haggard
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es gibt solche und solche autisten. man kann nicht wirklich verallgemeinernd sagen, dass sie kontakt zu anderen wollen. diejenigen, die den kontakt suchen, sind im begriff sich in gewisser hinsicht anzupassen. ist natürlich auch eine wilde behauptung meinerseits, aber ich kann nur aus eigener erfahrung sprechen. sie passen sich an, weil sie mitbekommen, dass eine andere normalität gilt als die ihre. und sie erfahren, dass sie von anderen als nicht normal interpretiert werden.
habe auch schon so andere kennen gelernt, aber ich habe den eindruck, dass, wenn man ein gemeinsames interesse hat, alles hervorsprudelt, was es dazu zu sagen gilt und dann ist auch jeder wieder irgendwie froh sich zurückzuziehen, alle eindrücke zu verarbeiten, alles zu analysieren... aber ich weiß nicht, ob man da von einer kultur sprechen kann. vielleicht wird kultur auch nur von mir überbewertet.
wenn es als interne kultur angesehen wird, via internet zu kommunizieren - das machen viele andere auch. haben andere dann ihre eigene kultur im hinblick auf internetbasierte kommunikation? warum werden da autisten hervorgehoben? nur weil sie sich mit sich selbst und ihrer umwelt vielleicht intensiver auseinander setzen als andere und dies auch so kommunizieren?
ethik ist nicht verzichtbar. es sollte grundvoraussetzung sein. so wie atmen eine grundvoraussetzung ist, die nicht unbedingt vorgeschrieben werden kann - es sei denn durch zwang.
ich bin für autonomie. in einer gesellschaft - sei es ausschließlich unter autisten oder ganz allgemein, die nach gleichbehandlung schreit...wie kann man da mit unterdrückung drohen? unterdrückung in dem sinne, dass gesagt wird: wenn du A nicht machst, wirst du mit B bestraft. wenn du dich nicht an unsere regeln hältst, sei dir unseres zornes gewiss. jeder hat für sich selbst gewisse maßstäbe. wenn ich mich also nach anderen maßstäben bemessen total daneben benehme und man mir das sagt, habe ich mehrere möglichkeiten. ich kann darüber nachdenken. ich kann zu dem schluss kommen, dass der andere womöglich recht hat und ich mich tatsächlich total daneben benommen habe. ich könnte mich dann entschuldigen und der andere könnte meine entschuldigung annehmen. ich kann aber auch zu dem schluss kommen, dass ich für mich richtig gehandelt habe. wenn ich also zu dem schluss kommen sollte, für mich richtig gehandelt zu haben und mir dann eine parallelgesellschaft mitteilen würde: das war unakzeptabel, weil wir beschlossen haben, dass man sich so nicht verhalten sollte und deswegen wirst du jetzt erst einmal von uns sanktioniert. was habe ich dann davon? sicherlich, ich könnte lernen mich anzupassen. ich könnte lernen jedem nach dem mund zu reden nur um gesellschaftskonform zu sein. aber wäre ich selbst dann noch authentisch? wenn extra vorschriften für autistisches miteinander aufgestellt würden und ich würde mich nicht daran halten, aber dennoch entschuldigen, wäre eine entschuldigung nichts mehr wert, weil auch noch zu den vorschriften festgelegte gegenmaßnahmen ausgeführt würden. und wenn es da auch ausnahmen von den ausnahmen geben würde, bräuchten keine extra vorschriften festgesetzt werden.
das mit der post ist auch ein risiko, das man eingeht. es kann immer mal jemand - auch aus versehen - die post eines anderen öffnen und ihn zufällig kennen. es gibt auch menschen, die unter absolutem kontrollzwang stehen und der meinung sind, immer alles von allen wissen zu müssen...
postkarten zum beispiel. jeder, der eine postkarte in die hände bekommt, könnte das geschriebene lesen.
ich finde nicht, dass sich autisten jetzt in puncto kommunikation so sehr von allen anderen unterscheiden, dass für sie sonderethische grundvoraussetzungen geschaffen werden müssten, die so schon eine vage allgemeingültigkeit besitzen. das problem ist nur, dass zum beispiel im internet, die distanz zum anderen scheinbar am bildschirm endet. wenn der andere erfährt, dass er aufgrund der öffentlichkeit im internet misskreditiert wurde, kann er nicht durch den bildschrim hindurch zu demjenigen gelangen, den er vielleicht dann ganz gern von angesicht zu angesicht die meinung sagen wollen und rechenschaft verlangen würde. man sollte sich lediglich im klaren darüber sein, dass man nicht mit einem intelligenten computer kommuniziert, sondern mit einem menschen, der einen anderen computer bedient. und wenn die autisten, die das internet zu kommunikationszwecken nutzen so weit sind, dass sie das internet zu kommunikationszwecken nutzen können, unterstelle ich ihnen einfach, dass sie auch in der lage wären, andere so zu behandeln und zu achten, wie sie von anderen behandelt und geachtet werden wollen - ganz ohne vorgeschriebene gesetze.
das mit der vertraulichen veröffentlichung würde ich nicht als anschlag auf eine autistenkultur werten. personenbezogen ja, aber nicht gruppenbezogen.
wenn ich so etwas lesen würde und mir bewusst würde, dass eine person etwas an sie vertraulich gerichtetes öffentlich im internet zerpflückt und dem anderen dadurch womöglich schadet, könnte ich nicht einfach partei für den zerpflückten ergreifen und selbsternannt "in dessen namen" dem anderen mit groll begegnen. schon gar nicht, wenn ich beide beteiligten nicht auch privat kennen würde. ich würde deren gesamte vorgeschichte nicht kennen und es würde sich in der veröffentlichung nur um einen ausschnitt handeln, deren authentizität ich nicht nachprüfen könnte, weil, wie auch schon erwähnt wurde, zitate auch zu manipulativen zwecken genutzt werden können. wenn der zerpflücker durch sein handeln mitleid erhaschen will und andere darauf eingehen, hat er sein ziel erreicht. dem zerpflückten wäre damit in keiner weise geholfen, auch nicht, wenn man für ihn partei ergreifen würde, denn er zerpflücker würde jede reaktion für sich positiv auslegen, da er für sich annimmt richtig gehandelt zu haben. er könnte später vielleicht zu einer anderen erkenntnis gelangen, aber diese würde er unter solchen umständen wahrscheinlich nicht publik machen. für solche menschen wäre nichtbeachtung wahrscheinlich die beste reaktion. sie hätten sich zwar auf kosten anderer ihren frust weggeschrieben, doch wenn keine reaktion erfolgen würde, könnte derjenige schneller über sein handeln nachdenken und vielleicht schneller zu dem ergebnis gelangen, dass es ziemlich dumm von ihm war. eine mögliche reaktion dann könnte es sein, dass sich ein moderator oder ähnliches mit dieser person in verbindung setzen würde um vorzuschlagen, diese hassschrift zu entfernen. der andere würde wahrscheinlich zustimmen. und das fände ich besser als mit starren vorgaben zu hantieren. und dies wäre auch wieder dem zerpflücker gegenüber diskreter wenn diskretion schon an erster stelle erhoben wird.
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