Forum für Autisten und interessierte Zeitgenossen (http://autismus-ra.unen.de/index.php)
-- Offenes Forum (Schreibrecht auch für unter User=Gast; Pass=Gast eingeloggte Gäste) (http://autismus-ra.unen.de/board.php?id=3)
---- Angehörige und weitere Mitmenschen (http://autismus-ra.unen.de/board.php?id=23)
Thema: Small Talk - sie können nicht anders? (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=1328)


Geschrieben von: Aldaris~Adun am: 14.10.07, 11:55:49
Stimmt, ich wirke schon immer desöfteren 'arrogant' auf andere. Früher hat mich das manchmal irgendwie gestört, jetzt nicht mehr.


Geschrieben von: Interceptor am: 14.10.07, 13:49:02
Zitat von 55555:
Ich glaube im Small Talk-Zwangsspiel kann es als große Überheblichkeit gedeutet werden Dinge grundlegend besprechen zu wollen. Wenn Small Talk aus Angst betrieben wird sich mit klaren Aussagen möglicherweise unbeliebt zu machen oder sich verletzbar zu machen signalisiert diese Sachlichkeit wohl sowas wie Furchtlosigkeit. Wenn jemand nicht bedrohlich wirkt, kann es aber auch als Dummheit gedeutet werden, da es als dumm empfunden wird, wenn sich jemand direkt und ohne Umwege äußert. Scheinbar keine Angst zu haben kann auch ein Zeichen von Unbedarftheit sein.


Ich denke der Grund liegt auch darin, dass wenn man mit seinen Aussagen plötzlich und unerwartet Sinn in das Gespräch reinbringt, man ihnen damit vor Augen führt, was für ein belangloses Gequatsche sie da eigentlich von sich geben. Man stellt sie blos. Sowas führt natürlich nicht zu Beifallsbekundungen, denn niemand wird gerne daran erinnert, dass er eigentlich nichts zu sagen hat.


Geschrieben von: 55555 am: 14.10.07, 15:41:06
Das kann man so pauschal vermutlich nicht sagen. Ist jedes dumme Gequatsche überhaupt auch Small Talk?


Geschrieben von: Interceptor am: 14.10.07, 15:59:30
Das hängt davon ab, was man individuell unter dummes Gequatsche versteht. Für mich ist es inhaltloses Gerede ohne Sinn, auf das man nichts antworten kann, also fällt es für mich unter die Kathegorie "Small-Talk"


Geschrieben von: Zweiblum am: 15.10.07, 07:25:14
Zitat von drvaust:
Z.B. auf das dämliche Gelaber von schönem Wetter usw. mit statistischen Werten, Grundwasserspiegel, Ozonloch usw. reagieren, unbedingt ausdiskutieren.

Der Haken an der Sache ist, daß Telefongespräche, die mit "ich wollte nur mal hallo sagen" beginnen, stundenlang dauern können. rrr

Und den obengenanten Satz wörtlich nehmen, antworten "das hast du ja jetzt getan" und einfach auflegen? fragen

So schafft man sich wohl auchj keine Freunde, nehme ich an zwinkern


Geschrieben von: Aldaris~Adun am: 15.10.07, 13:16:54
Hmm, also früher, vor meiner AS- Entdeckung habe ich mich immer gefragt, wieso ich als 'einziger Mensch auf der Welt' keine 2- stündigen Telefonate gelingen und wieso sie mir allgemein sehr unangenehm sind.

Mit mir bekommt niemand ein langes Telefonat hin, zielgerichtet Infos austauschen und Ende das geht, ja, wenn da dann aber nichts mehr ist, dann kehrt recht schnell so etwas wie betretenes schweigen ein, wohl aufgrund mangelnder 'Smalltalkresonanz' meinerseits.
Ich kann sowas eben wirklich nicht und zum Glück versucht es auch so gut wie niemand mehr, den ich kenne.


Geschrieben von: drvaust am: 16.10.07, 01:06:33
Ich hatte mich jetzt nochmal bei NA über Small Talk informiert.
tja Das ist zum einen ein belangloses Gerede, um nicht zu Schweigen. Irgendwie ist es NA unangenehm, längere Zeit in einer Gruppe zu schweigen. Da muß ständig etwas los sein, zumindest unbedeutendes Gerede. Ich verstehe das nicht.
tja Zum anderen dient das als gegenseitige Abstimmung, Abtasten, Erkunden der Stimmungen und Positionen. Eine gemeinsame Aktion, Diskussion, Zusammenarbeit u.ä. soll mit Small Talk eingeleitet werden, damit jeder weiß, welcher Stimmung die anderen sind und wie die Rangordnung ist. Das hilft, viele Fettnäpfchen zu vermeiden, wenn man das erkennen kann. Da liegt unser Problem, wir können das nicht richtig erkennen, wenn es nicht direkt erkennbar ist.
Es ist nicht gut, wenn man einen Witz erzählt, während ein anderer trauert. Oder wenn man jemand bittet, Kaffee zu holen, sollte das möglichst nicht ein Chef sein, den man nicht kennt. Solche Sachen werden im Small Talk geklärt.


Geschrieben von: arlette am: 17.10.07, 13:23:05
Zitat von drvaust:
Zum anderen dient das als gegenseitige Abstimmung, Abtasten, Erkunden der Stimmungen und Positionen. Eine gemeinsame Aktion, Diskussion, Zusammenarbeit u.ä. soll mit Small Talk eingeleitet werden, damit jeder weiß, welcher Stimmung die anderen sind und wie die Rangordnung ist. Das hilft, viele Fettnäpfchen zu vermeiden, wenn man das erkennen kann.

diese zusammenfassung ist sehr gut! schlussendlich geht es darum, informationen zu sammeln, um sich sicher zu fühlen.

ich kompensiere unsicherheit, indem ich mir jeweils viele sach-informationen über die umstände einhole, in denen ich mich bewege. das löst das 'small-talk-problem' nicht, ist jedoch meine sicherheit, die ich brauche. ich denke, hier ist der kern des problemes: beide kompensieren unsicherheit mit ganz anderen informationen.


Geschrieben von: kiara am: 25.10.07, 10:45:42
*grübel*
Es ist ziemlich sicher, dass ich keine Autistin bin, aber meine Small Talk-Fähigkeiten liegen bei Null. Ich kann sehr gut reagieren, wenn jemand kommunikativ auf mich einwirkt, aber selbst stundenlang über nichts zu reden, ich kann es einfach nicht. Die Frage "Wie geht es dir?" stelle ich niemals als leere Worthülse, sondern weil ich es wissen will. Jedes Zögern in der Antwort (die meisten NA wollen diese Frage mit "gut" beantworten, egal, wie schlecht es ihnen geht) veranlasst mich zu intensiver Nachfrage, was nicht immer positiv aufgenommen wird. Manch einer ist froh, wenn er endlich all sein Leid klagen darf, die meisten finden es unangenehm, bei einer Soziallüge erwischt worden zu sein und nun die Fassade des stets kontrollierten Menschens fallen lassen zu müssen ...
Und wenn ich über das Wetter rede, dann nur, weil es mich wirklich beschäftigt. Vielleicht, weil mein Garten endlich wieder Regen braucht, weil mir die Hitze auf den Kreislauf schlägt und ich erklären möchte, warum ich gerade umgekippt bin ... Dafür schätzt man mich oft als naiv ein, eben weil ich problemlos solche Informationen über mich preisgebe, die ich einfach nicht als schützenswert erachte.


Geschrieben von: Samantha am: 18.12.07, 23:38:42
small talk dient als erstes kennen lernen, "beschnüffeln" sozusagen. es werden meinungen und charakterzüge vorsichtig hinterfragt, reaktionen eingeordnet, grenzen ausgelotet.

wenn mir jemand ohne small talk fachspezifische fragen stellt, kann ich zum beispiel nicht einschätzen, wieweit er mit der materie vertraut ist. ich könnte ihm dinge erklären, die er längst weiß und dabei langatmig wirken. oder ich setze wissen voraus, was nicht vorhanden ist und wirke danna rrogant, weil ich den andern beschäme.

wird im small talk vorher zum beispiel angeschnitten, was derjenige für einen beruf hat, kann ich das eher einschätzen.

dasselbe gilt für meinungen. seien diese nun politischer oder einfach zwischenmenschlicher natur.

damit versucht man mißverständissen und unbehagen im anschließenden ernsthaften gespräch vorzubeugen.

da ihr diese nuancen in mimik, gestik, aussprache wohl nicht so wahrnehmt, kommt euch das "dumme gerede" verständlicher weise sinnlos vor.

mit sofortigem "ernsthaften gespräch" überfordert ihr sozusagen den NA, da er dann (wie ihr) ohne vorherige einschätzung seines gegenübers ein gespräch führen muß. das mag er nicht.

(gar nicht so einfach, dinge zu erklären, die man schon immer automatisch tut)