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Thema: Speyer: Arbeitsloser verhungert nach Mittelstreichung (http://autismus-ra.unen.de/topic.php?id=1035)


Geschrieben von: Altpapier am: 20.04.07, 16:21:44
Zitat:
Nach dem Tod eines 20-jährigen Arbeitslosen durch Verhungern haben die zuständigen Behörden die Verantwortung für den Fall zurückgewiesen. "Wir hätten nichts tun können", sagte ein Vertreter der regionalen Arbeitsgemeinschaft für die Betreuung von Hartz-IV-Empfängern.
...
Die Mutter hat den 20-Jährigen in der ersten Vernehmung als depressiv und phlegmatisch beschrieben.

SWR


Geschrieben von: Altpapier am: 20.04.07, 16:46:04
Zitat:
Im Oktober 2006 sollte er psychologisch begutachtet werden, um seine Arbeitsfähigkeit abzuklären. Als er nicht darauf reagierte, sei mit der Kürzung begonnen worden. Das sei der vorgegebene Weg, betonte Grohe. Auf die Streichung der Mittel habe die Familie nicht reagiert. Die Arge habe vom Gesetzgeber aus nicht den Auftrag, in derartigen Fällen von sich aus aktiv zu werden, so Grohe.


Stimmt das? Ist es Aufgabe der Arge Menschen in den Tod zu treiben ohne ihnen auch menschlich zu helfen?


Geschrieben von: Altpapier am: 20.04.07, 16:58:34
Zitat:
Zwei Sessel und eine Couch, eine Schrankwand mit Fernseher. Auf Spitzendeckchen ist fein säuberlich allerlei Schnickschnack drapiert. Kein Chaos, alles wirkt wohlgeordnet. Im Polizeiprotokoll ist vermerkt, es seien keinerlei Lebensmittelvorräte gefunden worden.
...
GFA-Bereichsleiter Hans Grohe, ein erfahrener Berufsberater, beschreibt den jungen Mann als „antriebsarm“ und „schwer zu motivieren“. Sascha K. sei ein absoluter Einzelgänger gewesen. Sein Berufswunsch Verkäufer sei aufgrund seiner Fähigkeiten „nicht realistisch gewesen. Sämtliche Praktika, die die „Fallmanager“ dem Sonderschüler nach dem Berufsgrundschuljahr angeboten hätten, habe er ausgeschlagen. Das Verhältnis zu seiner Mutter sei gespannt gewesen.

Kölner Stadt-Anzeiger


Geschrieben von: 55555 am: 20.04.07, 17:34:00
Meines Wissens dürfen die Mittel zum Lebensunterhalt vom Gesetz her nur teilweise gekürzt, nicht jedoch ganz gestrichen werden. Viele Behörden tun das jedoch illegal seit Jahren. Hoffentlich wird den Verantwortlichen hier mal die ganze Härte entgegengebracht.


Geschrieben von: drvaust am: 20.04.07, 22:27:33
Zitat von 55555:
Meines Wissens dürfen die Mittel zum Lebensunterhalt vom Gesetz her nur teilweise gekürzt, nicht jedoch ganz gestrichen werden.
Das kommt bei der ARGE oft vor, ist sogar schriftlich geregelt. In Härtefällen wird auf Antrag teilweise gezahlt. Die Mitarbeiter der ARGE sind überlastet und schlecht ausgestattet, da können die sich kaum um Einzelfälle kümmern.
In dem Fall lag ja noch ein persönlicher Grund vor, Nichterscheinen. Es kommt aber auch vor, daß wegen Computerfehlern nicht gezahlt wird. Die Datensicherung wurde eingespart, wenn dann Daten verlorengehen, wird erstmal nicht gezahlt. In dringenden Fällen kann, auf Antrag, teilweise gezahlt werden.
Vor längerer Zeit war die gesamte Datenbank zerstört, die Wiedereingabe der Daten dauerte bis zu 4 Monate. Wenn 3 Monate keine Miete gezahlt wurde kann der Vermieter sofort kündigen. So wurden viele Vermieter lästige Mieter los. Die Mitarbeiter der ARGE hatten eine interne Anweisung, Betroffene (obdachlos) nicht zusätzlich zu unterstützen.
Vor Ostern war wieder ein Computerfehler aufgetreten. Die Betroffenen bekamen erstmal kein Geld. Sie konnten persönlich (bei Bedarfsgemeinschaften jeder einzeln nur für sich) in dringenden Fällen eine teilweise Zahlung beantragen. Wartezeit 2 bis 4 Stunden, dann wurden viele Anträge abgelehnt.

Eigentlich sind die Behörden für die Bürger da, sollen das normale Leben absichern, sich um Probleme kümmern. Aber das sind ja jetzt Agenturen und Arbeitsgemeinschaften, vielleicht werden die bald privatisiert, ohne Verantwortung für den Staat.


Geschrieben von: 55555 am: 29.04.07, 21:19:05
So langsam spricht die Begebenheit sich wohl rum:

Link


Geschrieben von: Goldloeckchen am: 02.05.07, 12:49:09
Wenn er depressiv war gibt es jedoch Möglichkeiten a) er war so depressiv, dass er das als Möglichkeit der "Sterbehilfe" genutzt hat oder b) der Antrieb bereits stark gestört war. Letzteres ist wahrscheinlich wenn man von der ebenfalls verwahrlosten Mutter ausgeht. Wohl familiär bedingt. Ich denke das Amt hat nur bedingt Schuld in dem Fall weil sie a) wahrscheinlich nicht wussten wie der psychische oder physische Zustand dieses Mannes aussah und b) sie nur ihren Pflichten nachkamen wonach Gelder bei nicht erbrachten Nachweisen gestrichen werden dürfen. Weiß ich ja aus Erfahrung. Ich stand auch schon vor der existenziellen Kippe aber eine Mail oder Anruf bei der Diakonie oder SKF wirkt oft wunder. Notfalls gibt es die Tafel. Mit 20 weiß man natürlich nicht unbedingt um diese Anlaufstellen.
Wo ist also die Schuld? Bei Beiden würde ich sagen wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann.


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.07, 13:03:29
Es ist ganz einfach: Das Existenzminimum darf nicht an Bedingungen geknüpft werden. Hier wurde gegen Grundrechte verstoßen und zwar mit tödlicher Folge. Das ist ein Armutszeugnis und verdient keine Rechtfertigung, sondern macht eine Anpassung des Systems nötig, das derart eklatant rechtswidrig handelt.


Geschrieben von: Goldloeckchen am: 02.05.07, 13:18:15
Tja, das ist wohl wahr aber wie kann man denn sowas sonst lösen? Die Behörden brauchen schließlich auch Nachweise um das Geld fortzahlen zu können weil die Gelder für die ARGE aus Nürnburg kommen soweit ich informiert bin. Dies ist so eine Kooperationsache eben. Könnte man als Alternative die Miete fortzahlen und ansonsten die Kölner Tafeln dahin fahren lassen? Doof ausgedrückt bzw. blöde Alternative aber ich finde schon, dass einwenig Bürokratismus erforderlich ist, wenn man noch Überblick behalten möchte. Stell dir vor, jeder würde keine Nachweise mehr bringen weil das Geld ja sowieso fortgezahlt werden würde. Ich finde so einfach ist das gar nicht und ich bin selbst diesbezüglich einwenig ambivalent und nicht zuletzt weil ich weiß, dass einige Sachbearbeiter Leute schikanieren aber es wohl auch Hilfeempfänger gibt die möglichst alles umsonst wollen und Sachbearbeiter übel anpöpeln wenn sie die "Sauna fürs Bad" nicht finanziert bekommen (überspitzt). Tja, wo kann man da eine Grenze setzten? Und ausserdem ist es ja nun echt nicht die Regel, dass wer wegen Einstreichung von Arbeitslosengeld II verhungert.


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.07, 14:46:05
Du machst dir die Sorgen der Verwaltung und läßt Grundrechte unter den Tisch fallen. Der reduzierte ALG2-Satz darf nicht an Bedingungen geknüpft werden.


Geschrieben von: Goldloeckchen am: 02.05.07, 15:24:50
Das siehst du falsch. Meine Aussage war bedacht und relativiert.
Ich mache mir nur über die Gesamterhaltung des ALGs Sorgen. Wenn jeder Geld bezieht und nicht dazu verpflichtet wird seine Formalitäten zu erledigen kommt die Behörde in dem Fall LVR und Nürnberg nicht mehr nach. Der Sozialstaat oder das was davon übrig geblieben ist würde völlig zusammenbrechen. Allerdings was ich nicht bedacht habe vorher ist: Dass die Behörde sich um sowas kümmern muss wenn sich jemand mehrmals nicht meldet weil der jenige evtl nicht fähig ist seine Termine wahrzunehmen und weil er evtl schon verstorben sein könnte. Aber bei Prüfungen sind sie schnell zu Gange...
Ehrlich gesagt fehlen mir die Hintergrundinformationen zum Artikel. Ich weiß nicht was da vorgefallen ist aber den ganzen Satz darf man natürlich nicht streichen. Ich denke längerfristig sollte man über eine bessere Lösung nachdenken.


Geschrieben von: 55555 am: 02.05.07, 16:26:27
Zitat von Sheila:
Ich weiß nicht was da vorgefallen ist aber den ganzen Satz darf man natürlich nicht streichen.

Genau darum geht es mir. Deine sonstigen Ausführungen kann ich noch nicht in einen Zusammenhang einordnen, der für mich Sinn macht. Wo soll es ein Problem geben, das Recht einzuhalten und das Existenzminimum eines reduzierten Satzes ohne Bedingungen auszuzahlen? Ich sehe da keins.