Zitat:
Der Junge konnte jedoch entkommen und irrte weitere 15 Monate in der Wildnis umher, bis er im Juli 1798 von Jägern auf einem Baum entdeckt und eingefangen wurde. Sie übergaben den ca. 10-jährigen Knaben einer Witwe aus dem nahe gelegenem Dorf. Aber auch hier gelang ihm nach einer Woche die Flucht und er verbrachte wiederum einen Winter im Wald.
Als er sich am Morgen des 9. Januar 1800 verirrte, wurde er unweit eines Dorfes im Department Aveyron aufgefunden. Kurz darauf brachte man den Jungen nach Rodez, wo ihn der Naturforscher Bonnaterre untersuchte. Er stellte unter anderem fest, dass der 1,36 m große Junge nicht sprechen konnte, sein eigenes Spiegelbild nicht erkannte, von Wutanfällen geplagt war und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang schlief. Victor verabscheute Süßigkeiten, Gewürze und gegarte Speisen. Er ernährte sich vorwiegend von Eicheln, Nüssen und Kastanien. Er war unfähig, etwas nachzuahmen und interessierte sich nicht für die Spiele der anderen Kinder. Nicht in der Lage, eine geschlechtliche Trennung von Personen vorzunehmen, war auch keinerlei Sexualtrieb zu erkennen. Sein Arzt wunderte sich über die Unempfindlichkeit gegenüber Hitze und Kälte. So zum Beispiel bereitete es dem Jungen Freude, sich im Schnee zu wälzen. Oft griff er ins Feuer, um mit bloßen Händen einen brennenden Holzscheit herauszuholen. Auch reagierte er nicht auf Musik oder menschliche Sprache, mit Ausnahme des Vokals O, bei welchem er sich umdrehte. Dies war auch der Grund dafür, dass er den Namen „Victor“ erhielt. Selbst hinter seinem Rücken abgegebene Pistolenschüsse erschreckten ihn nicht. Das Knacken einer Nuss allerdings konnte er über größere Entfernungen wahrnehmen.