Shiva
|
geändert von: Shiva - 18.12.07, 21:05:58
Samantha, ich kann natürlich nicht von mir auf andere schließen, jedoch gehe ich ganz stark davon aus, dass jemand, der autistische Züge hat, nicht freiwillig seine Freizeit opfern würde für einen Menschen, den er nicht mag! Wichtig ist, auf die kleinen Dinge zu achten, die für die meisten so selbstverständlich sind. Für mich ist es nicht selbstverständlich, so viel Zeit wie möglich mit einem Menschen zu verbringen. Ich funktioniere einfach anders. Weißt du, wie anstrengend es ist, sich gegenüber anderen Menschen "verstellen" zu müssen, um nicht ins Aus zu geraten? Ich arbeite mit jemanden im Büro, der sehr kommunikativ ist, das macht mich manchmal wahnsinnig, obwohl die Person freundlich ist. Da ich u. a. auch noch Ansprechpartner bin für unsere Mitarbeiter, ist da ständig wer, der mit mir reden muss. Ich mag es nicht, aber es gehört zu meinem Job und ich tue, was ich kann, um ihn zu erfüllen. Früher habe ich mich oft gefragt, warum anderen das so leicht fällt. Außerdem fühle ich mich auch oft wie ein steifes Brett, so lässt es sich wohl am besten ausdrücken. Die anderen erscheinen mir so natürlich und locker. Mir mangelt es nicht an fachlichem Wissen oder an Intelligenz, trotzdem komme ich mir unbeholfen vor. Vor allem beim Smalltalk. Einige suchen regelmäßig Kontakt und reden mit mir über alles mögliche, es ist schwer, sich in solchen Gesprächen zurecht zu finden. Fachwissen austauschen ist noch okay, weil es da für mich eine "Richtlinie" gibt (welchen Zweck erfüllt das Gespräch, was kann man dazu alles sagen, man verletzt keine sozialen Regeln...), aber sobald es in Richtung Smalltalk geht, winde ich mich innerlich regelrecht und lege mir alles mögliche zurecht, was ich sagen könnte, dadurch brauche ich manchmal länger für Antworten. In manchen Situationen kann es da auch durchaus mal zu einem Blackout kommen. Das Telefon klingelt und ich nehme ab und kriege kein Wort raus, weil ich vergessen habe, was man sagt. In solche Situationen lande ich immer wieder, auch im privaten Bereich.
Bin ich froh, wenn ich dann wieder daheim bin und ich mich wieder wie ich fühlen kann und ich ich sein darf. Ein Partner, der dann fordern würde, wäre eine zusätzliche Belastung. Manchmal mache ich mir auch Gedanken darüber, dass es eigentlich nicht fair ist, vom Partner zu erwarten, dass er mich in Ruhe lässt und mich immer von allein zu ihm kommen lässt. Aber so funktioniert es tatsächlich am besten, je mehr Freiraum ich habe, umso mehr kann ich geben. Sicher ist das dann immer noch nicht all das, was mein Partner im Normalfall erwarten würde.
Übrigens fühlen sich Umarmungen für mich an wie "Umklammerungen". Eine ganz kurze Umarmung bei normalen Zustand meinerseits mit kurzer seelischer Vorbereitung ist sogar ganz ok, aber eine richtige feste Umarmung, da bekomme ich Panik und es kann vorkommen, dass ich um mich schlage, vor allem wenn es überraschend kommt. Berührungen in der U-Bahn oder andere zufällige Körperkontakte mag ich ebenso nicht. Es fühlt sich einfach unangenehm an.
Sicherlich ist eine Beziehung eine Waagschale, und in deinem und auch meinem Fall mag sie unausgeglichen wirken. Was nur leider kaum jemand sieht ist, dass nicht nur die Partner der Autisten Kompromisse eingehen, sondern auch die Autisten selbst. Das sieht man jedoch erst, wenn man weiß, wie die Person im Normalfall handeln würde. Ich habe z. B. jeden Tag Kontakt mit meinem Partner, und sei es nur über Internet, das ist eigentlich ungewöhnlich für mich. Für dich ist das vielleicht selbstverständlich? Für mich ist das außergewöhnlich und besonders. Dass du anfängst, die kleinen Dinge zu bemerken an deinem Partner, ist für ihn sicherlich eine große Erleichterung.
Liebe Grüße, Shiva (heute nicht so overloaded, weil sie den halben Tag allein im Büro sein durfte :D )
|