Sie spricht, im Gegensatz zu ihrer Schwester, die kein Wort sagt, teilweise sogar sehr viel,
Das "kein Wort sagen" ist wörtlich zu nehmen oder eher metaphorisch gemeint?
Zitat:
Meine Tante hat ihre Selbstständigkeit aber schon früh gefördert, sie kann z.B. problemlos mit dem Zug von München zu uns kommen, bis vor die Haustür,
Weswegen mußte diese Fähigkeit vielleicht gefördert werden? Was ist anders als bei durchschnittlichen Mitmenschen?
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besteht auch immer darauf, Sachen allein tun zu können.
Warum besteht sie darauf? Hindert sie etwas oder jemand daran?
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Denn alles, was sie alleine tun kann, soll sie auch alleine tun, wenn sie nicht ihre Mutter besucht sondern in diesem betreuten Wohnen ist, geht sie fast täglich Kaffee trinken, Pommes essen oder schwimmen.
Weswegen ist sie im betreuten Wohnen? Was kann sie scheinbar nicht alleine?
Zitat:
Krach und Lärm sind für sie dermaßen unerträglich, dass sie jedes Silvester in Algerien, bei unseren Verwandten verbringt. Allein die Anwesenheit von Luftballonen in einem Zimmer macht es für sie unbetretbar.
Wie äußert sich das? Was passiert, wenn Sylvesterlärm für sie "unerträglich" ist
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Sie würde am liebsten den ganzen Tag nur naschen, wenn sie zu mittag gegessen hat geht sie häufig aufs Klo und spuckt.
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Allerdings ist sie trotzdem eher schlank.
Kotzt sie gezielt von ihr gewünscht oder weil ihr dann übel wird? Ist sie nur schlank oder untergewichtig?
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Wenn eine dieser Situationen aufkommt, in denen sie unbedingt was erreichen will, zum Beispiel eben dass man "weil" sagt, oder auf ein "gell, Linda?" mit einem "Ja." antwortet, kann man praktisch zusehen, wie sie immer unruhiger wird, bis das von ihr gewünschte Wort gefallen ist. Dann entspannt sie sofort. Andererseits kann es sie bis zum leichten Selbstverletzenden Verhalten treiben, wenn eine Situation ihr zuviel wird, dann reißt sie die Augen auf, preßt die Faust an die Wange und beißt auf ihre Zunge (nicht bis aufs Blut). Das hat ihre Mutter ihr früher auch versucht zu verbieten, aber inzwischen sieht sie es glaube ich als Ventil an, ihren Druck abzulassen und schreitet nicht mehr so vehement ein.
Es liest sich durchaus so als könnte es gut Autismus sein.
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das mit dem Kuchen war nur ein Beispiel, das so konkret zwar auftritt, aber das generelle Problem verdeutlichen sollte: einfach alles gestatten, oder eben doch versuchen zu korrigieren.
Ich würde zu etwas Drittem raten: Laßt ihr Eigenheiten, erkennt diese an, aber wenn es euch stört, daß sie Essen verschwendet, dann sagt das auch so statt euch über sie zu erheben und Korrektur zu betreiben. Wie reagiert sie, wenn ihr jemand sagt, daß ihn etwas an ihrem Verhalten stört?
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Die Frage ist, und das können wir nicht beantworten, wie das auf einen Autisten wirken kann. Ob, welche Alternative auch immer, Sinn haben kann.
Ich würde meine, daß man das nicht allgemein festlegen kann. Autisten haben unterschiedliche Persönlichkeiten, Situationen sind unterschiedlich.
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Was das "ihr zeigen, das nichts auf der Welt gratis ist" für einen Sinn haben kann, ob sie überhaupt in der Lage ist, das verallgemeinert zu begreifen, denn ihr fehlt viel abstraktes Denken, erschließt sich mir nicht.
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Generell kann ich mir, so wie ich sie kenne, nicht vorstellen, dass das Prinzip von geben und nehmen in ihren Gedanken vorkommt.
Sie gibt, wenn sie gefragt wird, ohne abzuwägen.
Sie fragt, wenn sie etwas möchte, ohne abzuwägen, ob die Erfüllung möglich ist.
Was wären das beispielsweise für Dinge in denen ihr den Eindruck habt ihr fehle abstrakte Denkfähigkeit? Nur dieser Eindruck sie würde das praktisch Mögliche nicht erfassen? Ist sie zuhause aufgewachsen? Seit wann wird sie "betreut"?
Ihre Schwester sagt kein Wort, hat aber mal wenig gesprochen. Sie ist extrem lärmempfindlich. Das beides weist für meinen Ferneindruck auf Autismus hin und zwar besonders auch bei der Schwester, die als geistig behindert gilt. Ist die Schwester reizempfindlich?
Was mir persönlich fremd erscheint ist das Nichteinhalten von Terminen und die scheinbar impulsgesteuerte Lernträgheit beim Thema Kuchen. Insgesamt weist das was du geschrieben hast schon darauf hin, daß sie eine schlechte Vorstellung davon haben könnte, was andere so denken und empfinden. Ich weiß nicht ganz was ich dazu meinen soll und halte nichts von schnellen Antworten ohne gründliche Analyse.
Solches Verhalten kenne ich insgesamt von Autisten eigentlich gar nicht, auch nicht von Autisten, die in einem Heim wohnen müssen. Aber auch Autisten haben eine Persönlichkeit und diese Eigenschaften halte ich bisher auf keinen Fall für ein echtes Ausschlußkriterium.
Wie reagiert sie selbst darauf, wenn jemand einen Termin mit ihr nicht einhält?
Hat sie mal zumindest den Plan gehabt berufstätig zu werden? Oder ist sie quasi zur Hausfrau erzogen worden?
Hat sie irgendwann Psychodrogen ("Medikamente") verabreicht bekommen?
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Nur, wenn man ihr beim nächsten Mal versucht zu erklären, warum man jetzt eigentlich nicht nochmal essen holen möchte, dass sie eh kaum anrührt, dann ist sie jedesmal der Überzeugung, dass sie es DIESMAL aufessen wird.
Das erscheint mir schon sehr seltsam. Ich gehe nach der Schilderung davon aus, daß sie oft wie nicht selten Kinder "große Augen" hat und dann nachher nicht aufisst. Vielleicht laßt ihr sie Essen einfach bezahlen, das sie nicht aufisst? Ihr könntet ihr sagen, daß das jetzt so geregelt wird um die Verschwendung einzudämmen. Und dann könntet ihr das manchmal umsetzen (nicht stur und grundsätzlich). Das ist nur eine Idee, keine Ahnung was das bewirken könnte.
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Manchmal möchte es eben der Mann meiner Tante machen, wenn es z.B. schnell gehen muß, und das regt sie dann total auf.
Sie könnte im Kopf schon geplant haben, daß sie es abräumt und es dann als Verunsicherung empfinden, wenn es jemand anders tut.
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Wenn man ihr sagt, dass einen etwas an ihr stört, versteht sie das nicht. Zumindest habe ich den Eindruck. Wie es in ihr aussieht, weiß ich nicht. Sie versteht auch oft nicht, warum man sie etwas fragt, was SIE weiß, zum Beispiel wieviel Uhr es ist, und ist dann genervt.
Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie versteht etwas wegen einer logisch unklaren oder zu verworrenen Formulierung nicht oder sie hat noch keine ToM. Vielleicht könntet ihr gezielt sanft und mit Geduld ganz direkt zu vermitteln versuchen, daß andere Menschen nicht wissen was sie denkt oder fühlt? Vielleicht schafft ihr dabei eine besondere Atmosphäre, die die Situation vom Alltag abhebt? Das können Autisten lernen.
Zitat:
aber trotzdem habe ich die Hoffnung, dass Menschen die über mehr autistische Züge verfügen, als ich, besser verstehen könnten, warum manches bei ihr so ist wie es ist, und was in gewissen Situationen helfen kann.
Die Annahme ist generell völlig richtig.
Zitat:
Hab gestern in einem Text etwas gelesen, was ziemlich genau mein Problem trifft, ich glaube der Text war sogar hier von Dir verlinkt, 55555, ich zitiere:
"Zum anderen wird aus der Erkenntnis, dass die Handlungen autistischer Menschen subjektiv sinnvoll sind, oft die Konsequenz abgeleitet, den wie immer gearteten Handlungsabläufen gegenüber tolerant zu sein, was damit identifiziert wird, die Bedürfnisse der Person zu achten und das Gefühl stärkt, eine gute Fachkraft zu sein. Diese Position ist geradezu zynisch, da sie die Lebensgeschichte und die Lebensbedingungen wie die individuelle Situation der Betroffenen negiert, unter denen diese Verhaltensweise autokompensatorische, ja sogar lebensnotwendige funktionen gewinnen können, auch wenn sie in ihrer Folge, wie ich das schon oft erleben mußte, das Leben der Betroffenen gefährden." (- Georg Feuser, "Autismus: Eine menschenmögliche und menschliche Lebensform", 02/2005, S. 11).
Das stellt ziemlich genau das Problem dar, was ich habe. Soll man "Handlungsabläufe" tolerieren, (zumindest solange sie der Betroffenen Person nicht schaden, und das tun sie nicht, soweit ich das beurteilen kann), oder nicht? Was ist die Alternative, die man einführen kann, ohne zu "gängeln"?
Ich glaube dieses Zitat trifft auf sie eher weniger zu, so wie ich bisher aufgrund der Schilderungen den Eindruck bekommen habe. Sie kann sich offenbar durchsetzen, sagt wenn ihr etwas nicht passt. Damit haben andere Autisten große Probleme und ich denke darauf bezieht sich diese Stelle. Ich verstehe es so, daß etwas Hospitalismus als autistische Eigenschaft gewertet wird, obwohl es eine Verhaltensweise ist, die auf große innere Not hinweist. Das wird jedoch nicht erkannt, weil "Fachpersonal" meint, "der ist eben so".