Zitat:
fragte ich ob es vererbbar sei,weil bei meinem neffen auch adhs bekannt war.damals wurde mir gesagt das es nicht so ist.
Da haben die Unfug geredet. Über den genauen Vererbungsweg ist nichts bekannt, aber alle Formen von Autismus *und* ADS treten gemeinsam gehäuft in manchen Familien auf, und das sehr deutlich. Das müsste eigentlich auch schon vor 10 Jahren bekannt gewesen sein.
Zitat:
ich habe dignitas tatsache nicht gelesen,ich kannte es nur als sterbehilfeverein.
Du hast ja gemerkt, wie sehr es dich aufgeregt hat, dass dir "Sterbehilfe angeboten wird". Überleg mal, wie es anderen mit solchen Angeboten geht.
Und dann ist der Hintergrund des Threads bei Dignitas, dass einige Autisten das selbst eingebracht haben, dass sie ein solches Angebot bei Autismus für angebracht halten.
Aus dem Thread auf Dignitas:
Zitat:
4. Autismus ruft erhebliches Leiden hervor -- Auch bei leichten Formen von Autismus, sehen sich die Betroffenen Einschränkungen ausgesetzt, die ihnen die Verwirklichung eines normalen Lebens nicht ermöglichen. Autisten sind in ihrem Beruf weitaus weniger leistungsfähig, was mit mangelnder Kooperationsfähigkeit und auch Fähigkeit zur Begeisterung und Selbstmotivation zusammenhängt. An Familienleben ist ohnehin nicht zu denken, da normale Menschen die emotionale Distanz ihres autistischen Partners nicht auf Dauer ertragen würden. (Es ist demgegenüber auch unwahrscheinlich, daß eine Beziehung zwischen zwei Autisten funktionieren würde.) Auch wären Autisten mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert, da sie deren Gefühlsreaktionen nicht verstehen und ernst nehmen könnten. Wenn man von diesen beiden Bereichen absieht, (die wohl für normale Menschen die wichtigsten in ihrem Leben sind), kommt noch hinzu, daß die heruntergefahrene Emotionalität einen Zustand bewirkt, in dem es keine besondere Freude oder Lustempfindungen gibt. Man kann, wenn man all dies zusammennimmt von einem deutlichen Mangel an Leben sprechen, den der Autist auch mit fremder Hilfe nicht zu überwinden fähig ist. Viele Autisten benötigen zudem ihr ganzes Leben hindurch eine Art von Führung, da sie unfähig sind, sich zu organisieren.
Meinen Alltagskram zu organisieren fällt mir sehr schwer; das stimmt. Ansonsten: Wie kommen die bloß auf solche Behauptungen?
Thema Beruf: Viele Autist_innen sind beruflich mehr oder weniger stark eingeschränkt durch sensorische Hypersensibilitäten, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt den Zugang für sensorisch sensible Autist_innen zu vielen Berufen fast unmöglich machen. Ich z.B. habe Pädagogik studiert, auch wirklich aus Interesse, aber je mehr sich das Ende des Studiums näherte, desto mehr bekam ich auch Angst, weil man mit so einem Abschluss bundesweit Jobangebote annehmen *muss* und ich mir damals nicht vorstellen konnte, mein gewohntes Umfeld zu verlassen. Außerdem wusste ich, dass ich z.B. eine Arbeit als Sozialarbeiterin in einem Jugendzentrum mit lauter gröhlenden, kreischenden Teenies nicht eine Woche durchstehen würde, ohne ernstlich zusammenzubrechen. Wenn man nicht weiß, warum das so ist, fühlt man sich da natürlich psychisch labil.
Dass ich psychisch völlig stabil bin und sogar eine "natürliche Tendenz zum Glücklichsein" habe, wenn ich mir nur wieder genügend Zeit für mich alleine nehme, habe ich erst später herausgefunden (auch Jahre vor der Diagnose).
Mangel an Begeisterung kann man mir nun wirklich nicht absprechen - im Gegenteil finden es Leute desöfteren wohl mal putzig oder bemerkenswert, wie sehr ich mich auch für "Kleinigkeiten" begeistern kann. Z.B. schenkte mir ein Kollege bei meinem letzten Job (in einem Naturschutzzentrum als 1-Euro-Hilfe) eine Streichholzschachtel mit einem Schwarzspecht drauf, weil ich auf dem Weg zur Arbeit im Wald einen gesehen hatte und wochenlang am Schwärmen war und dann noch ein eigenes Plakat über den Schwarzspecht als Ergänzung einer Vogel-Ausstellung vom BUND machte, die bei uns aufgehängt werden sollte. Der Chef selbst kam dann mal extra aus seinem Büro, als er durch's Fenster einen Schwarzspecht gesehen hatte, und schickte mich mit dem Fernglas nach draußen...
Das Plakat fanden übrigens auch alle gut. Ich habe mich überwiegend um Grafik, Aushänge und Ausstellungen gekümmert während der 9 Monate und hätte das gern weitergemacht, wenn ich nicht mit mehreren Leuten und zwei klingelnden Telefonen in einem Raum hätte sitzen müssen dabei, den auch noch alle möglichen Leute nebenher für Besprechungen benutzten (wenn ich selbst mit jemandem was besprechen wollte, dann hab ich das lieber draußen im Garten gemacht!)
Mit der Kooperationsfähigkeit klappte es immer dann nicht mehr, wenn ich in Stress geriet. Dann sehe ich wirklich nur noch meinen eigenen Kram und flippe auch aus, wenn im letzten Moment noch unvorhergesehene Änderungen vorgenommen werden. Auf der anderen Seite habe ich dann gelernt, mich eben nicht unter Zeitdruck zu setzen, sondern lieber Überstunden zu machen und die ein anderes Mal in Frieden abzufeiern - das ist auch schön, wenn man weiß, dass man ein kleines Zeitpolster hat und mal morgens anrufen kann und fragen, ob's okay wäre, wenn man heute zu Hause bleibt!
"Selbstmotivation" ist für mich wirklich ein schwieriges Thema - entweder ich bin motiviert oder ich bin's nicht, aber ich hab keine Ahnung, wie man sich selbst zu Dingen motivieren kann, zu denen man nicht motiviert ist. Ich denke mir, das kann man aber auch zu einer Stärke machen: Wenn ich nämlich motiviert bin, dann bin ich sehr fleissig und leistungsfähig! Also ist es doch das Klügste, sich möglichst viel mit Dingen zu befassen, zu denen man auch motiviert ist - und dann hat man auch ganz gewiss kein Bedürfnis nach Sterbehilfe!
Familie: Manche Autist_innen möchten lieber allein leben, andere haben Partner_innen oder auch Kinder. Es ist wirklich nicht immer ganz leicht für Autist_innen, Kinder zu haben, aber auf der anderen Seite scheint die Verantwortung für andere Menschen, insbesondere Kinder, viele Autist_innen stark zu motivieren, das mit der Alltagsorganisation und andere Dinge "im Griff zu behalten" und sich nicht "hängen zu lassen". Obwohl man solche Anstrengungen für sich selbst nicht unbedingt auf sich nehmen würde, hat man dann letztlich auch was davon und lernt eine Menge dabei.
Da viele Kinder von Autist_innen selbst "nicht so ganz nt" sind, verstehen autistische Eltern ihre Kinder meist genauso gut, wie NT-Eltern ihre Kinder verstehen - mindestens!!!
Wenn das alles bei den Leuten, die da auf Dignitas schreiben, so viel anders ist als bei mir, dann kann das doch wohl kaum am Autismus liegen.
Ich habe beobachtet, dass diese "Autistic-Pride-Leute" allesamt recht selbstbewusst und zufrieden sind und sehr viele andere Autist_innen mehr oder weniger stark depressiv und ihr Selbstwertgefühl oft völlig "krank" ist. Ich habe anfangs nach der Diagnose ebenfalls ziemlich an diesem Begriff "Behinderung" festgehalten und war kein bisschen scharf drauf, dass mir den jemand "wegnimmt" und ich dann womöglich wieder zu hören kriege, ich soll mich doch nicht so anstellen.
"Krankheit" und "Behinderung" sind zwei verschiedene Begriffe für zwei verschiedene Dinge, und Autismus ist definitiv eine Behinderung und keine Krankheit, wenn man es so allgemein behaupten will - aber auch der Begriff "Behinderung" ist äußerst zweifelhaft für Autismus, weil manche Autist_innen innerhalb ihres selbstgewählten Lebensumfelds keine bedeutsamen Einschränkungen erfahren. Man kann es also nicht so verallgemeinern. Dazu Wikipedia:
Zitat:
Von einer Behinderung spricht man bei individuellen Beeinträchtigungen eines Menschen, die umfänglich, vergleichsweise schwer und langfristig sind.
Die infrastrukturellen Umweltbedingungen, insbesondere aber gesellschaftliche Einstellungen und Verhalten gegenüber von
Menschen mit Behinderung [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff], nehmen in modernen Ansätzen zur Definition des Begriffs einen größeren Raum ein.
http://de.wikipedia.org/wiki/Behinderung
Dort steht unter "Kategorien und Ursachen":
Zitat:
Hinsichtlich der Ursachen lässt sich unterscheiden zwischen:
* erworbenen Behinderungen
- durch perinatale (während der Geburt) entstandene Schäden
- durch Krankheiten
- durch körperliche Schädigungen, zum Beispiel Gewalteinwirkung, Unfall
- durch Alterungsprozesse
* angeborenen Behinderungen
- durch Vererbung bzw. chromosomal bedingt
- durch pränatale (vor der Geburt entstandene) Schädigungen.
Wenn ein/e Autist_in also behindert wird, dann ist es jedenfalls eine angeborene Behinderung und nicht eine, die durch Krankheit erworben wurde.
Zu der Frage, ob eine "Behinderung" denn nun eine Eigenschaft des Menschen ist, den die Mehrheit "behindert" nennt, oder eine Eigenschaft des gesamten "sozialen Ökosystems", in dem er sich befindet, steht da mehr, als ich zitieren kann - es lohnt das Durchlesen. Hier nur kurz ein Auszug:
Zitat:
Dennoch gilt in weiten Bereichen immer noch, dass Behinderungen häufig erst durch soziale Ausgrenzung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, wie es die Aktion Mensch in ihrem Leitspruch „Man ist nicht behindert - man wird behindert“ ausdrückt.
Mittlerweile "klebe" ich nicht mehr so an dem Begriff "behindert" für mich selbst, obwohl ich schon noch finde, dass ich in manchen Bereichen in meinen Möglichkeiten eingeschränkt bin. Aber indem ich allmählich neue Perspektiven entwickele, kann ich mir auch vorstellen, mein Leben so barrierefrei und für mich passend einzurichten, dass da überhaupt keine Behinderung mehr ist.