Aldaris~Adun
(Autistenbereich)
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Wir Asperger / hochfunktionale Autisten haben es in so mancher Hinsicht wohl 'besser' als Kannerautisten... Viele von uns sind selbstständig lebensfähig, bestreiten ihren Lebensunterhalt in normalen Berufen, haben Familien, Kinder, ein 'fast' normales Leben. Seit Generationen kommen wir undiagnostiziert immer 'irgendwie so durch', oft mehr schlecht als recht, mit bleibenden internen Schäden. Als Folgen der unkoordinierten Anpassung.
Allerdings ereilt uns auch das altbekannter Schicksal allderer, denen man ihre Behinderung nicht ansieht – Wir erhalten für unsere Besonderheiten keinerlei Toleranz von der uninformierten Aussenwelt, schlagen wir uns undiagnostiziert durchs Leben, müssen wir uns mit dem gesamten Rest der Menschheit messen, und so manches schneidet da einfach ziemlich schlecht ab, die allgemein-sozialen Fähigkeiten betreffend.
Auf die eine oder andere Art fehlt jedem von uns die 'Theory of Mind', die Fähigkeit, uns in den Standpunkt einer anderen Person hineinzuversetzen. Mit grosser Mühe und kognitiven Ressourcen schaffen manche von uns es über die Jahre, dies geistig mehr oder weniger zu kompensieren. Doch ist es bis dahin einerseits ein sehr langer Weg, andererseits kann er wohl niemals in Perfektion enden, einerseits, weil man sich darin selbst verlieren würde, andererseits, da wir dies eben zwangsläufig anders bearbeiten als es Nichtautisten tun, es niemals natürlich und 'selbstverständlich, einfach wird.
Doch auch dieser kognitive Versuch, sich in ein Gegenüber hineinzuversetzen funktiniert nur dann, wenn man es auch bewusst tut, bewusst will, initiiert. Und wer tut das schon 24 Stunden am Tag durchgehend? Ich nicht.
Das ich dies nicht tue, bzw. das ich es tatsächlich immer wieder zumindest halbbewusst initiieren muss (und dies eben unmöglich den kompletten Tag durchgehend kann, da sonst keine Energie mehr für anderes bliebe), ist mir erst heute wirklich bewusst geworden, da ich über eine Situation zwischen einem Nichtautisten und einem Autisten und den daraus entstandenen Missverständnissen reflektierte.
Ich denke, aufgrund unserer fehlenden oder zumindest eingeschränkten Theory of Mind begegnet uns (zumindest den bis dato undiagnostizierten) im Leben immer mal wieder ein ganz typisches kommunikatives Muster, das seine Spuren im Innenleben hinterlässt.
Nehmen wir mal an, mein Expartner hätte mich gebeten, für ihn eine Unterlage rauszusuchen.
Ich habe das nicht getan, weil ich anderes zu tun hatte und der Meinung war, das könne er genauso gut auch selbst.
Wenn ebendieser dann später am Abend abweisend und mies gelaunt war, habe ich nur seine aktuelle Verstimmung wahrgenommen, konnte nicht nachvollziehen, wieso das so war, es war die pure Ablehnung, unverständliche negative Reaktion mir gegenüber, wenn ich ihn dann zum Beispiel um etwas gebeten hätte, er es aber nicht getan hätte. Und ich fühlte mich ungerecht behandelt.
Das sein Verhalten aber ganz einfach auf meinem Verhalten früher am Tage beruhen könnte... auf die Idee bin ich in solchen Situationen (und es gab häufig welche) niemals gekommen... Ich konnte mich nicht in seine Position hineinversetzen, für mich existierte immer nur das Hier und Jetzt, völlig unabhängig von allem, was vorher gewesen sein könnte (und zu dem ich schon überhaupt keinen Bezug mehr hatte).
Für derlei gibt es wirklich 1000e unterschiedlichste Beispiel mit verschiedensten Personen in meinem Leben... so retrospektiv betrachtet.
Ich denke, derlei passiert vielen vn uns häufig, ohne das es uns überhaupt bewusst wird.
Gleichgültiges oder gar abweisendes Verhalten unsererseits wird nicht mit späteren emotional gebundenen Reaktionen eines Gegenübers verbunden.
So sehen wir nur, das wir abgelehnt, ausgegrenzt, missverstanden, ungerecht behandelt werden. Immer und immer wieder, nach dem selben Schema. Und davon sind wir 100 % ehrlich überzeugt. Die anderen sind schlecht, seicht, 'böse', unverständlich.
Mich hat dieses Schema quasi zum Misantropen gemacht, Sozialkontakte enden früher oder später immer auf eine solche völlig unverständliche ablehnende Art.
Wir verhalten uns ja nicht aus Bosheit 'sozialinkompatibel', beachten 'ungeschriebene Gesetze' nicht, missachten de Gefühlswelt anderer. Wir nehmen sie nur einfach und ehrlich nicht wahr, auf die 'natürliche' Art der Nas.
Dies kann man uns aber ja nicht 'ansehen', zumindest die undiagnostizierten oder 'inkognito' lebenden unter uns wirken ausreichend normal, um eben als 'normal aber irgendwie seltsam' wahrgenommen zu werden.
So müssen wir uns auch an normalen sozialen Maßstäben messen, an denen wir in mancher Hinsicht immer wieder scheitern.
Das fehlen oder fehlfunktionieren unserer Theory of Mind wird als schlechter Charakterzug, 'Kälte', Egoismus oder Gleichgültigkeit gedeutet. Dabei ist es alles andere als das.
Mit normalen Beurteilungen können wir uns mangels Wahrnehmung dieser Anteile nicht messen, so enden Kontakte oder Freundschaften, bevor sie überhaupt begonnen haben oder auf für uns völlig unverständliche, spontane Weise.
Freilich sind diese Abbrüche alles andere als das, wir haben jemand anderen unwissentlich beleidigt, gekränkt, Ignoranz gezeigt, etc..
Ich denke der Weg kann hier nicht wirklich die 'Nimm mich wie ich bin oder stirb'- Taktik sein. Gut, wenn es einem bewusst ist, kann man es kommunizieren und hoffen auf Menschen zu treffen, die das auch so auf Sachebene kommuniziert annehmen und integrieren können...
Aber ich denke, in erster Linie führt es zu dem Grundproblem ganz vieler von uns-
Depression und sozialer Rückzug, vielleicht Sozialphobie, vielleicht Misantropie, eremitäre Lebensweise, nicht, weil man von Natur aus ein Einzelgänger wäre und das auf die Art toll fände, sondern einfach als zwangsläufigen Schluss aus einer langen Kette immerwiederkehrender Enttäuschungen und Abweisungen...
Die man zum grösseren Teil doch selbst unbewusst ausgelöst hat...
Ich weiss nicht, warum ich es früher nie in diese Beziehung gesetzt habe, es bringt mir auch keinen wirklichen neuerlichen Vorteil, denn mehr als so gut es geht kognitiv kompensieren kann ich ja nunmal nicht (und es wird eben immer nur ein flickgeschusterter Ersatz sein, nie an das 'Original heranreichen und ausserdem viel Energie zehren).
Aber es hilft durchaus, sich dieses Mechanismus' bewusst zu sein, denke ich. Er erklärt wirklich alle möglichen Vorkommnisse in meinem Leben retrospketiv, auch wenn ich sie teilweise nicht mehr genau auseinanderwuseln kann.
Was mir bleibt ist die Frage- Ist es nun besser, sich unerkannt sein Leben lang so irgendwie durchzuschlagen, dabei Ablehung und resultierende seelische Verwundungen davonzutragen, Traumata, Depressionen, negative Weltsichten, was auch immer...
Oder im frühen Kindesalter diagnostiziert zu werden und von dem Punkt an individuelle Unterstützung zu erhalten, Betreuer,m besonderer Schulformen, Schulbegleiter, Therapien...
Ist es besser, sich von der Inkompatibilität zur Gesellschaft zerstören zu lassen oder im Glauben aufzuwachsen, man sei behindert und eingeschränkt?
Ich kann es aufs neue wirklich nicht sagen...
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