Hallo,
was bringt es eigentlich, Leute anzugreifen, weil sie eine andere Meinung haben? Was ändert sich dadurch?
Geht es um Bestrafung?
Könnt ihr gut nachdenken, während ihr angegriffen werdet?
Möchtet ihr, dass eure Kinder unter diesen Bedingungen lernen sollen? Möchtet ihr selbst auf diese Weise "therapiert" werden?
Oder geht es um das eigene Vergnügen?
Ich schreibe in diesem Thread jetzt meinen letzten Beitrag und bin dann wieder weg. Das richtet sich gegen niemanden persönlich. Es ist nur so, dass ich denke, so ein Forum ist dafür da, dass man sich gegenseitig ein bisschen hilft, was voneinander lernt und auch ein bisschen Vergnügen dabei hat. Man kann sogar gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Forums zusammen organisieren. Von all dem sehe ich in diesem Thread nicht mehr viel. Ich kann meine eigenen Finger auf der Tastatur mit meinem Willen einigermaßen steuern, aber nicht die von anderen. Die entscheiden für sich selbst - was sie denken, was sie schreiben und wie sie handeln. Ich kann also niemanden an irgendetwas hindern, ich kann nur gehen.
Abschließend noch eine Info zum Thema. Die BILD-Zeitung titelte heute, passend zur Debatte: "Wie die Schule unsere Kinder kaputtmacht". Da waren dann Dinge aufgezählt wie "bis zu 50 Stunden in der Woche", "keine Zeit für Freunde" und "Immer mehr Kinder werden krank".
Noch vor wenigen Jahren hieß es, unsere Kinder sind nicht fließig genug, ohoh, PISA und so. Damals habe ich schon gesagt, dass es in Wirklichkeit so ist, dass die Lehrpläne immer voller gepackt werden und die Kinder nunmal Zeit zum Üben brauchen, wenn von all dem Stoff auch was hängenbleiben soll. Ich hatte ja schon bei meinem Sohn gesehen, dass die z.B. in Englisch in der 5. Klasse nach wenigen Wochen so "weit" waren wie wir maximal nach einem halben Jahr.
Der Sohn einer Nachbarin, der total lieb und quirlig ist und schielt (ich vermute, dass er ADHS'ler ist, ein sehr wohlerzogener übrigens; aber Schwierigkeiten mit der visuellen Reizverarbeitung hat er schon aufgrund seines Schielens - Schielen ist übrigens häufig neurologisch bedingt!) kam in die erste Klasse und dann gleich von morgens *vor* 8 Uhr bis um 16 oder 17 Uhr nachmittags. Er mochte vor der Schule nichts essen, in der Schule nichts essen, und fing an, sich häufig zu erbrechen.
Ich weiß nicht, wie es mir gegangen wäre, wenn man mich in dem Alter den ganzen Tag in der Schule eingesperrt hätte, aber ich kann mir eigentlich nichts anderes vorstellen als dass ich mich in "autistischen Rückzug" geflüchtet hätte - das mache ich ja heute noch so, wenn etwas quälend ist und ich weg will, dass ich mich einfach "wegbeame" für eine Weile. Aus dem Fenster kucken und so intensiv wünschen, dass man da draußen ist, bis es geistig sozusagen wahr wird.
Dann hätten sie ihren "schweren Fall" gehabt und ich hätte nach der Schule noch Therapie gekriegt... Statt dessen kam ich ziemlich früh mittags nach Hause, musste in den ersten Jahren auch oft erst später hin, und konnte sehr viel draußen spielen - allein oder auch mit anderen.
An krankmachenden Bedingungen kann man nichts ändern dadurch, dass einzelne eine Therapie bekommen, die sie an die Bedingungen anpassen soll. Das kann auch z.B. dann nicht funktionieren, wenn Reizüberflutung das Hauptproblem ist mit der Schule. Ich lerne jetzt, sorgsam zu unterscheiden zwischen Dingen, bei denen ich gut noch was lernen könnte, wenn ich mir die richtige Hilfe und Anleitung hole (und Psychotherapie ist nicht das, was ich brauche) und Dingen, nach denen ich eben leben muss. Zu letzterem gehört der Umstand, dass mich Lärm und Chaos schnell ermüden und dass sie dann anschließend noch lange Zeit in meinem Kopf herrschen. Wenn ich also leistungsfähig sein will, dann muss ich derlei sparsam dosieren. Milde und rhythmische Reize sollen übrigens ganz gut sein für die sensorische Integration - sowas wie Musik z.B.. Oder, was ich selbst entdeckt habe: Radfahren in ruhiger Umgebung.
Aber mehr als so eine Art leichter "Desensibilisierung" lässt sich da eben nicht bewirken, und so wirkungsvoll, dass ich es anschließend 5 Tage die Woche den ganzen Tag in einer Schulklasse aushalten könnte, ist es wohl kaum.
Während wir uns also hier gegenseitig über die korrekte Verwendung von Begriffen verhöhnen und beschimpfen (das Thema kann durchaus interessant sein, aber erfahrungsgemäß sinkt das inhaltliche Niveau, wenn bloß noch rumgegiftet wird, und dann wird's ziemlich langweilig), läuft dort draußen als Vorbereitung auf die spätere Ausbeutung und Unterdrückung ein System, das kleine Kinder gnadenlos über ihre persönlichen Grenzen zu treiben versucht. Wäre es da nicht humaner, wenn man die Kinder Teppiche knüpfen lässt oder unter Tage durch die Tunnel kriechen lässt, die für Erwachsene zu niedrig sind, um Kohle abzubauen?
cony schrieb:
Zitat:
alles ist stressiger,die anforderungen schon in der 1 klasse höher.kann ich das ändern?wohl kaum.ich kann versuchen meine söhne auf die gesellschaft vorzubereiten,die gesellschaft selbst kann ich nicht ändern
Ja, ich weiß. Selbst wenn man sich neben all den Schwierigkeiten, die man im Alltag so hat, auch noch für Änderungen in der Gesellschaft einsetzt, ändert sich dadurch ja nicht sofort was an den Bedingungen. Auf der anderen Seite: Alle positiven Errungenschaften sind irgendwann mal erkämpft worden.
Für mich habe ich die durchaus realistische Hoffnung, beides miteinander verbinden zu können. Es ist auch insgesamt oft so, dass gesellschaftliche Veränderungen dadurch angeregt werden, dass Einzelne mit berechtigten Forderungen offensiv umgehen und sich mit anderen zusammentun. Über das Bewusstsein, dass man gewisse Grundrechte hat, entsteht auch die Fähigkeit, diese individuell in Begegnungen mit Behörden oder Lehrern durchzusetzen.
Zitat:
ich sage auch nicht zu meinen kindern du bist schwer krank und schon garnicht laufend.meinem kleinen habe ich das noch nie gesagt.
Da bin ich beruhigt! Du hattest das Wort "krank" in deinen Beiträgen dermaßen häufig und vehement verwendet, dass ich mir schon Sorgen gemacht hatte, was deine Kinder zu Hause den ganzen Tag zu hören kriegen (wenn sie nicht in der Schule sind).
Hm, mal so als Anregung:
Mein Sohn hatte ja auch eine verzögerte Sprachentwicklung und ist dann später hochgradiger Legastheniker gewesen. Mit meiner "anerkannten" Neigung zu Taktlosigkeiten habe ich wohl auch nicht immer so ganz den richtigen Ton getroffen, wenn es um das Thema ging. Aber eins war wohl ganz gut: In einem Elternratgeber las ich, welche berühmten Persönlichkeiten Legastheniker gewesen sein sollen. Darunter war auch Albert Einstein. Von dem wird übrigens mittlerweile auch behauptet, er sei Aspie gewesen. Nun ja, posthume Diagnosen sind halt immer ein bisschen schwierig... Definitiv hatte er aber eine verzögerte Sprachentwickung! Und "neurologisch untypisch" war er ganz gewiss auch.
Kinder schwärmen gern mal für einen "Star" und brauchen vielleicht Vorbilder. Ich hab meinem Sohn also von Einstein erzählt und dass der auch Legastheniker war. Es passte wunderbar, weil mein Sohn nämlich von subatomaren Teilchen fasziniert war, seit ich ihm mal, als er 5 Jahre alt war, auf Nachfrage erklärt habe, wie ein Gewitter "funktioniert". Das Interesse erstreckte sich auch über die subatomaren Teilchen hinaus auf andere Gebiete der Physik. Er wurde tatsächlich ein Einstein-Fan, besonders, nachdem ich ihm mal ein schönes Zitat vorgelesen hab:
"Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen, Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalt und die leidige
Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen!" (Albert Einstein)
Mein Sohn war begeistert! Man mag einwenden, dass dieses Zitat nicht grade vor Toleranz und Respekt vor den Andersartigen glüht... äh...
aber meinem Sohn hat es gegen den Normierungsdruck einen großen, starken und selbstbewussten geistigen Freund mit auf den Schulweg gegeben.
cony, ich wünsch dir erstmal gute Besserung und deinen Kindern, dass sie heil durch die Schulzeit kommen. Später wird's für sie einfacher, wenn sie sich mehr aussuchen können, was sie machen und mit wem.
Tschau
Lisa
P.S.:
Zitat:
niemand hat das recht jemanden die sterbehilfe anzubieten aus welchem grund auch immer.
Das sehe ich auch so. Hast du gesehen, dass in diesem Beitrag aus dem Dignitas-Forum ausdrücklich Asperger-Autismus als Anlass für Sterbehilfe genannt wurde?
Mir ist also auch die Sterbehilfe angeboten worden, und ebenso 55555 und eraser und anderen hier - wenn auch nicht von dir.