.
Zitat von Janaxxx:
ständige unbegründete Angst, etwas zu verpassen/ zu spät zu kommen (z.B. Zug)
Er scheint sehr unsicher zu sein.
Zitat von Janaxxx:
häufiges Aufsuchen menschenleerer Orte (Toilette, um den Block gehen), tritt häufiger nach Ansprechen auf das o.g. Starren auf
Das deutet bei einem Autisten auf Überlastung hin, es wird reizarme Ruhe gebraucht, um sich zu beruhigen.
Zitat von Janaxxx:
keine Überquerung roter Ampeln, obwohl kein Verkehr und alle es tun
Das ist doch korrekt.
tja Eine Ferndiagnose ist schwer. Wie stehst Du zu ihm? Was willst Du mit ihm? Willst Du nur verstehen? Oder willst Du ihm helfen?


Geschrieben von: [modmod] am: 09.04.09, 22:25:47
Ich habe die Duplikate dieses Themas hier entfernt.


Geschrieben von: Janaxxx am: 09.04.09, 22:40:39
Hi,

vielen Dank für deine Antwort zz-freuen

Wie ich zu ihm stehe/ der Grund für den Beitrag: ich fühle mich "belästigt" (oder auch: es mir unangenehm), wenn ich die ganze Zeit angestarrt werde. Ich kann mich verbal wehren, möchte aber nicht einen "kranken" Menschen, der nichts für sein Verhalten kann, verletzen.

Deswegen versuche ich auszuloten, ob ich mich in gewohnter Weise verhalten sollte (d.h. ihn mehr oder weniger höflich) und ihn auf das, was mich stört, aufmerksam zu machen oder ob das unangebracht wäre. Ich will niemanden pickieren/ isolieren (wir fahren gemeinsam im Zug) oder gar schlimmeres zufügen, aber meine Position deutlich machen (daß sein verhalten einfach störend ist, aber nichts gegen ihn oder "normalen small talk" habe). Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll und hoffe (falls er per Fern-Diagnose als Autist angesehnen werden kann)auf eine Art Anleitung, wie wir beide eine gute Lösung für das "Miteinander" finden können.

Ich hoffe, das war verständlich:))


Geschrieben von: Janaxxx am: 09.04.09, 22:49:48
Um es auf den Punkt zu bringen:

ich will ihn nicht verletzen, um mich "ungestört" zu fühlen, schon gar nicht, wenn er für sein Verhalten nichts kann. Und wenn er Autist wäre/ ist, wäre es für mich in Ordnung, über das Verhalten, was mich stört, hinwegzusehen.


Geschrieben von: drvaust am: 09.04.09, 22:54:15
Vielleicht kannst Du es ihm sachlich erklären, ohne ihn weiter zu verunsichern.
Vermutlich mag er Dich, kann sich aber nicht normal verhalten, weil er das nicht kennt.
Sag ihm am besten sachlich klar und unmißverständlich, wie Du das siehst, und warum.
Aber bitte nicht einfach abweisen, ohne daß er das versteht.
Besser wäre es, wenn Du ihm etwas hilfst, die Gesellschaft zu verstehen.


Geschrieben von: Janaxxx am: 09.04.09, 23:25:41
Ich glaube, meine vorherige Antowrt ist irgendwie verschwunden...

Ich werde versuchen, deine Ratschläge zu befolgen und ihn wiederholt offen konfrontieren, sofern die Situation sich nicht bessert.
Das "normale" Gespräch habe ich bisher gemieden, da ich keine unerwiderbaren Hoffnungen schüren wollte und ich sein Verhalten nicht einschätzen kann.

Noch eine Frage: habe ich es vermutlich mit einem Autisten (oder Unterform) zu tun (ich weiß, daß eine genaue Diagnose unmöglich ist), oder ist das Verhalten aus deiner Sicht "im Rahmen des Normalen" und reagiere über?


Geschrieben von: Andreas K. am: 10.04.09, 01:34:22
Hallo Jana,

ich finde es schon ziemlich krass, daß Du ein "normales"= ergebnis-offenes, Gespräch außerhalb von "laß mich in Ruhe" oder smalltalk bislang vermieden hast. Autisten können/wollen keinen Smalltalk oder er ist für sie angelernte, sozial sinnlose Anpassungstaktik um nicht aufzufallen.
Falls er ein Autist ist, wird der Ehrlichkeit nicht als Liebesbeweis sehen (wovor Du vielleicht Angst hast?), sondern es wäre die einzige Form der Auseinandersetzung, aus der er etwas kapiert. Vielleicht kapiert er auch, warum das, was für ihn vielleicht schüchternes Gucken ist, für Dich eine Belästigung darstellt.
Bei autistischen Menschen ist die logische Intelligenz stärker entwickelt, als die emotionale im NT-Sinne. Ich hatte mich auch schon unerwiedert in Frauen verliebt, denen ich dann so hinterhergeguckt habe, daß es ihnen unangenehm war-- obwohl ich es vermeiden wollte. Falls dies NACH einem klärenden Gespräch noch so bleibt und eine sachliche Beziehung wie z.B. zwischen Arbeitskollegen nicht geht: Dann könnte es für beide vielleicht entspannender sein, tatsächlich in unterschiedlichen Zugabteilen zu reisen; ich weiß ja nicht, wo ihr einander seht.


Geschrieben von: Viktor am: 10.04.09, 08:21:12
Manche starren Menschen an, weil sie Gesichtsblind sind und kaum Gesichter wieder erkennen

ich starre auch sehr gerne an, weil ich mir versuche sympathische Gesichter irgendwie im Gehirn zu behalten, aber es klappt nicht, nach ganz kurzer Zeit verschwindet in Gedanken das Gesicht, obwohl ich es so gerne in mir behalten möchte.


Geschrieben von: Hans am: 10.04.09, 09:56:46
Wenn jetzt aber die Kombination, ein Autist, der sich in Dich verliebt hat, eintritt?
Das ist doch nicht so schlimm, Du bist halt schön, laß dich doch anschauen, oder tut das weh?
Ich dachte nur Autisten empfinden es unangenehm angeschaut zu werden.

Ich verliebe mich laufend in alles Schöne, das mir über den Weg läuft
werde aber ausser anhimmeln
nichts unternehmen.

Da gibt es ein Sprichwort von einem berühmten Schriftsteller:
Frauen sind für mich wie Elefanten,
ich sehe sie mir gerne an,
möchte aber keine(n) davon haben.

Das beschreibt es bei mir ziemlich genau.
Wenn er autistisch wäre, wäre er nicht zu fürchten, da bin ich sicher.

Ich hoffe ich konnte Dir eine eventuell vorhandene Angst nehmen.

Autisten sind nicht gefährlich, Autisten sind gefährdet.


Geschrieben von: Janaxxx am: 10.04.09, 10:01:10
Vielleicht mal was zu den äußeren Umständen:
Wir besuchen gemeinsam eine Fortbildung, wobei ich neben ihm sitze, und fahren morgens und abends im selben Zug.

Zu dem offenen ergebnis-orientierten Gespräch: ich habe das gestern getan mit dem Ergebnis, daß er sich wirklich bemüht (was sehr positiv ist). Also er versucht, sein Verhalten zu ändern, was aber nicht ganz funktioniert. Außerdem erscheint er dabei verkrampft und hat nach dem Gespräch mehrmals den Raum für eine längere Zeit verlassen, was für mich ein Indiz ist, daß es ihm etwas ausgemacht hat (was natürlich auch nicht mein Ziel ist).

In den Pausen und im Zug (wobei noch 2 andere Teilnehmer mit dem selben fahren) sucht er den Kontakt zu Menschen, nur ist dies eben auf eine "Elefant-im-Porzellanladen-Art", die (zumindest für Außenstehende) sehr auffällig ist und nicht funktionieren kann.


Geschrieben von: Janaxxx am: 10.04.09, 10:07:27
Hi Hans,

ich habe keine Angst im eigentlichen Sinne (vor körperlichen Übergriffen oder so). Ich fühle mich nur belästigt, wenn man mich die ganze Zeit "heimlich" anstarrt und dann den direkten Blickkontakt meidet wie der Teufel das Weihwasser.
So was macht mich irgendwie aggressiv und ich möchte das nicht an jemandem auslassen, der für sein Verhalten nichts kann und seine psychische Situation noch verschlimmern.
Deswegen meine Frage: ist es vermutlich ein Autist und sollte ich dies in meinem Verhalten berücksichtigen oder kann ich in gewohnter Weise reagieren?