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Thema: Äußerung - objektive Fakten oder Beziehungsebene (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=2628)


Geschrieben von: drvaust am: 27.01.09, 05:13:18
Ich habe oft das Problem, daß ich über Fakten spreche und es werden Äußerungen zu Beziehungen verstanden, oder andersherum.
In letzter Zeit scheint es hier im Forum eine ähnliche Erscheinung zu geben, deshalb komme ich jetzt darauf.

Ich vermute, NA leben mehr in der Gesellschaft, beschäftigen sich mehr mit Beziehungen, sprechen mehr über Beziehungen und erwarten bei Äußerungen eher eine Aussage zur Beziehung. Natürlich gibt es auch NA, bei denen es anders ist.
Ich lebe weniger in der Gesellschaft, beschäftige mich weniger mit Beziehungen, spreche weniger über Beziehungen und erwarte bei Äußerungen weniger eine Aussage zur Beziehung.
Ich habe dieses Problem zwar schon jahrzehntelang studiert und passe auf, aber es kommt immer wieder zu Missverständnissen.

Wenn ich über bestehende Probleme rede und eine Lösung diskutieren will, ist mein Gesprächspartner plötzlich beleidigt, als hätte ich ihn beschuldigt.
Z.B.: Ich war auf Arbeit mal für die Organisation der Arbeit für eine Fremdfirma verantwortlich (nicht meine Stärke). Die Mitarbeiter waren alle beschäftigt, aber plötzlich brauchten viele neue Arbeit, was jedoch nicht so schnell ging. Da hatte ich die Fremdfirma angerufen, wie wir am schnellsten neue Arbeit heranbekommen. Danach rief mich der Geschäftsführer an, ich hätte die Fremdfirma beleidigt, hätte sie beschuldigt. Das hatte ich nicht, kein Wort, ich hatte um Hilfe gebeten.

Wenn ich jemand auf Fehler hinweisen will, nicht beschuldigen, nur sachlich kritisieren, getraue ich mir das kaum, weil der dann meistens beleidigt ist.

Mir wird eine Frage gestellt, die ich sachlich beantworte. Dann ist mein Gesprächspartner beleidigt, weil er etwas anderes meinte, was er aber nicht sagte.
Z.B.: Mein Bruder hatte mal, vom Kindergarten aus, einen Lampionumzug mit Mädchenspielmannszug davor. Ich wollte eigentlich nicht mit, langweiliges Gelatsche in einer Menschenmenge, aber für meinen Bruder bin ich mitgegangen. Am nächsten Tag fragte mich eine Mitschülerin, wie ich den Lampionumzug fand. Diese Frage hatte ich ehrlich beantwortet, da war die Mitschülerin beleidigt. Diese Mitschülerin war im Mädchenspielmannszug und meinte, wie ich den Mädchenspielmannszug fand, hatte das aber nicht gefragt.

Mir passiert es auch, daß mir jemand etwas Beziehungsmäßiges andeutet, ich das aber nicht bemerke.
Z.B.: Ich werde gelobt, merke das aber nicht und bin nur über das unsachliche Gequatsche genervt.
Mir ist es passiert, daß sich jemand beschwerte, weil er mich sogar mehrfach beleidigt hatte, ohne daß ich irgendeine Reaktion gezeigt hatte. Ich hatte nichts bemerkt, er hätte es mir sagen sollen, daß er mich beleidigen wollte. (Ich kann auch beleidigt sein.) Er wollte nur eine Reaktion von mir, weil ihm meine sachliche unpersönliche Art unheimlich war.

Manchmal habe ich den Eindruck, daß ich eine andere Sprache spreche. Ich rede über Fakten, mein Gesprächspartner, scheinbar in der gleichen Sprache, über Beziehungen.


Geschrieben von: Hans am: 27.01.09, 07:35:54
Das kenne ich, nur zu gut.
Ich hatte als Prüfer der Endgeräte immer wieder den Fehler einer Monteurin nachgebessert.
Ich habe sie darauf angesprochen, daß sie bei diesem Bauteil, das mit fünf Lötstellen anzulöten ist, drei regelmäßig vergisst.
Ich mußte um das zu reparieren, fast das ganze Gerät zerlegen.
Als nach Monate nicht besser war habe ich sie nochmals darauf angesprochen.
Ich habe ihr gesagt, wenn sie die Lötstellen nochmal vergisst,
lasse ich SIE das ganze Gerät zerlegen und wieder zusammenbauen.
Sie wollte mich abwimmeln, daß sie ja nicht für Reparaturen zuständig sei.
Dann sagte sie noch:
"Zieh Du erst einmal zwei Kinder auf, dann kannst Du mir was erzählen!"
Da ist mir erst mal nichts mehr eingefallen.

Ich weiß nicht, was Kindererziehung mit gewissenhaftem Arbeiten zu tun hat.

Die Kinder habe ich inzwischen auch kennen gelernt.
Von der ganzen Siedlung sind ihre Kinder die, die am wenigsten "erzogen" sind und mit ordinären Ausdrücken auf der Straße herumschreien.


Warscheinlich hat sie da auch "was vergessen".


Geschrieben von: Gollum am: 27.01.09, 08:32:16
Ganz klar, es geht NA oft genau so.
Mag sein, das man es als NA besser hinnehmen kann und man es einfach (gedanklich) ablegt unter: "Die hat eben schlechte Laune" o.ä.

Es ist oft schwer zu kapieren, was eigentlich dahinter steckt, oder ob es sich nur um ein Missverständnis handelt - ich habe z.B. derartige irationale Streitmomente ständig mit meiner Frau und es wird mir langsam zu anstrengend, weil ich genau merke, das was ganz anderes dahinter steckt .... was das genau ist, ist aber eben nicht so einfach zu entschlüsseln


Geschrieben von: stringbound am: 27.01.09, 09:06:20
@drvaust, das hat damit zu tun, das "NA" zuerst die Beziehungsebene klären, bevor sie sich der Sachebene widmen.

Ein "NA" kann sonst nur schwer zwischen der Beziehungs- und der Sachebene trennen.
Im Normalfall bedeutet es den Auschluß eines Mitglieds aus einer Gruppe, wenn die Gruppe diesem gegenüber auf der Sachebene bleibt.

Die Übersetzung für den Satz "Zieh erst Mal zwei Kinder groß" bedeutet "ich habe Angst, meinen Job zu verlieren, weil ich dann meine Kinder nicht mehr ernähren kann".
Diese Angst hat Hans nicht erkannt, daher konnte er der Frau diese Angst auch nicht nehmen.
Es ist davon auszugehen, dass der Frau ihre Unzulänglichkeiten als Mutter bekannt waren, darum hat sie den Vergleich zwischen ihrer Arbeit und der Erziehung ihrer Kinder gemacht.
Sie war es gewohnt, dass man auf ihr "herumtrampelt".
Ich denke, dass nie jemand auf die Idee gekommen ist, sie durch ein Lob (und sei es ein konstruiertes Lob)zu motivieren und damit ihre Loyalität zu gewinnen.

Obwohl ich das kenne und erkenne, bin ich selber nicht in der Lage, mir das zunutze zu machen, da ich nicht lügen kann, aber ich kann jemand bitten, das zu übernehmen, weeil ich meine Schwäche kenne.
Das nennt man delegieren...


Geschrieben von: Hans am: 27.01.09, 09:34:10
Ah, da ist es wieder:
Ich hätte es also anders z. B. so einfädeln müssen:
"Das ist seehr gut, liebe Margarete, Du lötest das schon sehr gut.
Wenn Du jetzt auch noch ALLE Lötstellen versorgst, sind wir alle noch mehr zufrieden.

Bevor ich solchen Müll von mir gebe und mich dabei verbiege,
lass´ ich es lieber, sage es dem Abteilungsleiter und muß mich nicht von ihr herabkanzeln lassen.


Geschrieben von: stringbound am: 27.01.09, 10:44:57
@Hans, du mußt gar nichts einfädeln.
Es geht lediglich darum, die Schwächen anderer zu erkennen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten darauf Rücksicht zu nehmen.

Du hättest die Geräte auch nur prüfen müssen und nicht reparieren.
Wenn das bedeutet, den Abteilungsleiter die Sache regeln zu lassen, dann ist das so.
Schließlich ist das sein Job und nicht deiner, wie du selber festgestellt hast.

Zitat von Hans:
Bevor ich ... mich ... verbiege,
sage (ich) es dem Abteilungsleiter ..


Geschrieben von: Hans am: 27.01.09, 11:59:16
Das war ein Wenig anders, der Prüfer hat ja den Fehler suchen und beheben müssen.
Ich war damit sehr aufgehalten und hätte diesen "Wiederholungsfehler" melden müssen,
damit sie dann eine Abmahnung bekommt...
Ich dachte ich tue was gutes und habe ihr den Fehler ohne den offiziellen Weg mitteilen wollen,
damit es ohne Konsequenzen auf ihre Leistungsbeurteilung und Leistungszulage abgeht.

Sie hätte ja auch anders(richtig) reagieren können zum Bleistift:
" Ah ja, danke, ich hab halt grad´recht viel Streß mit meine Kinder,
aber ich werde mich bemühen ..."

Dann hätte ich das nächste Mal, wenn der Fehler wieder auftritt,
geduldiger repariert und es wäre auch gegangen.

Ich habe durchaus Verständnis für alleinerziehende Mütter,
aber nicht wenn sie mich für dumm verkaufen wollen!


Geschrieben von: stringbound am: 27.01.09, 12:30:25
@Hans, das Problem ist, dass Menschen dazu neigen nicht "richtig" oder "falsch" (bzw. angemessen) zu reagieren.
Sie reagieren emotional und sind damit für viele uns oft unberechenbar.
Die Kunst für mich bestand darin, zu lerne, soetwas nicht persönlich zu nehmen.

Die Frau ist es gewohnt, dass man sie tritt und sie erwartet auch von dir, dass du sie trittst.

Das ist wie die Geschichte von dem zur Hälfte gefüllten Glas, dass je nach Perspektive, als halb voll oder halb leer betrachtet werden kann.

Das Glas von dem armen Ding (der Frau) ist immer halb leer.


Geschrieben von: Sturm am: 27.01.09, 18:41:14
Ich befürchte, daß ich es nie verstehen werde, warum Leute Sach und Beziehungsebene nicht trennen können. traurig

Sturm


Geschrieben von: sayo am: 27.01.09, 19:56:52
Aber auch NA verstehen das oft nicht.
Meine Tochter regte sich einmal über den Direktor der Schule auf, er hatte lange gefehlt und es fielen viele Stunden aus die dringend gebraucht wurden.
Eine Mitschülerin sagte daraufhin: Aber er war doch so lange krank.

Meine sechzehnjährige Tochter fand diese Antwort total unsachlich und sie ist keine A.


Geschrieben von: Sturm am: 27.01.09, 20:09:29
Zitat von sayo:
Aber auch NA verstehen das oft nicht.
Meine Tochter regte sich einmal über den Direktor der Schule auf, er hatte lange gefehlt und es fielen viele Stunden aus die dringend gebraucht wurden.
Eine Mitschülerin sagte daraufhin: Aber er war doch so lange krank.

Meine sechzehnjährige Tochter fand diese Antwort total unsachlich und sie ist keine A.


Hallo sayo,

ich verstehe nicht was Du sagst.
Wenn der Direktor krank war, konnte er keinen Unterricht geben.
Was ist daran unsachlich?
Unsachlich ist die Unterstellung, er sei nicht krank gewesen.

Sturm


Geschrieben von: sayo am: 27.01.09, 21:21:09
Ich hatte geschrieben, er hatte lange gefehlt, nicht er fehlte. Er hatte lange gefehlt beinhaltet die Vorzeitigkeit, er war also wieder da.