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Ausgrenzung - Keine freie Schulwahl für behinderte Kinder
Sendung vom 04. Dezember 2008, Autor: Anna Berkhout und Chris Humbs - Kontraste - RBB
Eine Schule in Baden-Württemberg darf keine Behinderten mehr aufnehmen. Die Landesregierung hat den Unterricht, in dem Behinderte integriert werden, für die Schulanfänger verboten. Das Schulprojekt war bislang geduldet worden. Müssen die Kinder jetzt in eine Sonderschule? Das würde gegen Völkerrecht verstoßen, denn in der UN-Konvention für die Rechte Behinderter ist ein freier Schulzugang festgelegt.
Wann haben Sie das letzte Mal einen geistig Behinderten gesehen?! Wahrscheinlich müssen Sie jetzt etwas länger nachdenken, denn Behinderte sind in Deutschland fast unsichtbar. Von klein auf an werden sie in speziellen Einrichtungen untergebracht, wo man sich bestimmt gut um sie kümmert. Aber den alltäglichen Umgang mit Nichtbehinderten – möglichst in ihrer eigenen Altersgruppe – den erleben Behinderte kaum. Sie werden eher von der Außenwelt abgeschottet. Doch damit soll jetzt Schluss sein.
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Gemeinsames Spielen und Lernen. Von der ersten Klasse an. So wird die Scheu vor dem Fremden, Andersartigen abgebaut.
Der Umgang miteinander wird selbstverständlich. Auch die Eltern von nicht behinderten Kindern sind von dieser Schule überzeugt:
Stefanie Schaich, Mutter von Anouk
„Zum Beispiel, wenn sie davor jemanden getroffen hat, wo vielleicht nicht so schön aussah: hat sie gesagt ‚Ihhh…’ und jetzt geht sie zum Beispiel wenn wir jemanden Behinderten treffen ganz anders damit um und macht sich Gedanken, warum die Menschen so sind und kann das viel besser annehmen und das macht mich einfach glücklich, wenn ich das sehe.“
Die 12 Klasse. Auch hier werden behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet. Die Schüler planen ihre Abschlussreise – noch vor den Abiturprüfungen. Die Behinderten werden den Abschluss nicht schaffen. Der Lernstoff ist zu schwierig. Dennoch: Sie haben 12 Jahre lang mit den Nichtbehinderten gelernt, gefeiert und auch mal gestritten. Hier sind sie mitten im Leben, werden täglich gefordert. Anders als in einer Sonderschule, wo Behinderte getrennt von nicht behinderten Schülern gefördert werden.
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„Man versucht beiden Seiten dieses Miteinander beizubringen und ich find das gehört einfach zu einer ganz normalen Gesellschaft dazu, dass dieses Miteinander, dass das normal ist.“
Erhard Beck, Lehrer Waldorfschule Emmendingen
„Ich war vier Jahre in einer Sonderschule, acht Jahre in einer ganz Normalen, jetzt in der Integrativen und ich hab aus Erfahrung gemerkt, dass die Kinder in der integrativen Schule einfach noch mehr lernen und zwar von den Mitschülern und das kann eine Sonderschule nicht gewährleisten.“
Lehrerin
„Good morning, what is your name?“
Schüler
“Merlin.“
Im Klassenzimmer helfen der Lehrerin zusätzlich eine Pädagogin und eine Sozialarbeiterin.
Das kommt der ganzen Klasse zu Gute. Trotzdem – dieses Konzept ist immer noch kostengünstiger als eine traditionelle Sonderschule. Eine Ursache: weniger Bürokratie, geringere Verwaltungskosten.
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Gloria Albrecht, Mutter von Chiara
„Wir haben sie hier angemeldet und dachten, sie kann hier auf die Schule gehen. Plötzlich hieß es: `Ne! Manche Kinder dürfen nicht in diese Schule kommen.` Und dann haben wir gesagt, wir haben uns ein Jahr Zeit genommen, die richtige Schule für Chiara zu finden. Wir fanden das diese die beste Schule ist, dass kann jetzt nicht sein, dass aus politischen Gründen Chiara hier nicht herkommen darf.“
Der Grund: Das einzige Schulmodell dieser Art wurde kurzfristig von den baden-württembergischen Behörden gestoppt. Und somit ist die erste Klasse wieder ausschließlich nicht behinderten Kindern vorbehalten, Kindern also, die keine zusätzliche Unterstützung brauchen. Die vier behinderten Kinder nehmen dennoch am Unterricht teil – illegal.
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Georg Wacker (CDU), Staatssekretär im Ministerium für Kultus Baden-Württemberg
„Die UN-Konvention macht an keiner Stelle Vorgaben in wie weit die Länder verpflichtet werden, bestimmte System umzusetzen.“
Doch das ist nicht richtig. Die von den Unterzeichnerstaaten ratifizierte UN-Vorgabe ist eindeutig. Darin steht, Zitat:
„
Menschen mit Behinderungen [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] werden nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen…“
Und noch konkreter heißt es in der UN-Konvention – damit ist, Zitat:
„ein inklusives Bildungssystem“
Gemeint.
Inklusion ist hierbei ein Fachbegriff, der weltweit gleich übersetzt und verstanden wird: Regelschulen müssen auch für Behinderte offen sein.
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Eine Hoffnung haben die Eltern aber noch. Denn: Theoretisch bricht Völkerrecht Landesrecht. Das Landesgesetz müsste also vor diesem Hintergrund geändert werden.
Völkerrechtler Professor Poscher kennt die praktischen Auswirkungen der neuen Menschenrechtskonvention. Wenn die Politiker die Rahmenbedingungen nicht ändern wollen, können betroffene Eltern die UN um Hilfe rufen.
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Baden-Württemberg ist nicht das einzige Bundesland, das die neuen Regeln nicht umsetzen will. Auch Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen nicht, dass behinderte Kinder an ganz normalen Schulen unterrichtet werden.